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Beim Fehlen quantitativer Beurteilungsmaßstäbe ist gemäß ASR V3 zu überprüfen, ob arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse mit qualitativen Maßstäben verfügbar sind (Forschungsberichte, wissenschaftliche Veröffentlichungen sowie einschlägige Normen).

Aktuell gibt es zahlreiche Veröffentlichungen zu Studien, die der Frage nachgegangen sind, wann sich psychische Faktoren negativ auf die Gesundheit und das Wohlbefinden auswirken können. Dazu wurden systematisch Überblicksarbeiten wie Metaanalysen und systematische Reviews ausgewertet und somit mehrfach gesicherte Zusammenhänge von Belastung und Gesundheitsbeeinträchtigung geprüft. Die wissenschaftliche Standortbestimmung zur psychischen Gesundheit in der Arbeitswelt der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin bietet dazu ebenso vertiefte Erkenntnisse (BAuA 2017, Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt)[1] wie der iga.Report 31[2] und der Stressreport 2012[3].

Die psychischen Faktoren sind wie die psychische Belastung neutral als Anforderungen zu verstehen. Je nach ihrer Ausprägung können sie negative oder positive Wirkungen haben. Aus diesem Grund unterscheidet man bei der Wirkung der psychischen Faktoren zwischen Gesundheitsgefahren und Ressourcen. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse dazu wird nachfolgend beschrieben.

4.3.1 Ausprägungen psychischer Faktoren - Gesundheitsgefahren

In Tabelle 1 werden die psychischen Faktoren und ihre empirisch ermittelte mögliche Wirkung beschrieben. Treten die Faktoren in einem Mitgliedsbetrieb auf, sollten sie als kritisch bewertet und Maßnahmen abgeleitet werden.

Tabelle 1: Risikofaktoren bzw. gesundheitsgefährdende psychische Faktoren (nach Rau, 2015; BAuA, 2017)

     
Zu hohe Arbeitsintensität (job demand) Wenn eine Person in kurzer Zeit, sehr viel Arbeit, in hoher Qualität leisten muss

Depression

Psychische Beeinträchtigung[1]
Zu geringer Handlungsspielraum (job control) Wenn eine Person wenig Einfluss auf ihre Arbeit und den Arbeitsablauf nehmen kann

Herz-Kreislauf-Erkrankung

Depression

Psychische Beeinträchtigung
Job Strain Kombination aus geringem Handlungsspielraum (job control) und hoher Arbeitsintensität (job demand)

Herz-Kreislauf-Erkrankung

Diabetes Typ2

Depression

Psychische Beeinträchtigung

Angststörungen
Fehlende oder geringe soziale Unterstützung Wenn Kolleginnen, Kollegen oder Vorgesetzte wenig Hilfe leisten, wenig Wertschätzung äußern o. ä.

Herz-Kreislauf-Erkrankung

Depression

Psychische Beeinträchtigung
Iso-Strain Kombination von geringer sozialer Unterstützung (Isolation) und hoher Arbeitsintensität bei geringem Handlungsspielraum (job strain)

Herz-Kreislauf-Erkrankung

Depression
Lange Arbeitszeiten, viele Überstunden Wenn eine Person über die reguläre Arbeitszeit hinaus arbeitet

Herz-Kreislauf-Erkrankung

Depression

Psychische Beeinträchtigung

Diabetes
Ungünstig gestaltete Schichtarbeit
  • Betrachtung des Schichtsystems
  • Nachtschicht ein besonderes Risiko

Herz-Kreislauf-Erkrankung

Diabetes
Hohe Arbeitsplatzunsicherheit Subjektiv erlebte Unsicherheit, den eigenen Arbeitsplatz behalten zu können

Herz-Kreislauf-Erkrankung

Psychische Beeinträchtigung
Rollenstress
  • Erwartungen an die "Rolle" einer beschäftigten Person sind der betreffenden Person nicht klar
  • Unterschiedliche Vorstellungen von der jeweiligen "Rolle"
  • Person hat verschiedene "Rollen", die in Konflikt geraten

Depression

Angststörungen
Mobbing/Bullying Erlebter "Psychoterror" am Arbeitsplatz: aggressives Verhalten von Kolleginnen/Kollegen oder Vorgesetzten mit dem Ziel des "Fertigmachens" und/oder "Wegekelns"

Depression

Angststörungen

Psychische Beeinträchtigung
Effort-Reward-Imbalance (Gratifikationskrise) Wenn ein Ungleichgewicht zwischen eigenem Engagement/Einsatz und Belohnung wahrgenommen wird

Herz-Kreislauf-Erkrankung

Depression

Psychische Beeinträchtigung
Destruktiver Führungsstil
  • autokratische, autoritäre, verantwortungslose, bestrafende, vernachlässigende Führung
  • unangemessene Kritik
  • niedrige Konfliktlösungsfähigkeit
  • Unerreichbarkeit
  • aggressive oder psychopathische Verhaltensweisen
  • abweichendes Verhalten
Anstieg affektiver Symptome, Burnout, Stress und Gesundheitsbeschwerden Reduktion des Wohlbefindens und der psychischen Funktionsfähigkeit

Sicherlich gibt es weitere Faktoren, die eine Gefährdung darstellen wie beispielsweise Multitasking oder ständige Erreichbarkeit. Sollte vor Ort in einer Organisation festgestellt werden, dass negative Beanspruchungsfolgen aufgrund bestimmter psychischer Faktoren vorliegen, müssen im Sinne des Arbeits- und Gesundheitsschutzes Maßnahmen getroffen werden.

[1] In den untersuchten Studien von Rau (2015) war dies der Oberbegriff für das Auftreten von affektiven Störungen, Angst- und Zwangsstörungen.

4.3.2 Ausprägungen psychischer Faktoren - Ressourcen

Wenn psychische Faktoren positiv ausgeprägt sind, spricht man von Ressourcen. Im Stressreport 2012 wurde unter anderem untersucht, welche Wirkung ein Mangel an Ressourcen auf die Anzahl un...

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