1.1 Definition und Hintergrund

Von Chemikalien können zahlreiche Gefährdungen ausgehen:

  • gesundheitliche Gefährdungen für die Beschäftigten,
  • Umweltgefährdungen,
  • Gefährdungen für betriebliche Einrichtungen, z. B. durch Brand oder Explosion.

Es muss daher im Interesse des Betriebs sein, diese Gefährdungen zu kennen und sich adäquat dagegen zu schützen.

Wenn Beschäftigte Tätigkeiten mit Gefahrstoffen ausüben oder bei Tätigkeiten Gefahrstoffe entstehen oder freigesetzt werden können, müssen alle davon ausgehenden Gefährdungen beurteilt werden (§ 6 Abs. 1 GefStoffV). Fast wortgleich wurde damit die europäische Richtlinie 98/24/EG über die Gefährdung durch chemische Arbeitsstoffe in deutsches Recht überführt.

Die Pflicht zur Gefährdungsbeurteilung ist unabhängig von der Zahl der Beschäftigten. In die Gefährdungsbeurteilung müssen folgende Gesichtspunkte eingehen (§ 6 Abs. 1 GefStoffV):

  • gefährliche Eigenschaften der Stoffe oder Gemische, einschließlich ihrer physikalisch-chemischen Wirkungen (Brand- und Explosionsgefahren),
  • Informationen des Lieferanten (ersetzt an entsprechenden Stellen der neuen GefStoffV die Begriffe "Hersteller", "Inverkehrbringer" bzw. "Importeur") zum Gesundheitsschutz und zur Sicherheit, v. a. im Sicherheitsdatenblatt,
  • Art und Ausmaß der Exposition unter Berücksichtigung aller Expositionswege (inhalativ – einatmen, dermal – Hautkontakt, oral – verschlucken),
  • Möglichkeiten einer Substitution (Stoffe, aber auch Tätigkeiten, Prozesse usw.),
  • Arbeitsbedingungen und Verfahren, einschließlich der Arbeitsmittel und der Gefahrstoffmenge,
  • Arbeitsplatzgrenzwerte und biologische Grenzwerte,
  • Wirksamkeit der ergriffenen oder zu ergreifenden Schutzmaßnahmen,
  • Erkenntnisse aus durchgeführten arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen.

Eine Dokumentation ist Pflicht, unabhängig von der Zahl der Beschäftigten. Darin muss u. a. angegeben werden, welche Gefährdungen auftreten können und welche allgemeinen und ergänzenden Schutzmaßnahmen durchgeführt werden müssen (§ 6 Abs. 8 GefStoffV).

Die Gefährdungsbeurteilung darf nur von fachkundigen Personen durchgeführt werden, z. B. von der Fachkraft für Arbeitssicherheit oder dem Betriebsarzt (§ 6 Abs. 11 GefStoffV).

Das bisherige Schutzstufenkonzept der Gefahrstoffverordnung existiert nicht mehr. Die neue Gefahrstoffverordnung legt stattdessen als Schutzmaßnahmen fest:

  • Allgemeine Schutzmaßnahmen gelten für alle Tätigkeiten mit Gefahrstoffen (§ 8 GefStoffV).
  • Zusätzliche Schutzmaßnahmen: nennt Maßnahmen, wenn z. B. Arbeitsplatzgrenzwerte oder biologische Grenzwerte überschritten werden oder eine Gefährdung durch Aufnahme über die Haut oder durch Schädigung der Augen besteht (§ 9 GefStoffV).
  • Besondere Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden, keimzellmutagenen und reproduktionstoxischen Gefahrstoffen der Kategorie 1A und 1B (§ 10 GefStoffV).
  • Besondere Schutzmaßnahmen gegen physikalisch-chemische Einwirkungen, insbesondere gegen Brand- und Explosionsgefährdungen (§ 11 GefStoffV).

Die Gefährdungsbeurteilung muss bei maßgeblichen Änderungen der Tätigkeit erneut durchgeführt werden. Darunter fallen z. B. (Abschn. 4.3 TRGS 400):

  • Einführung eines neuen Gefahrstoffs in einen Arbeitsbereich,
  • Änderungen von Tätigkeiten oder Arbeitsbedingungen, z. B. bezüglich Mengen, Arbeitsverfahren, Lüftungsverhältnissen oder Schutzmaßnahmen,
  • neue Erkenntnisse zu gefährlichen Stoffeigenschaften, Erkenntnisse aus der arbeitsmedizinischen Vorsorge.

Mögliche Anlässe zum Überprüfen und Überarbeiten der Gefährdungsbeurteilung sind v. a. auch Unfälle, Beinahe-Unfälle, Erkrankungen, Schadensfälle oder Ergebnisse aus Unfalluntersuchungen , z. B. nach Bränden oder Explosionen.

1.2 Verantwortung des Arbeitgebers

Die Gesamtverantwortung für die Gefährdungsbeurteilung liegt beim Arbeitgeber. Er kann die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung aber an eine oder mehrere fachkundige Personen delegieren oder sich fachkundig beraten lassen. Er muss dabei sicherstellen, dass die für ihn tätig werdenden Personen über die notwendigen Kenntnisse verfügen. Und er muss ihnen alle erforderlichen Unterlagen und Informationen zur Verfügung stellen.

Grundsätzlich hat der Arbeitgeber freie Hand, nach welchen Kriterien und Methoden die Gefährdungsbeurteilung durchgeführt wird. Er ist aber gut beraten, dabei die Hinweise der Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) zu beachten, v. a. die TRGS 400 ff. Diese geben den Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Arbeitshygiene sowie sonstige gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen, einschließlich deren Einstufung und Kennzeichnung, wieder. Sie entfalten Vermutungswirkung, d. h., wenn nach diesen Kriterien gearbeitet wird, ist der Arbeitgeber rechtlich auf der sicheren Seite. Es wird dann vermutet, dass er alle relevanten Vorschriften einhält.

1.3 Kosten und Nutzen

Die Gefährdungsbeurteilung erleichtert es, Schwachstellen im Unternehmen aufzuspüren. Mit dem Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung lassen sich Unfallgefahren reduzieren und im Spezialbereich der Gefahrstoffe Gefährdungen abbauen, die Ursachen von Berufskrankheiten sei...

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