Der Anteil psychischer Störungen am Arbeitsunfähigkeitsgeschehen hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Diese Störungen sind insbesondere durch ein komplexes Bedingungsgefüge aus individuellen Voraussetzungen sowie betrieblichen und familiären Belastungsfaktoren und Ressourcen gekennzeichnet.

Voraussetzung für einen leistungsadäquaten Einsatz von Mitarbeitern mit psychischen Störungen ist eine gute Zusammenarbeit zwischen dem Betroffenem, dem Fallmanager und dem Arbeitsmediziner. Nur in enger Kooperation und bei intaktem Vertrauensverhältnis können geeignete Eingliederungsmaßnahmen gefunden werden.

Dies ist insbesondere wichtig, da psychische Störungen gegenüber physischen Erkrankungen noch immer durch eine tatsächliche oder von den Betroffenen empfundene Stigmatisierung oder Tabuisierung gekennzeichnet sind.

Im Einzelfall kann die Einbeziehung des behandelnden Facharztes oder des Therapeuten einen Eingliederungserfolg überhaupt erst möglich machen. Hier ist insbesondere ein gutes Vertrauensverhältnis zu den betrieblichen BEM-Akteuren und die Entbindung der Schweigepflicht des Facharztes/Therapeuten wesentliche Voraussetzung.

Aufgrund der Vielfalt psychischer Störungen sind die Beeinträchtigungen am Arbeitsplatz ebenfalls äußerst differenziert:

  • zeitweise Verringerung der kognitiven Leistungsfähigkeit (Aufmerksamkeit, Konzentration, Gedächtnis),
  • Probleme in der Kommunikation mit Kollegen und Vorgesetzten und daraus resultierende Konflikte sowie Verringerung der Arbeitsleistung,
  • Verhaltensveränderungen.

Entsprechend dem TOP-Prinzip ist ebenfalls wieder die Gestaltung der Arbeitsaufgabe und -organisation die erste Interventionsebene zur Verbesserung der Passung zwischen dem individuellen aktuellen Leistungsprofil des Betroffenen und den Arbeitsanforderungen:

  • Anpassung der Aufgabenkomplexität an die aktuelle kognitive Leistungsfähigkeit,
  • Einräumen von zeitlichen und inhaltlichen Gestaltungsspielräumen, um aktuelle kurzfristige Schwankungen im Leistungsvermögen kompensieren zu können,
  • Veränderung der Arbeitsinhalte, um individuell besonders belastende Tätigkeiten zu vermeiden,
  • klare, strukturierte Arbeitsaufträge zur Vermeidung von mehrdeutigen Situationen,
  • Gewähren von Rückzugsmöglichkeiten bei Tätigkeiten mit häufigem Kundenkontakt,
  • Vermeidung von Mehrfachtätigkeiten/parallelen Aufgaben und fremdbestimmten Arbeitsunterbrechungen.

Das Einbeziehen des sozialen Umfelds am Arbeitsplatz (Kollegen, Vorgesetzte) stellt eine bedeutende organisationale Maßnahme zur Verringerung der Belastungen für den Betroffenen dar. Der Einbezug Dritter erfordert gerade bei psychischen Störungen unbedingt die Berücksichtigung des individuellen Bedürfnisses des Betroffenen nach Privatsphäre und Diskretion und dementsprechend immer dessen Einverständnis. Das betrifft insbesondere:

  • Aufklärung des Teams über krankheitsbedingte Verhaltensveränderungen zur Schaffung von Verständnis bzw. zur Sensibilisierung und zur Akzeptanz sich daraus ergebender Gestaltungsmaßnahmen im Arbeitsbereich,
  • Supervision im Team,
  • Coaching des betroffenen Mitarbeiters oder des gesamten Teams,
  • Einbindung eines sozialpsychiatrischen Dienstes.

Aufgrund des vielschichtigen Geschehens ist die direkte Reichweite betrieblicher Interventionen eingeschränkt. Diese können allerdings außerbetriebliche Maßnahmen unterstützen, indem sie Handlungsspielräume schaffen (z. B. durch eine flexible Arbeitszeitgestaltung), um auch Wechselwirkungen zwischen Belastungen aus dem privaten und beruflichen Bereich zu verringern.

Bei länger andauernden Leistungseinschränkungen ist ggf. die Möglichkeit zur Inanspruchnahme eines Beschäftigungssicherungszuschusses (bei Schwerbeschädigten) möglich. Dies entlastet den Arbeitgeber finanziell und kann auch dem Betroffenen durch eine Verringerung der an ihn gestellten Leistungserwartungen dienen.

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