Die Arbeitsbedingungen in den westlichen Industrienationen sind in den letzten Jahrzehnten unbestritten durch weitreichende Systeme des staatlichen und betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes stark verbessert worden. Es wäre fatal, sich auf diesen Erfolgen auszuruhen. Solange arbeitsbedingte Erkrankungen, Unfälle und Berufskrankheiten noch verursacht werden oder verursacht werden könnten, und dies ist in jedem Unternehmen, das Mitarbeiter beschäftigt, prinzipiell der Fall, bedarf es weiterhin eines engagierten Arbeits- und Gesundheitsschutzes.

Die allgemeine betriebliche Realität ist auch, dass Sicherheit und Gesundheitsschutz (gleichbedeutend werden auch die Begriffe "Arbeits- und Gesundheitsschutz" oder nur "Arbeitsschutz" verwendet) nicht den Stellenwert besitzen, den ihnen die Gesellschaft – über den Gesetzgeber – beimisst. Dies mag seitens des Arbeitsschutzes beklagt werden; jammern, teilweise auch auf hohem Niveau, bringt uns aber nicht weiter. Der Arbeitsschutz muss lernen, sein Produkt, die Gesundheit, professionell zu verkaufen. Gesundheit ist eine Voraussetzung für die Leistungs- und Arbeitsfähigkeit von Menschen, und Arbeit bedeutet für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung die materielle und soziale Existenzsicherung. Welches Produkt ist also für Menschen begehrenswerter als ihre Gesundheit?

Worin liegt das Problem, würde der Marketingexperte fragen. Liegt es am Produkt, seiner Darbietung des Produktes (Verpackung, Aussehen etc.), am Verkaufen des Produktes "Gesundheit" oder an allen drei Dingen? Für den klassischen Arbeitsschutz provokative Fragen – geht man doch hier zuallererst davon aus, dass Arbeitsschutz die Pflicht eines jeden Arbeitgebers und eines jeden Mitarbeiters darstellt. Dies ist auch richtig, aber für die Umsetzung und konsequente Anwendung muss der Arbeitsschutz die betrieblichen Arbeitsschutzakteuregewinnen, und dies sind nicht nur die Fachkräfte für Arbeitssicherheit, die Betriebsärzte und Sicherheitsbeauftragten, sondern vor allem die Unternehmer, die Arbeitnehmervertreter, die Führungskräfte, die Sachbearbeiter sowie jeder einzelne Mitarbeiter.

Die entscheidende Frage lautet also, wie können die potentiellen Arbeitsschutzakteure für ein stärkeres Engagement in Sachen Sicherheit und Gesundheitsschutz gewonnen werden oder wie lässt sich Sicherheit und Gesundheitsschutz an die Arbeitsschutzakteure verkaufen?

 
Praxis-Tipp

So gehen Sie vor

Wer die Frage ernsthaft angeht und etwas Kreativität einsetzt, wird mehrere Möglichkeiten finden. Tragen Sie Möglichkeiten zusammen. Die nachfolgende Auflistung gibt Ihnen hierfür Anregungen. Denken Sie an den Grundsatz: "Man kann jemanden nur dort abho len, wo er steht!" Überlegen Sie, wo die einzelnen Arbeitsschutzakteure "stehen".

Ohne Anspruch, für jedes Unternehmen passend zu sein, seien einige Beispiele nachfolgend genannt:

  • Aufzeigen, dass es beim Arbeitsschutz in erster Linie um die Gesundheit jedes einzelnen Mitarbeiters geht

    Dies mag simpel klingen, aber die Psychologie sagt uns, dass Menschen die Gesundheit so lange als eine Selbstverständlichkeit ansehen, so lange sie gesund sind. Und jemandem etwas zu verkaufen, was er bereits hat und für ihn selbstverständlich ist, stellt selbst für einen Profiverkäufer eine Herausforderung dar. Viele Führungskräfte und Beschäftigte erleben darüber hinaus den Arbeitsschutz als unangenehme Aufgabe, als bloße Anweisungen und teilweise auch als Behinderung. Deshalb müssen sich die Arbeitsschutzakteure der Bedeutung ihrer Gesundheit und der ihrer Mitarbeiter selbst bewusst werden. Die Fachkraft für Arbeitssicherheit, Betriebsärzte oder Berater sollten diesen Prozess anstoßen (z. B. im Rahmen eines Workshops, eines Seminars oder Gesprächs) und unterstützen.[1]

  • Aufzeigen von Wirkungsketten

    Anhand realer Beispiele lässt sich verdeutlichen, welche Folgen beispielsweise eine verspätete Fertigstellung einer Autoreparatur infolge einer Schnittverletzung, die sich der Monteur beim Öffnen des Motoröldeckels zugezogen hat, hervorrufen kann. Die Entwicklung solcher Szenarien (Worst-Case-Szenarios) werden in anderen Managementbereichen bereits seit Jahren erfolgreich angewendet. Im Notfallmanagement sind sie heute ein fester Bestandteil. Es gibt also keinen Grund, warum der Arbeitsschutz dieses Erfolg versprechende Werkzeug nicht auch nutzen sollte.

  • Aufzeigen der Aufgaben im Arbeits- und Gesundheitsschutz

    In vielen Unternehmen kennen weder die Unternehmer, die Führungskräfte, die Sachbearbeiter noch die Mitarbeiter ihre Aufgaben im Arbeits- und Gesundheitsschutz. Dass sie dann nicht wahrgenommen werden, darf somit nicht verwundern. Deshalb zählt das Festlegen der Aufgaben/Zuständigkeiten, der Verantwortlichkeiten und der Befugnisse zu den grundlegenden Aufgaben des Arbeitsschutzes. Anhand der Forderungen des Arbeitsschutzgesetzes sowie weiteren Verordnungen und Vorschriften sollten die Festlegungen gemeinsam erarbeitet und vereinbart werden.[2] Eine Aufnahme von Arbeitsschutzkriterien in die Führungskräfte- und Mitar...

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