Der Unternehmer muss als Auftraggeber bei der Vergabe von Arbeiten an andere Unternehmen (Fremdfirmen) dafür sorgen, dass eine Person als Koordinator und erforderlichenfalls ein Vertreter bestellt wird, soweit dies zur Vermeidung einer möglichen gegenseitigen Gefährdung erforderlich ist. Dieser früher in § 6 Abs. 1 VGB 1 geregelte Grundsatz wird heute durch § 6 Abs. 1 DGUV-V 1 "Grundsätze der Prävention" normiert. Der Vertreter hat bei Abwesenheit des Koordinators die gleichen Rechte und Pflichten wie dieser. Diese Pflicht gilt auch für (General-)Unternehmer, die Aufgaben bzw. Arbeiten an einen Subunternehmer vergeben.

In dem Urteil des OLG Brandenburg vom 19.2.2003 haben die Richter u. a. festgestellt, dass ein Bauunternehmer seine Sicherungspflichten gegenüber einem Subunternehmer verletzt, wenn eine Öffnung im Fußboden des Bauwerks nicht nach den Vorgaben der Unfallverhütungsvorschriften der Bauberufsgenossenschaften gesichert und nicht in den Ausführungsplänen eingezeichnet ist, die dem Subunternehmer vor Beginn der Arbeiten überlassen wurden.

Das OLG Brandenburg verneint auch eine Haftungsprivilegierung des Haupt- oder Generalunternehmers nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung:

  • Allein der Umstand, dass die jeweiligen Vorgewerke Grundlage der nachfolgenden Teilgewerke gewesen sind, führe nicht zur Annahme einer gemeinsamen Betriebsstätte von Haupt- und Subunternehmer.
  • Dies entspricht den vom Bundesgerichtshof in der Grundsatzentscheidung vom 17.10.2000[1] aufgestellten Grundsätzen. Der BGH hat zwar eine zu enge Auslegung des neu geschaffenen § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII ausdrücklich abgelehnt. Der Gesetzgeber habe die Haftungsfreistellung des Schädigers in Fällen der Beteiligung mehrerer Unternehmen im Vergleich zum bisherigen Recht deutlich erweitern wollen. Voraussetzung der Haftungsprivilegierung ist aber ein bewusstes Miteinander im Arbeitsablauf, das zwar nicht nach einer rechtlichen Verfestigung oder auch nur ausdrücklichen Vereinbarung verlange, sich aber zumindest tatsächlich als ein aufeinander bezogenes betriebliches Zusammenwirken mehrerer Unternehmen darstelle. Die Haftungsfreistellung des § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII regele damit über die Fälle der Arbeitsgemeinschaft hinaus betriebliche Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen, die bewusst und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinander greifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen. Es reiche aus, dass die gegenseitige Verständigung stillschweigend durch bloßes Tun erfolge. Im Grundsatzfall vom 17.10.2000 hat der Bundesgerichtshof allerdings keinen Haftungsausschluss nach § 106 Abs. 3 SGB VII zugunsten eines Lokführers der Deutschen Bahn AG angenommen. In diesem Fall wurde ein bei einer GmbH, die im Auftrag der Deutschen Bahn AG deren Reisezugwagen reinigte, beschäftigter Arbeitnehmer von einer rangierenden Lok erfasst, während er auf dem Weg zu einer Müllsammelstelle einen zuvor an einem Gleis abgelegten Müllsack aufheben wollte.
  • In einer weiteren Entscheidung vom 23.1.2001[2] hat der Bundesgerichtshof die Grundsatzentscheidung bestätigt und wiederum das Vorliegen einer gemeinsamen Betriebsstätte verneint. Der Kläger verlangte Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzverpflichtung der Beklagten für immaterielle Schäden aufgrund eines von der zuständigen Berufsgenossenschaft anerkannten Arbeitsunfalls. Er hatte im Auftrag seines Arbeitgebers mit dessen LKW auf dem Betriebshof einer dritten Firma Gasflaschen angeliefert. Während er hinter dem LKW stand und diesen entlud, kam der Beklagte mit einem LKW seines Arbeitgebers ebenfalls auf das Firmengelände. Er wollte dort im Auftrag des Arbeitgebers Waren anliefern oder abholen. Der LKW fuhr auf das stehende Fahrzeug des Klägers auf. Der Kläger wurde zwischen beiden Fahrzeugen eingeklemmt und schwer verletzt. Auch hier führte der Bundesgerichtshof aus, dass eine "gemeinsame Betriebsstätte" nicht ohne ein Zusammenwirken der Beteiligten vorliegen könne. Diese setze mehr voraus, als "dieselbe" Betriebsstätte. Ein rein zufälliges Aufeinandertreffen genüge nicht, weil hier ein bewusstes und gewolltes Ineinandergreifen der Tätigkeiten der Beteiligten fehle. Allein der Umstand, dass die Tätigkeiten der Beteiligten der Abwicklung des geschäftlichen Warenaustausches der dritten Firma dienen sollten, sei nicht geeignet, die beiderseitigen Aktivitäten in der erforderlichen Weise miteinander zu verknüpfen.
  • In der Entscheidung vom 3.7.2001[3] wurde ein Zimmerer, der Arbeiten an einer Gebäudeverschalung zu erledigen hatte, verletzt, als er den vom Schädiger geführten Kran zum Materialtransport nutzen wollte. Die beteiligten Arbeitnehmer gehörten unterschiedlichen Unternehmen an, wobei das des Zimmerers aufgrund eines Nachunternehmervertrages mit dem mit dem Bau beauftragten Schädigerbetrieb tätig war. Das gemeinsame Endziel der Tätigkeit beider Unternehmen, nämlich die Ausführung des Bauvorhabens, begründet nach Auffassung des BGH noch keine gemeinsame Betriebsstätte...

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