Zusammenfassung

 
Überblick

Nach einem Urteil des OLG Rostock v. 8.7.2011 (5 U 174/10) ist schon nach der Lebenserfahrung von einem fahrlässigen Mangel im Organisationsbereich des Unternehmers auszugehen, wenn infolge unkoordinierter Wartungs- und Reinigungsarbeiten ein Arbeitnehmer einer Reinigungsfirma zu Schaden kommt. In diesem Fall ist es Sache des Unternehmers, sich zu entlasten.

1 Sachverhalt

Bei Reinigungsarbeiten befand sich ein Mitarbeiter der Reinigungsfirma unter einer ausgeschalteten Maschine, die durch ein auf dem Bedienpult liegendes Schild mit dem Text "Anlage nicht einschalten" gesichert war. Trotzdem wurde die Maschine eingeschaltet, ohne dass sich ein Mitarbeiter des Unternehmens darüber versichert hatte, dass sich niemand mehr im Gefahrenbereich der Maschine befand. Der Mitarbeiter der Reinigungsfirma hat den 5-minütigen Warnton vor Anlaufen der Maschine sowie laute Gespräche im Umfeld der Maschine nicht beachtet und wurde verletzt.

Der nach §§ 823 Abs. 1, 831 BGB auf Schadensersatz in Anspruch genommene Unternehmer wendet ein, er habe vor dem Unfall mehrere entscheidende Sicherungsmaßnahmen angeordnet und durchgeführt:

  • vor dem Ingangsetzen des Förderbandes müssen die Sicherheitstüren durchschritten werden;
  • um die Aggregate in Betrieb zu nehmen, sind mehrere Schaltvorgänge erforderlich;
  • vorab ertönt ein sehr lauter Hupton;
  • zusammen mit dem Hupton springen 3 gelbe Warnleuchten an;
  • ein sog. "roter Ordner" enthält sämtliche in Betracht kommenden Sicherheitsvorschriften;
  • der Sicherheitsbeauftragte hat jährliche Sicherheitsbelehrungen durchgeführt und dabei die Vorarbeiter der Reinigungsfirma einbezogen;
  • es ist angeordnet worden, dass an den Maschinen und Anlagen jeweils nur zu zweit gearbeitet werden darf.

Noch mehr habe der Unternehmer nicht durchzuführen gehabt, um seiner Verkehrssicherungspflicht nachzukommen. Allgemeine Anweisungen, wie die Reinigungsarbeiten und die Wartungsarbeiten in zeitlicher und örtlicher Hinsicht zu koordinieren seien, seien unmöglich und sinnlos. Das Mitverschulden des Geschädigten sei so hoch, dass ein eventuelles Mitverschulden des Unternehmers vollständig zurücktrete. Dieser habe unbegreiflicherweise und nicht nachvollziehbar alle Sicherungsvorkehrungen in den Wind geschlagen. Insbesondere das Tröten der Warnhupe hätte er wahrnehmen und sich dann sofort von dem Rollengang entfernen müssen. Es sei schon unverständlich, dass er überhaupt unter den Rollengang gekrochen sei.

2 Entscheidung

Die Klage ist nach Ansicht des OLG Rostock teilweise begründet. Der Unternehmer haftet wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht gemäß §§ 31, 823 Abs. 1 BGB und § 831 BGB i. V. m. § 116 SGB X. Die Haftung des Unternehmers ist jedoch wegen Mitverschuldens des Geschädigten gemäß § 254 Abs. 1 BGB gemindert.

3 Rechtlicher Hintergrund

Der beklagte Unternehmer hat seine Organisationspflichten aus § 823 BGB verletzt und haftet dafür grundsätzlich – das steht für das Gericht außer Frage. Diese Organisationspflichten müssen gemeinsam mit den teilweise identischen Pflichten aus § 831 BGB im Rahmen des Entlastungsbeweises für einzelne Tätigkeiten des Betriebsangehörigen erfüllt werden.

Verstößt der Unternehmer gegen seine Organisationspflichten, haftet er unabhängig von § 831 nach § 823 BGB unter Zurechnung des Handelns verfassungsmäßiger Vertreter gemäß § 31 BGB. Der Unternehmer muss die allgemeinen Aufsichtsanweisungen selbst treffen. Diese Pflicht zur allgemeinen Oberaufsicht obliegt in jedem Fall ihm, auch einem sorgfältig ausgewählten leitenden Angestellten kann er sie nicht mit der Folge überlassen, dass er sich selbst einer Haftung entzieht. Bei juristischen Personen greift die Zurechnungsregel des § 31 BGB ein, wenn die schuldhafte Verletzung allgemeiner Überwachungs- und Organisationspflichten zu einer Rechtsgutverletzung i. S. d. § 823 BGB geführt hat.

Schon nach der Lebenserfahrung deutet es für das Gericht hier zunächst auf einen fahrlässigen Mangel im Organisationsbereich des Unternehmens hin, wenn infolge unkoordinierter Wartungs- und Reinigungsarbeiten ein Arbeitnehmer einer Reinigungsfirma zu Schaden kommt. Es sei bei einem solchen Sachverhalt Sache des Unternehmers, sich zu entlasten. Der Unternehmer könne die gegen ihn sprechende Vermutung eines Organisationsverschuldens nicht entkräften und insbesondere nicht nachweisen, dass er ausreichende konkrete Aufsichtsanweisungen für den Fall getroffen habe, dass Reinigungs- und Wartungsarbeiten zeitlich und örtlich parallel zuein­ander durchgeführt werden.

Es bestanden zwar allgemeine Anweisungen, die bei einer Instandhaltung durch Schlosser, Elektriker u. a. zu beachten waren. Man habe aber nicht festgelegt, wer die Anlage wieder anstellen durfte, nachdem sie nach Ende einer Schicht ausgeschaltet worden war, und Reinigungs- und Instandsetzungsarbeiten erfolgten. Das auf dem Bedienpult liegende Schild: "Anlage nicht einschalten" sage darüber nichts aus. Der ursprünglich mitverklagte Schlossermeister S. erklärte vor dem Landgericht, dass er sich dazu als Schlossertruppführer berechtigt ansah, die Anlage...

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