Gleichzeitige Wartungs- und Reinigungsarbeiten an einer Maschine können – wie der Fall überdeutlich zeigt – massive Sicherheitsrisiken mit sich bringen. Kommt dann noch hinzu, dass sich alle Beteiligten mehr oder weniger gegenseitig auf sich verlassen und vor allem darauf, dass "schon alles gut gehen werde", so ist solchen Folgen Tür und Tor geöffnet.

4.1 Haftung aus Organisationsverschulden

Die Urteilsbegründung des OLG Rostock macht deutlich, wie weit die Haftung aus Organisationsverschulden für den Unternehmer gehen kann. Dieser Haftung aus dem Weg zu gehen, ist Ansporn für die intensive Durchführung von Arbeitsschutzmaßnahmen.

Vergleicht man die vom Unternehmen vor dem Unfall durchgeführten Maßnahmen mit denjenigen, die das Gericht für ausreichend gehalten hätte, wird deutlich, wie hoch die Anforderungen seitens der Rechtsprechung sind:

Vor dem Unfall: Vor dem Ingangsetzen des Förderbandes müssen die Sicherheitstüren durchschritten werden, mehrere Schaltvorgänge sind erforderlich, um die Aggregate in Betrieb zu nehmen, es ertönt vorab ein sehr lauter Hupton, 3 gelbe Warnleuchten sind installiert, die gleichzeitig mit dem Hupton anspringen und es gibt den sog. "roten Ordner", in dem sämtliche in Betracht kommenden Sicherheitsvorschriften enthalten sind. Jährliche Sicherheitsbelehrungen sind von dem Sicherheitsbeauftragten durchgeführt worden unter Einbeziehung der Vorarbeiter der Reinigungsfirma. Außerdem ist angeordnet worden, dass an den Maschinen und Anlagen jeweils nur zu zweit gearbeitet werden darf.

Nach dem Unfall: Es wurde ein spezielles Abstimmungsprotokoll für Wartungszeiten entwickelt und in Kraft gesetzt. In diesem Protokoll ist geregelt, wer für das Anschalten einer Anlage während oder nach einer Wartung zuständig ist, und was dabei beachtet werden muss. Alle an der Wartung beteiligten Firmen und Fremdfirmen, die während der Zeit in der Anlage arbeiten, sind im Protokoll zu erfassen. Vor dem Anschalten einer Anlage ist damit dokumentiert, dass sich keine Personen mehr in der Anlage befinden. Die Mitarbeiter werden darauf hingewiesen, dass sie mit dem Einhängen eines Sicherheitsschlosses an den Sicherheitstüren gegen unerwartetes Wiedereinschalten einer automatischen Anlage sichern können. Dieses war vor dem Unfall nicht möglich.

Wohlgemerkt – das Gericht erwartet, dass die Sicherungsmaßnahmen, die vor dem Unfall schon vorgesehen waren, zusätzlich zu den nun nachträglich umgesetzten Maßnahmen durchgeführt werden und legt damit "die Latte sehr hoch". Die "Haftung aus Organisationsverschulden", die den Unternehmer treffen kann, kann bereits eintreten, wenn – vordergründig – umfangreiche Sicherungsmaßnahmen bereits durchgeführt werden.

4.2 Mitverschulden des geschädigten Arbeitnehmers

Auch unter dem Mitverschuldensaspekt ist diese Entscheidung sehr interessant:

Obwohl der Geschädigte aus nicht nachvollziehbaren Gründen länger unter der Maschine verblieb, als er durfte, obwohl er wahrscheinlich die Sicherheitstüren umgangen hat und obwohl dessen Vorarbeiter seiner Aufsichtspflicht nicht gerecht wurde, wurde das Mitverschulden vom OLG Rostock nur mit 40 % angesehen. Das macht deutlich, dass der Arbeitnehmer, der gegen Sicherheitsauflagen verstößt, trotzdem einen umfangreichen Schutz durch die Rechtsprechung genießt. Als "schwächstes Glied der Kette" wird ihm so einiges nachgesehen.

4.3 Externe Dritte im Unternehmen

Man beachte auch, dass die Unzulänglichkeiten in der innerbetrieblichen Organisation und im Sicherheitsbewusstsein Externer den Unternehmer so binden, als seien es eigene Mitarbeiter. Dieser Risikofaktor sollte durch geeignete Vereinbarungen mit dem Dienstleister abgesichert sein und es ist stets daran zu denken, Externe in alle Unterweisungen einzubeziehen.

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