Zusammenfassung
Die Verordnung über Arbeitsstätten (Arbeitsstättenverordnung – ArbStättV) stammt in ihrer Urfassung aus dem Jahre 1975 und ist damit die älteste der aktuell bestehenden Arbeitsschutzverordnungen. Am 25.8.2004 trat eine grundlegende Neufassung in Kraft, mit der die ArbStättV an das europäisch geprägte Regelungskonzept der übrigen Arbeitsschutzverordnungen angeglichen wurde. In nur 8 Paragrafen wurden Rahmenvorschriften zusammengefasst, die durch einen umfangreichen, in gleicher Weise verbindlichen Anhang mit technischen Detailregelungen ergänzt wurden. Nach mehreren Detailänderungen kam es 2010 und 2016 zu größeren Eingriffen in den Regelungsbestand, der u. a. um 2 Paragrafen erweitert wurde. Dabei ging es überwiegend um Klarstellungen und Anpassungen an andere Regelwerke. So wurden analog zu anderen Arbeitsschutzverordnungen Regelungen zur Gefährdungsbeurteilung und zur Unterweisung der Beschäftigten eingefügt, die spezifische Ergänzungen zu den Grundregeln in den §§ 5 und 12 ArbSchG enthalten. 2016 wurde zudem der Regelungsbestand der Bildschirmarbeitsverordnung mit erheblichen Änderungen in den Anhang der ArbStättV überführt und der Anwendungsbereich auf bestimmte Telearbeitsplätze ausgedehnt. Am 1.1.2021 sind verschärfte Anforderungen an die Bereitstellung von Gemeinschaftsunterkünften in Kraft getreten, die seither auch für Einrichtungen außerhalb des Geländes eines Betriebs oder einer Baustelle gelten können.
Wesentlicher Bestandteil des Konzeptes der ArbStättV 2004 war die Bildung eines Ausschusses für Arbeitsstätten (ASTA) beim zuständigen Bundesministerium, der v. a. Technische Regeln für Arbeitsstätten (ASR) entwickeln soll. Diese sollen den jeweiligen Stand der Technik für die Praxis verbindlich aufzeigen. Durch ihre detaillierte und praxisnahe Formulierung prägen sie das deutsche Arbeitsstättenrecht auf anschauliche und hilfreiche Weise. Der ASTA sorgt für kontinuierliche Aktualisierungen, in deren Verlauf am 18.3.2022 drei ASR völlig neu gefasst worden sind. Eine ASR ist aufgehoben und insgesamt 17 der 20 fortgeltenden ASR sind geändert worden.
Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie 2020-2022 ist die Verordnung über Arbeitsstätten nicht wesentlich geändert worden. Stattdessen ist eine Fülle von Sonderregelungen auf Bundes- und Landesebene erlassen worden, die die Arbeitsstättengestaltung in der Pandemie betreffen und häufig angesichts des wechselvollen Infektionsgeschehens geändert worden sind. In der Praxis hat die detaillierte SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel die größte Bedeutung erlangt, die vom ASTA gemeinsam mit den 4 anderen Arbeitsschutzausschüssen beim BMAS erarbeitet und mehrfach überarbeitet worden ist. Seit dem 27.1.2021 gilt zudem die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung des BMAS, die einen Schwerpunkt auf die Maßnahmen der Kontaktreduktion im Betrieb legt bis hin zur zeitweisen Pflicht, nach Möglichkeiten im Homeoffice zu arbeiten. Seit dem 20.3.2022 ist die Ausgestaltung des betrieblichen Infektionsschutzes weitgehend in die Verantwortlichkeit des Arbeitgebers verlagert worden. Eine Homeoffice-Pflicht besteht bis auf Weiteres nicht mehr.
1 Einführung
1.1 Das Arbeitsstättenrecht
Das Ziel des Arbeitsstättenrechts ist die Sicherheit und der Schutz der Gesundheit der Beschäftigten vor Gefährdungen, die durch das Einrichten und das Betreiben von Arbeitsstätten hervorgerufen werden (vgl. § 1 Abs. 1 ArbStättV). Besonderes Augenmerk liegt auf der Verhütung von Arbeitsunfällen und arbeitsbedingten Erkrankungen, die zurückzuführen sind auf:
- nicht ordnungsgemäße bauliche Beschaffenheit,
- mangelhafte Ausstattung oder Unterhaltung von Arbeitsstätten (z. B. schadhafte oder verschmutzte Fußböden, schlecht gesicherte Treppen, ungeeignete oder zu eng bemessene Verkehrswege, zersplitternde Glaswände),
- gesundheitlich unzuträgliche Einflüsse (z. B. Betriebslärm, unzureichende Luft-, Klima- oder Beleuchtungsverhältnisse).
Das Arbeitsstättenrecht ist mit seinen in erster Linie sicherheitstechnischen, hygienischen und medizinischen Anforderungen an Arbeitsstätten dem technischen Arbeitsschutz zuzuordnen. Innerhalb der Kategorie des technischen Arbeitsschutzes steht es neben den anderen beiden zentralen Themenfeldern: dem Recht der Arbeitsmittel und Anlagen und dem Recht der Arbeits- bzw. Gefahrstoffe. Das Arbeitsstättenrecht ragt aus diesen 3 Gebieten insoweit heraus, als dass die bauliche Gestaltung der Arbeitsstätte regelmäßig die grundlegenden Bedingungen für die Praxis des Arbeitsschutzes setzt.
Zentraler Adressat des Arbeitsstättenrechts ist der Arbeitgeber
Er muss dafür sorgen, dass die Arbeitsstätten mit ihren zugehörigen Räumen, Verkehrswegen und Einrichtungen den rechtlichen Anforderungen entsprechend errichtet und betrieben werden. Dabei setzt die rechtliche Verantwortung des Arbeitgebers grundsätzlich erst mit dem Zeitpunkt der Beschäftigung von Personal ein. Um nachträgliche, kostspielige Änderungsmaßnahmen zu vermeiden, sind die Vorgaben aber bereits im Planungsstadium einer Arbeitsstätte sowie bei der anschließenden Bauaus...
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