Ziel der Reform 2004 war die Modernisierung des Arbeitsstättenrechts. Anstelle starrer Vorgaben sollten Anforderungen allgemeiner formuliert werden, um unterschiedlichen betrieblichen Anforderungen flexibler gerecht zu werden, ohne damit Abstriche von den Zielen des Gesundheitsschutzes und der Begegnung von Unfallgefahren in Kauf zu nehmen. Der Verordnungsgeber wollte nach dem Wortlaut der Begründung den Betrieben durch flexiblere Grundvorschriften Handlungsspielräume für an die jeweiligen betrieblichen Gegebenheiten angepasste Arbeitsschutzmaßnahmen eröffnen. Im Ergebnis verdrängten allgemein gehaltene Schutzziele und Anforderungen detaillierte Verhaltensvorgaben. Die neu strukturierte Verordnung folgte dabei der Regelungssystematik, wie sie auf europäischer Ebene und nachfolgend auch in anderen nationalen Arbeitsschutzverordnungen üblich geworden war: Ein Vorschriftentext enthält Rahmenbestimmungen, die durch spezielle Vorgaben in einem Anhang konkretisiert werden, und Verfahrensvorschriften.

Daneben wurde mit der Neuregelung eine Reihe weiterer Ziele verfolgt:

  • Beabsichtigt wurde eine Rechtsbereinigung, die das unüberschaubare Vorschriftenwerk des Arbeitsschutzes vereinfachen sollte. So wird die Verordnung nunmehr ausdrücklich auf § 18 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) gestützt, sodass im Arbeitsschutzgesetz getroffene Regelungen problemlos auch im Arbeitsstättenrecht Anwendung finden können. Insbesondere gelten daher die im Fünften Abschnitt des Arbeitsschutzgesetzes enthaltenen Durchführungsbestimmungen unmittelbar auch für die Durchsetzung der Vorschriften in der Arbeitsstättenverordnung.
  • Ein neuer, aus Interessengruppen und Fachleuten zusammengesetzter Ausschuss für Arbeitsstätten (ASTA) sollte fortan auf einer soliden Verfahrensgrundlage die Technischen Regeln für Arbeitsstätten formulieren, die das BMAS danach durch Bekanntmachung in Kraft setzt.
  • Die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen sollten auch nach dem Arbeitsstättenrecht aufgrund einer systematischen Verankerung im Pflichtenkatalog des Arbeitgebers stärkere Beachtung finden.

Große Bedeutung hatten auch Umsetzungserfordernisse europäischer Rechtsvorschriften für die Reform des Arbeitsstättenrechts 2004 sowie für anschließende Änderungen der ArbStättV. Die europäischen Grundanforderungen an Arbeitsräume, Einrichtungen und Verkehrswege von Arbeitsstätten sind in der ersten EG-Arbeitsstättenrichtlinie 89/654/EWG vom 30.11.1989 formuliert worden. Zudem wird Anhang IV Teil A (Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz auf Baustellen – Allgemeine Mindestvorschriften für Arbeitsstätten auf Baustellen) und Teil B (Besondere Mindestvorschriften für Arbeitsplätze auf Baustellen) der EG-Baustellenrichtlinie 92/57/EWG vom 24.6.1992 größtenteils in der ArbStättV umgesetzt. Weiter ist über einen gleitenden Verweis in Anhang 1.3 ArbStättV die EG-Sicherheitskennzeichnungsrichtlinie 92/58/EWG vom 24.6.1992 in nationales Recht umgesetzt worden. Schließlich stellt seit der ArbStättV-Reform 2016 die EG-Bildschirmarbeitsrichtlinie 90/270/EWG vom 29.5.1990 eine wichtige Grundlage für das Arbeitsstättenrecht dar, die in Anhang 6 ArbStättV umgesetzt wird.

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