§ 3 a Abs. 2 ArbStättV verlangt von Arbeitgebern, die Menschen mit Behinderungen beschäftigen, die besonderen Belange dieser Beschäftigten im Hinblick auf Sicherheit und Gesundheitsschutz zu berücksichtigen, und zwar bei der barrierefreien Gestaltung von Arbeitsplätzen, Sanitär-, Pausen- und Bereitschaftsräumen, Kantinen, Erste-Hilfe-Räumen und Unterkünften sowie den zugehörigen Türen, Verkehrswegen, Fluchtwegen, Notausgängen, Treppen und Orientierungssystemen, die von den Beschäftigten mit Behinderungen benutzt werden.

Im Verordnungstext stecken bereits wichtige Aussagen:

  • Barrierefreie Gestaltung wird nur für Menschen mit Behinderungen gefordert. Andere Beschäftigte, die zwar keine Behinderungen haben, denen aber das barrierefrei gestaltete Detail Erleichterung verschaffen würde, haben keinen Anspruch darauf.
  • Des Weiteren ist klargestellt, dass nicht nur schwerbehinderte, sondern alle Menschen mit Behinderungen zu berücksichtigen sind.
  • Die zu berücksichtigenden Menschen mit Behinderungen müssen im Betrieb beschäftigt sein. Wird ein Mensch mit Behinderung neu im Betrieb eingestellt, muss auch für diese Person eine barrierefreie Gestaltung erfolgen.
  • Im Umkehrschluss muss die Arbeitsstätte nicht vorsorglich für mögliche zukünftige Neueinstellungen barrierefrei gestaltet sein.
  • Barrierefreie Gestaltung soll nicht nur Sicherheit und Gesundheitsschutz gewährleisten, sondern auch Nutzbarkeit ermöglichen.
 
Praxis-Beispiel

Barrierefreier Zugang

Ist die Eingangstür zum Betriebsgebäude so schwergängig, dass sie von einem motorisch eingeschränkten Beschäftigten nicht geöffnet werden kann, dann sind seine Sicherheit und Gesundheit noch nicht gefährdet, er bleibt dennoch außen vor. Das Problem kann erst mit einer barrierefreien Gestaltung hinsichtlich der Zugänglichkeit und Nutzbarkeit gelöst werden. Infrage kommt z. B. die Reduzierung der Maximalwerte für Kraft und Drehmoment am Türgriff oder eine Automatisierung der Tür.

Kenntnis über vorliegende Behinderungen erhält der Arbeitgeber,

  • direkt von den behinderten Beschäftigten,
  • durch die Schwerbehindertenvertretung oder
  • im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements.

Es kann aber auch der Fall sein, dass erst bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung oder bei Begehungen durch die Fachkraft für Arbeitssicherheit oder den Betriebsarzt Handlungsbedarf erkennbar wird.

 
Wichtig

Verzeichnis der beschäftigten schwerbehinderten Menschen

§ 163 Abs. 1 SGB IX verpflichtet den Arbeitgeber, ein Verzeichnis der bei ihm beschäftigten schwerbehinderten und gleichgestellten behinderten Menschen sowie weiteren anrechnungsfähigen Personen zu führen.

Die Anforderungen der ArbStättV an die barrierefreie Gestaltung sind in der ASR V3a.2 "Barrierefreie Gestaltung von Arbeitsstätten" konkretisiert.

Technische Regeln für Arbeitsstätten sind nicht verpflichtend anzuwenden, aber zu berücksichtigen. Allerdings stellen sie den Stand der Technik dar, der gemäß § 3 a Abs. 3 der ArbStättV beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten einzuhalten ist. Wendet er die ASR an, ist der Arbeitgeber auf der sicheren Seite, denn dadurch werden die Anforderungen der ArbStättV bezogen auf den konkretisierten Sachverhalt erfüllt. Dabei spricht man von der sog. Vermutungswirkung. Andere Gestaltungsoptionen, z. B. eigene, vielleicht ganz innovative Lösungen sind denkbar und anwendbar, soweit diese eine mindestens gleichwertige Sicherheit und gleichwertigen Gesundheitsschutz gewährleisten.

Auch wenn das BGG und die MBO keine und das SGB IX partiell Regelungen zum Arbeitsschutz treffen, sind doch mit der Durchführung dieser Gesetze auch Anforderungen der ArbStättV miterfüllt. In dem Moment, wenn ein Bundesministerium gemäß BGG oder eine Hochschule gemäß einer Landesbauordnung bereits barrierefrei gestaltet sind, werden für die dort tätigen Beschäftigten mit Behinderung möglicherweise keine weitergehenden Maßnahmen erforderlich (vgl. Tab. 1). Es sei denn, die ArbStättV stellt in der ASR V3a.2 weitergehende Anforderungen. Und es ist selbstverständlich zu prüfen, ob die barrierefreie Gestaltung den vorliegenden Einzelfall, also die konkrete Auswirkung der Behinderung, berücksichtigt.

 
Rechtsgrundlage Geltungsbereich des Gesetzes/der Verordnung Anwendungsgebiete der barrierefreien Gestaltung
BGG
  1. Zivile Neubauten und große zivile Um- oder Erweiterungsbauten

    • des Bundes,
    • bundesunmittelbarer Körperschaften,
    • Anstalten des öffentlichen Rechts,
    • Stiftungen des öffentlichen Rechts.
  2. Ganzes Gebäude.
  • z. B. Bundesministerien
  • Deutsche Rentenversicherung Bund, Berufsgenossenschaften, Agentur für Arbeit
  • BaFin, Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW)
  • Stiftung Preußischer Kulturbesitz
Landesbauordnungen
  1. Bauliche Anlagen, die öffentlich zugänglich sind.
  2. Errichten und Instandhalten baulicher Anlagen.
  3. Nur für die dem allgemeinen Besucher- und Benutzerverkehr dienenden Teile.
  • Kultureinrichtungen
  • Bildungseinrichtungen
  • Sport- und Freizeitstätten
  • Einrichtungen des Gesundheitswesens
  • Büro-, Verwaltungs- und Gerichtsgebäude
  • Verkaufsstätten
  • Gaststätten
  • Beh...

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