Im Rahmen eines Forschungsprojektes hat die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin untersucht, welche Auswirkungen elektronische Überwachung am Arbeitsplatz auf Beschäftigte hat und wie kontextsensitive Assistenzsysteme bei Arbeitstätigkeiten, die eine Überwachung erforderlich machen, gestaltet werden können.[1]

Das Projekt war als Review empirischer Studien angelegt, d. h., es wurden quasiexperimentelle und Fragebogenstudien, die korrelative Zusammenhänge aufzeigen, gesichtet und ausgewertet. Dabei wurden 2 primäre Fragen verfolgt:

  1. Welchen Einfluss hat die elektronische Überwachung auf entscheidende Outcome-Variablen des Arbeitshandelns, wie Arbeitsleistung, Arbeitsmotivation und -zufriedenheit, Stress- und Kontrollerleben von Beschäftigten am Arbeitsplatz?
  2. Was beeinflusst die Akzeptanz elektronischer Überwachung bzw. wie reagieren Mitarbeiter auf elektronische Überwachung?

Ausgewertet wurden 87 Quellen (= Artikel) mit insgesamt 96 empirischen Studien aus den Jahren 1958–2016. In den ausgewerteten Studien wurden Beschäftigte aus dem Dienstleistungsbereich (Call-Center, Bank, Gesundheitssektor, Vertrieb, Instandhaltung) befragt, die mit Büro- bzw. Bildschirmarbeit befasst waren. Zur genauen Vorgehensweise (Suchstrategie) und Auswahl der Studien sei auf die Seiten 13 und 14 im Online-Dokument verwiesen.

[1] Nils Backhaus (2018): Review zur Wirkung elektronischer Überwachung am Arbeitsplatz und Gestaltung kontextsensitiver Assistenzsysteme. Forschungsbericht, https://www.baua.de/DE/Angebote/Publikationen/Berichte/F2419.html, Abrufdatum: 18.9.2020.

4.1 Die wichtigsten Ergebnisse der Review-Studie

Im Folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse berichtet. Die nachfolgende Zusammenfassung enthält keine Einzelnachweise, da sich der Beitrag sonst unnötig aufblähen würde. Die zugrundeliegenden Studien können im Online-Dokument eingesehen werden.

4.1.1 Zusammenhänge zwischen Überwachung und Leistung

Leistung ist eine zentrale Variable im Zusammenhang mit Überwachung. Im Review zeigte sich eine heterogene Befundlage: bei Überwachung konnten sowohl Leistungssteigerungen als auch Leistungsminderungen der Beschäftigten festgestellt werden. Einige Studien zeigten keine signifikanten Effekte. Dies sei, so Backhaus, sicherlich auch der meta-analytischen Vorgehensweise geschuldet.

2 interessante Aspekte in Bezug auf die Überwachungswirkung sind zu berichten:

  1. Einfluss der Aufgabenkomplexität: die Erledigung einfacher Aufgaben werden durch Überwachung begünstigt, bei der Bearbeitung von schwierigen Aufgaben wirkt sich Überwachung negativ aus.
  2. Einzelüberwachung versus Gruppenüberwachung: Leistungssteigerungen waren bei Einzelüberwachung zu verzeichnen. Dies wird mit dem Aspekt des "sozialen Faulenzens" (social loafing) erklärt, was bedeutet, dass man sich auf Team-Kollegen bei der Bearbeitung von Aufgaben verlässt und selbst weniger Leistung einbringt.
 
Wichtig

Soziales Faulenzen und soziale Erleichterung

Die Theorie des sozialen Faulenzens (social loafing) beschreibt das sozialpsychologisch begründete Phänomen des Leistungsrückgangs von Personen in einer Gruppe, wenn die Einzelleistung nicht unmittelbar überwacht und zur Beurteilung herangezogen wird. Ist der Beitrag der Einzelleistung nicht eindeutig zu identifizieren, reduzieren Personen ihre Anstrengung (Ringelmann-Effekt).

Das gegenteilige Phänomen beschreibt die Theorie der sozialen Erleichterung (Social Facilitation). Diese besagt, dass die bloße Anwesenheit Dritter eine Leistungssteigerung bewirkt. Dies gilt aber überwiegend nur bei einfachen Aufgaben, bei schweren Aufgaben kann der entgegengesetzte Effekt eintreten: die Leistung sinkt durch die Anwesenheit anderer Personen, weil man sich beobachtet glaubt, Angst hat, sich zu blamieren oder Fehler zu machen.

4.1.2 Zusammenhänge zwischen Überwachung und Stresserleben, Belastung und Beanspruchung

Auch in Hinblick auf das Stresserleben sind die Ergebnisse heterogen. Teilweise werden Effekte gefunden, teilweise nicht. Quasiexperimentelle Befunde (Untersuchung natürlicher Gruppen ohne gezielte und systematische Zuordnung von Versuchspersonen) zeigten, dass sich überwachte Personen stärker gestresst und negativ beansprucht fühlten als nicht überwachte Personen. Individuelle Überwachung wird als stressiger erlebt als Gruppenüberwachung.

4.1.3 Zusammenhänge zwischen Überwachung und Kontrollerleben

Die Studien zeigen: je höher das Ausmaß der Überwachung, desto stärker das Erleben von Kontrollverlust. Videoüberwachung zeigt keine signifikanten Zusammenhänge. Das Kontrollerleben wird erhöht, wenn Beschäftigte Einfluss auf die Überwachung haben, sei es durch die Beeinflussung der Resultate, sei es durch die vorübergehende Abschaltung der Überwachung.

4.1.4 Zusammenhänge zwischen Überwachung und Arbeitsmotivation und -zufriedenheit

Auch bei der Auswirkung von Überwachung auf die Arbeitsmotivation zeigen sich heterogene Befunde: festgestellt wurden förderliche, hinderliche oder gar keine Effekte. Weitere Dritteinflüsse auf die Akzeptanz von Überwachungssystemen sind: das Vertrauen in die Organisation, das individuelle Bedürfnis nach Struktur sowie die Wahrnehmung der Überwachung als gerecht (= nachvollziehbar). Ist dies gegeben, wirkt sich Überwachung nicht negativ auf die Arbeitszufriedenheit aus.

4.1.5 Zusammenhänge zwischen Überwachung und Vertrauen

Die wenigen Studien, die diesen Zusammenhang untersuchen, zeige...

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