Rechtskräftig seit: 04.06.83

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

fahrlässige Tötung

 

Tenor

Die Angeklagten sind schuldig tateinheitlich begangener Vergehen der fahrlässigen Tötung und der zweifachen fahrlässigen Körperverletzung.

Daher werden verurteilt:

… in die

Geldstrafe von 75 Tagessätzen zu Je 50.– DM,

… in die

Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 80.– DM,

… in die

Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 40.– DM.

Die Angeklagten tragen die Kosten des Verfahrens.

Angew.Strafvorschr.:

§§ 222, 230, 232, 52 StGB.

 

Gründe

(abgekürzt nach § 267 Abs. 4 StPO)

Die drei Angeklagten sind bei der Baufirma … beschäftigt: Der Angeklagte … als Maurer, der Angeklagte … als Vorarbeiter und der Angeklagte … als Bauleiter. Sie arbeiteten alle an der Baustelle des Altenheims in Ehingen, Spitalstraße, wo sich am Mittwoch, den 10.11.1982 ein tödlicher Unfall dadurch ereignet, daß ein Konsolen-Gerüst von der Wand fiel. Dieser Unfall war wie folgt zustande gekommen:

Der Baufortschritt machte es erforderlich, daß ein Konsolengerüst vom 2. Stockwerk an das 3. Stockwerk versetzt wurde. Zu diesem Zeitpunkt war der Angeklagte … im Urlaub. Der Angeklagte … übergab deshalb dem Angeklagten … einen Hilti-HSA-Segmentanker und forderte diesen auf, diesen Segmentanker genau auf die Ecke eines Beton-Pfostens dadurch zu setzen, daß er mit einem 16 mm Bohrer ein Loch in die Ecke bohre.

Möglicherweise hat der Angeklagte … dabei die Formulierung benutzt, der Angeklagte … solle diesen „Dübel” setzen.

Bei diesem Segmentanker handelt es sich um Präzisionswerkzeug, welches genau nach Vorschrift eingesetzt gehört: Zunächst ist ein Loch von 100 mm Länge mit einem 16-mm-Bohrer zu bohren. Alsdann ist dieser Segmentanker mit leichten Hammerschlägen in das Bohrloch zu setzen. Alsdann kann der Anker wieder aus dem Mauerwerk gezogen werden. Dabei spreizen sich Metallteile, weiche an einem konischen Endstück aufsitzen dergestalt in den umgebenden Beton, daß ein Herausziehen des Ankers nur noch mit größten Kräften möglich ist. Diese technische Konstruktion kann dann zum Verspannen von Halterungs-Stücken an der Wand benutzt werden.

Der Angeklagte … hatte einen solchen Anker noch nie gesetzt. Er kannte daher auch nicht die besondere Funktions-Art und glaubte, einen normalen Dübel vor sich zu haben. Er entfernte daher von dem Betonpfosten, welcher mit einer 5 cm dicken Wärme-Dämm-Schicht aus Styropor- und Heraklit-Platten überdeckt war, lediglich so viel des Dämmaterials, daß er den Bohrer genau auf der Kante ansetzen konnte. Zwar bohrte er dann ein ausreichend tiefes Bohrloch, trieb jedoch dann den Segmentanker mit wuchtigen Hammerschlägen in das Mauerwerk. Als er den Anker nicht mehr weitertreiben konnte, schob er eine Metallplatte über den Anker, verschraubte eine Doppel-Öse und zog die Schraube mit einer Rohrzange an, obwohl er für diese Arbeiten nach den Zulassungsbestimmungen für diesen Anker einen Drehmoment-Schlüssel hätte benutzen müssen.

Weil der Anker nicht weit genug in den Beton hineingeragt hatte – er hatte sich an einer Armierungs-Stange verkeilt – blieb noch ein Stück des Gewindes außerhalb.

Der Angeklagte … hatte vom Angeklagten … nichts über die besondere Funktion des Segmentankers erfahren, war insbesondere nicht darauf hingewiesen worden, daß er für die Befestigung nur einen Drehmoment-Schlüssel verwenden dürfe. Auch war ihm die Funktion des Werkzeuges nicht weiter erläutert worden.

Als am Montag vor dem Unglückstag der Angeklagte … wiederum seine Arbeit antrat – er hatte sich während der zuvor genannten Ereignisse im Urlaub befunden – überprüfte er die Baufortschritte, insbesondere auch diesen Segmentanker. Dabei stellte er fest, daß ein Gewindestück aus der Mutter herausragte. Er hätte bei der Anspannung der ihm möglichen und der von ihm zu verlangenden Sorgfalt auch erkennen können, daß der Segmentanker nicht ordnungsgemäß verspannt war, daß vielmehr die Stahlplatte, welche der Angeklagte … untergelegt hatte, auf dem weichen Dämm-Material auflag.

Dies brachte den Angeklagten … jedoch nicht zu einer genaueren Überprüfung. Er schnitt lediglich mit einer Trennscheibe das überstehende Gewinde ab und hängte dann unter Zuhilfenahme eines Krans eine Eck-Konsole in die Doppelöse. Auf diese Konsole wurden Bretter dergestalt gelegt, daß ein zusammenhängendes Gerüst entstand. Dieses Gerüst brach dann, wie bereits geschildert, zusammen.

Der Unfall wäre vermieden worden, wenn

  1. der Angeklagte … den Segmentanker ordnungsgemäß gesetzt hätte,
  2. der Angeklagte … den Angeklagten … über die Funktion des Werkzeugs ordnungsgemäß aufgeklärt hätte und
  3. der Angeklagte … den erkennbar fehlerhaft gesetzten Anker nicht für die Befestigung des Konsolen-Gerüstes benutzt hätte.

Bei dem Herunterbrechen des Gerüstes wurde der auf dem Gerüst stehende 45 Jahre alte Zimmermannsmeister … tödlich verletzt; der 50 Jahre alte Zimmermann … trug Beckenprellungen und Stauchungen davon, der 16 Jahre alte Arbeiter … erlitt eine Nasenbeinfraktur und Beckenprellungen, war jedoch nicht krankgeschrieben.

Die Angeklagten haben...

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