Energiewende: Ohne China läuft nichts

Die CO2-Emissionen steigen weiter, weshalb rund um den Globus der Turbo für eine Energiewende eingelegt werden muss. Deutschland hat schon mal angefangen. Ob der Ausbau Erneuerbarer Energien schnell, bezahlbar und erfolgreich sein wird, hängt vor allem von einem Faktor ab: China.

IWF-Europadirektor Alfred Kammer erklärte unlängst in einem Interview mit dem „Handelsblatt“, die Energiewende in Deutschland erfordere massive private und öffentliche Investitionen. Wohl wahr. Ob es ums Installieren von Solar- und Windkraftanlagen geht oder um den Bau von Gaskraftwerken, um die Beschleunigung von Planungsverfahren, die Energiegewinnung aus Wasserstoff oder den Ausbau der Strominfrastruktur – es herrscht an vielen Ecken und Kanten enormer Handlungs- und Investitionsbedarf. Anlässlich des endgültigen Ausstiegs aus der Atomkraft zum 15. April warnen etliche Experten, dass die Zeit knapp wird, wenn Deutschland seine Klimaziele erreichen, die Energieversorgung langfristig stabil und bezahlbar halten sowie von Energieimporten unabhängiger werden will. Tempo ist gefragt. Zumal der Strombedarf weiter steigen wird – allein schon wegen der zunehmenden Zahl an E-Autos und Wärmepumpen.

Die gute Nachricht: Es tut sich was

Während Deutschland seine Energiewende kontrovers diskutiert, steigt die Menge der CO2-Emissionen weltweit kontinuierlich an. Die Internationale Energieagentur (IEA) meldet für 2022 einen neuen Höchsttand der weltweiten energiebedingten CO2-Emissionen. Demzufolge sind sie im vergangenen Jahr um 0,9 Prozent oder 321 Millionen Tonnen gestiegen und markieren mit über 36,8 Milliarden Tonnen einen neuen Höchststand. Ursprünglich war wegen der durch den Ukraine-Krieg ausgelösten Energiekrise ein noch weit höherer Ausstoß befürchtet worden. Die gute Nachricht: Dank des herausragenden Wachstums von erneuerbaren Energien, Elektrofahrzeugen, Wärmepumpen und energieeffizienten Technologien seien die globalen Emissionen nicht noch stärker gestiegen, wird IEA-Direktor Fatih Birol zitiert. Es tut sich also etwas, wenn auch noch nicht genug.

Ohne China wird die Welt nicht klimafreundlicher

Fest steht: Wenn die Emissionen sinken sollen, dann geht das nur, wenn die Energieerzeugung sauberer wird. Und das geht nur mit China. Die „Zeit“ bringt das Dilemma in dem lesenswerten Artikel China: Wie die deutsche Energiewende an China hängt wie folgt auf den Punkt: „Für eine gelungene Energiewende in Deutschland braucht es mindestens fünf Zutaten: Solarzellen  und Windräder für fast CO₂-freien Strom, Batterien, Wechselrichter (die den Strom vom Dach umwandeln) und Wärmepumpen. All diese Technologien boomen und sollen in den kommenden Jahren noch um ein Vielfaches mehr genutzt werden, um Kohle, Öl und Gas zu ersetzen. Es gibt nur einen Haken: Deutschland importiert einen großen Anteil von ihnen aus einem einzigen Land: China.“

Offenbarte sich mit dem Überfall auf die Ukraine, wie stark Deutschland in der Energieversorgung von Russland abhing, zeigt sich mit der Energiewende die extrem hohe Abhängigkeit von Produkten und Rohstoffen aus China. Und die gilt nicht nur für Deutschland, wie die aktuelle Publikation  Energy Technology Perspectives 2023 der lEA feststellt.

Der Bericht befasst sich mit dem aktuellen Stand der globalen Lieferketten für saubere Energie und belegt faktenreich, dass China in puncto Erneuerbare Energien bei Komponenten und Produkten sowie bei vielen Rohstoffen unumstrittener Weltmarktführer ist. Die Rede ist von „potenziell riskanten Konzentrationsgraden in den Lieferketten für saubere Energie – sowohl bei der Herstellung von Technologien als auch bei den Materialien, auf denen sie beruhen“.

Eine Herausforderung für Regierungen

China dominiere derzeit die Herstellung und den Handel mit den meisten sauberen Energietechnologien. Der Grad der geografischen Konzentration in den globalen Lieferketten schaffe potenzielle Herausforderungen, denen Regierungen begegnen müssten. Dem Bericht zufolge entfallen in Massentechnologien wie Windkraft, Batterien, Elektrolyseuren, Solarmodulen und Wärmepumpen mindestens 70 Prozent der Produktionskapazitäten auf die drei größten Herstellerländer, wobei China in allen diesen Bereichen dominiert.

Die IEA warnt, die Konzentration an einem beliebigen Punkt der Lieferkette mache die gesamte Lieferkette anfällig für Zwischenfälle, sei es im Zusammenhang mit den politischen Entscheidungen eines einzelnen Landes, Naturkatastrophen, technischem Versagen oder Unternehmensentscheidungen. Zudem verteuern die steigende Nachfrage und enge Versorgungsketten Technologien für die saubere Energiegewinnung.

Die Lieferketten stabil zu halten – und bei der Entwicklung rund um Green Tech mitzumischen – ist nicht nur eine Frage der Unabhängigkeit in der Energieerzeugung, sondern auch ein zukunftsträchtiges Geschäft. Die IAE spricht von „enormen wirtschaftlichen Chancen“ und mahnt größerer Anstrengungen an, um die Lieferketten für saubere Energie zu diversifizieren und zu stärken. Die Chancen sieht offenbar auch Olaf Scholz. Der Bundeskanzler sagte Anfang März in einem Interview mit der „Lausitzer Rundschau“: „Wegen der hohen Investitionen in den Klimaschutz wird Deutschland für einige Zeit Wachstumsraten erzielen können, wie zuletzt in den 1950er- und 1960er-Jahren geschehen.“ Die Bundesregierung treibe „mit höchster Priorität den Ausbau der Erneuerbaren Energien voran“, heißt es auf der offiziellen Website zur Energiewende, sie stellt dafür über den „Klima- und Transformationsfonds“ (KTF) zwischen 2023 und 2026 insgesamt rund 177,5 Milliarden Euro bereit. Das ist auch dringend nötig, denn: Deutschland wird im Jahr 2030 bundesweit geschätzt 750 Terawattstunden an Strom brauchen, 80 Prozent dieser Energie sollen aus Windkraft, Solarenergie und Biomasse stammen. Gegenwärtig liegen wir bei 600 Terawattstunden, von denen 46,2 Prozent aus Erneuerbaren Energiequellen stammen.

Schlagworte zum Thema:  Erneuerbare Energien, Energie, Photovoltaik, Emission