Wie die Circular Economy den Bausektor transformiert
Die offensichtliche Rolle des Baugewerbes beim Klimawandel bestimmt derzeit den architektonischen Diskurs. Historisch gesehen konzentrierte sich die Nachhaltigkeitsdebatte primär auf den Energieverbrauch während der Nutzungsphase von Gebäuden, seit die Politik in den 1970er Jahren Energieeffizienzbeschränkungen eingeführt hat, was zu einer verbesserten Energieeffizienz während dieser Phase führte. Wenig Fortschritt wurde jedoch bei der Herstellung und dem Abriss von Gebäuden erzielt, was zu einem immensen Verbrauch von globalen Ressourcen, einer hohen Produktion von Abfall und einem bedeutenden Anteil an globalen CO2-Emissionen im Bausektor geführt hat. Infolgedessen besteht eine moralische Verpflichtung für die Bauindustrie, Ressourcen zu erhalten und ihre Auswirkungen auf die Umwelt auszugleichen.
Übersicht
Obwohl europaweit Vorschriften zur Einsparung natürlicher Ressourcen und zur Erhöhung der Recyclingquoten erlassen haben, dominiert nach wie vor eine lineare Wirtschaftsweise.
Schlüsselfaktoren zu einer Kreislaufwirtschaft, die diesen Übergang unterstützen, sind die Schaffung eines Angebots und einer Nachfrage nach recycelten und nachwachsenden Bauprodukten.
Insbesondere für die Anschaffung von nachhaltigen Produkten und die Beauftragung von Dienstleistungen kann eine funktionelle Vergabe durchgeführt werden. Dabei wird nicht das Günstigste, sondern das wirtschaftlichste Angebot ausgewählt. Zuschlagskriterien im Sinne des Ressourcenschutzes, wie Nachhaltigkeitszertifikate oder Ökobilanzindikatoren wie CO2-Emissionen oder der Verbrauch von Ressourcen, können bewertet werden.
Um Ressourceneffizienz und Kreislaufgerechtigkeit zu fördern, sollten klarere Regeln und Unterstützung für Planende und Bauherrschaften bereitgestellt werden.
Obwohl europaweit Vorschriften zur Einsparung natürlicher Ressourcen und zur Erhöhung der Recyclingquoten erlassen wurden, dominiert nach wie vor eine lineare Wirtschaftsweise. Die Europäische Kommission führte 2018 die EU-Abfallrichtlinie ein, die vorschreibt, dass ab 2020 alle neuen Bauprojekte eine Recyclingquote von 70 Prozent nach Masse aufweisen müssen. Diese Diskrepanz zwischen politischen Vorgaben und praktischer Umsetzung bedeutet, dass Architekten und Planer nun in der Verantwortung stehen, Ressourceneinsparungsmaßnahmen in die Praxis umzusetzen.
Das Konzept der Circular Economy als Antwort auf begrenzte Ressourcen und politische Ziele erscheint als eine immer wichtigere Alternative. Mithilfe der Circular Economy als restauratives und regeneratives Modell besteht das Potenzial, den Verbrauch von Ressourcen, die Produktion von Abfällen und die erzeugten Emissionen zu minimieren. Erwartete Nachfrage- und Investitionssteigerungen im Baugewerbe werden prognostiziert, was mit einem globalen Anstieg bei der Förderung nicht erneuerbarer Ressourcen einhergeht. Daher besteht ein dringender Bedarf, diesen Übergang zu einer zirkulären- und ressourceneffizienteren Bauwirtschaft zu gestalten.
Schlüsselfaktoren, die diesen Übergang unterstützen, sind die Schaffung eines Angebots und einer Nachfrage nach recycelten und nachwachsenden Bauprodukten. Um eine Circular Economy zu erreichen, müssen Strategien für die Wiederverwendbarkeit, hochwertiges Recycling von Bauprodukten und Einsatz von biogenen Baustoffen bereits bei der Beschaffung von Materialien umgesetzt werden. Dabei ist es wichtig, nicht nur nach dem wirtschaftlichsten Angebot zu entscheiden, sondern auch nach dem ressourceneffizientesten und zirkulärsten. Dafür müssen bestimmte Kriterien wie die graue Energie oder die Nutzung von Ressourcen in die Entscheidungsprozesse integriert werden. Oft fehlt jedoch das Wissen über die Umsetzung, und Bauherrschaften planen und bauen weiterhin nach althergebrachten Kriterien. Dabei haben Kommunen als Bauherrschaft eine enorme Hebelwirkung, um Nachhaltigkeit umzusetzen. Dies jedoch erfordert ein ganzheitliches Denken entlang der gesamten Wertschöpfungskette, angefangen bei der Beschaffung von Materialien über die Beauftragung von Ressourcenfachplanenden bis hin zum selektiven Rückbau von Gebäuden. Gleichzeitig muss eine ökologische Beschaffung auf allen Ebenen erfolgen, von Infrastruktur und Außenanlagen bis hin zum Einfamilienhaus.
Produktneutrale Ausschreibung
Eine konkrete Umsetzung kann in verschiedenen Projektbereichen erfolgen, darunter Architekturwettbewerbe, Leistungsverzeichnisse für Fachplanerleistungen, Ausschreibungen von Generalunternehmern, Konzeption von Neubaugebieten oder Nachverdichtungen sowie die Anschaffung von nachhaltigen Produkten und die Umsetzung eines selektiven Rückbaus.
Insbesondere für die Anschaffung von nachhaltigen Produkten und die Beauftragung von Dienstleistungen kann eine funktionelle Vergabe durchgeführt werden. Dabei wird nicht das Günstigste, sondern das wirtschaftlichste Angebot ausgewählt. Zuschlagskriterien im Sinne des Ressourcenschutzes, wie Nachhaltigkeitszertifikate oder Ökobilanzindikatoren wie CO2-Emissionen oder der Verbrauch von Ressourcen, können bewertet werden.
Ein weiteres wichtiges Zuschlagskriterium kann die Transportdistanz sein. Allerdings gilt dies nicht bei europaweiten Wettbewerben, da so Produkte aus dem Ausland ohne quantitative Bewertung benachteiligt würden. Als Lösung kann hier der CO2-Ausstoß von Produktion und Transport als Zuschlagskriterium herangezogen werden.
Neukonzeption von Architekturwettbewerben
Architekturwettbewerbe und Konzeptvergaben von Gebäuden sind ein weiterer wichtiger Aspekt. Zukunftsfähiges Bauen beginnt bereits bei der Ausformulierung der Aufgabenstellung und der Definition des Bedarfs. Daher sollten Kriterien für unterschiedliche Teilleistungen genau beschrieben werden, um eine ganzheitliche Betrachtung zu ermöglichen. Zusätzlich zu den konventionellen Leistungen sollten auch neue Aufgaben wie baulogistische Konzepte, Funktionalitäts- und Flexibilitätskonzepte sowie Kreislaufgerechtigkeits- und Rückführungskonzepte gefordert werden.
Das Bundesbauministerium hat 2013 Richtlinien zur Durchführung verschiedener Wettbewerbsformate zur Vergabe von Planungsleistungen herausgegeben. Mit der novellierten Richtlinie für Planungswettbewerbe wurde ein Rahmen geschaffen, der eine rechtssichere Vergabe von Planungsleistungen mit Verfahrensabläufen, definierten Anforderungen und Vergabekriterien erleichtert. Formulierungen für eine ressourceneffiziente und kreislauffähige Wettbewerbsausschreibung können der „Systematik für Nachhaltigkeitsanforderungen in Planungswettbewerben“ (SNAP) des BBSR entnommen werden.
Zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit des Angebotes können eine Vielzahl von Einzelkriterien zur Anwendung kommen, deren prozentuale Gewichtung in der Ausschreibung offengelegt wird. Beispielsweise können folgende Zuschlagskriterien zur Vergabe herangezogen werden: Ideenskizze, Organisation, Qualifikation und Erfahrung des Projektteams oder Honorarangebot.
Ressourcenplanende als Fachplanende
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Einbeziehung von Fachplanenden. Beispielweise hat die Stadt Viersen bei der Konzeption eines Wettbewerbes für ein Straßenverkehrsamt und eine Förderschule ressourceneffiziente und kreislauffähige Lösungen für Gebäude gefordert. Dabei hatten Planende die Möglichkeit, diese Anforderungen mithilfe von Ressourcenplanenden zu erfüllen. Ein Team von Planenden gewann den Wettbewerb und zeigte Wege zukünftiger Materialströme ihres Projekts auf. Durch eine enge Zusammenarbeit von unterschiedlichen Disziplinen gelang es, in einem sehr frühen Entwurfsstadium erfolgreich eine Ressourcenplanung zu integrieren.
Somit spielen Fachplanende für Ressourcen eine entscheidende Rolle bei der Gewährleistung von Nachhaltigkeit und Effizienz in Bauprojekten. Potenzielle erbrachten Leistungen kann die Entwicklung von Konzepten zur Wiederverwendung, zum Rückbau und Recycling von Materialien und Strukturen nach ihrem Lebenszyklus sein. Auch die Konzeption von multifunktionalen Entwürfen sowie die Darstellung alternativer Nutzungsszenarien gehören zu diesen neuen Aufgabenspektrum. Die Erstellung eines Materialkatalogs ist ebenfalls von großer Bedeutung.
Diese Leistungen müssen zukünftig in Ausschreibungen berücksichtigt und beauftragt werden. Es ist wichtig, dass sie auch in die Honorarverordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) einfließen, um eine einheitliche Bezahlung sicherzustellen. Zusätzliche Leistungen, die in einem kürzlich veröffentlichten digitalen Planungshandbuch beschrieben wurden, bieten eine Anleitung für eine ressourcenschonende und zirkuläre Planung entlang der HOAI-Phasen. Dabei werden Wege aufgezeigt, wie wiederverwendete oder recycelte Bauprodukte eingesetzt und nach dem Lebensende des Projekts als Bauprodukte zurückgewonnen werden können.
Selektiver Rückbau statt Abriss
Ein weiterer wichtiger Punkt zur Reduzierung von Abfall und zur Förderung von Recyclingprodukten ist die Umsetzung eines selektiven Rückbaus anstelle eines Abrisses. Bei der Ausschreibung für einen solchen Rückbau müssen mehrere Aspekte berücksichtigt werden. Dies beinhaltet die Festlegung von Qualifikationsanforderungen an die beteiligten Unternehmen, wie Zertifizierungen mit Fremdüberwachung, Vorlage von Zulassungen und Sicherheitsstandards. Die Ausschreibung sollte die Bieter auch über den Umfang des Angebots, den Schwierigkeitsgrad der Arbeiten, die Rahmenbedingungen sowie den Verwertungs- und Entsorgungsumfang informieren. Dabei ist es wichtig, dass sämtliche Entsorgungen und Verwertungen gemäß den Vorgaben des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) in Verbindung mit der Gewerbeabfallverordnung (GewAbfV) erfolgen. Des Weiteren müssen klare Anforderungen an die Verwertungsanlagen gestellt werden, etwa die Zertifizierung nach DIN EN 12620 für die Herstellung von rezyklierter Gesteinskörnung für Beton. Vorgaben für die Separierung der Abfallfraktionen sind ebenfalls wesentlich, insbesondere hinsichtlich der sortenreinen Verwertung von Mineralstofffraktionen wie Beton oder Ziegel. Dabei ist ein detailliertes Schadstoffgutachten mit einem Schadstoffkataster unabdingbar. Hierbei sollte der Prozess von der Bauüberwachung kontrolliert werden, um eine ordnungsgemäße Trennung von Gefahrstoffen und „sauberen“ Materialien sicherzustellen und Kontaminationen zu verhindern.
Insgesamt erfordert die Gestaltung zukünftiger Bauprojekte ein Umdenken entlang der gesamten Wertschöpfungskette hin zu einer ressourceneffizienten und kreislauforientierten Bauwirtschaft. Dabei sind die Schaffung von Angeboten und Nachfragen nach recycelten und nachwachsenden Bauprodukten sowie die Einbindung von Fachplanenden entscheidend. Durch eine umfassende Betrachtung entlang der Wertschöpfungskette und die Berücksichtigung ökologischer Kriterien bei der Materialbeschaffung können Bauherrschaften einen erheblichen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten.
Produktneutrale Ausschreibungen und ressourceneffiziente Architekturwettbewerbe sind wichtige Instrumente, um den Übergang zu einer kreislauforientierten Bauwirtschaft voranzutreiben. Ein zentraler Punkt ist die Umsetzung eines selektiven Rückbaus anstelle von Abriss, wobei klare Anforderungen an die beteiligten Unternehmen und Verwertungsanlagen gestellt werden müssen, um ein ordnungsgemäßes Recycling und Wiederverwerten von Bauteilen sicherzustellen.
Um Ressourceneffizienz und Kreislaufgerechtigkeit zu fördern, sollten klarere Regeln und Unterstützung für Planende und Bauherrschaften bereitgestellt werden. Eine Novellierung der HOAI nach Ressourcenschutzleistungen ist dringend erforderlich. Gleichseitig kann durch die Bevorzugung ressourcenschonender Produkte bei Ausschreibungen sowie durch Förderungen von innovativen Ansätzen die Umsetzung einer Circular Economy unterstützt werden. Kostenlose Beratung für Kommunen, Bauherrenschaften und Planende kann dabei helfen, das Bewusstsein für Nachhaltigkeit in der Bauindustrie zu stärken und entsprechende Maßnahmen voranzutreiben.
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Hinweis: Dieser Beitrag wurde ursprünglich in Ausgabe Juli 2024 des Magazins „ Kleine Kniffe“ veröffentlicht. Wir danken der Redaktion für die freundliche Genehmigung zur Zweitveröffentlichung.
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