Desinformation: Was Unternehmen dagegen tun können

In einer Zeit, in der sich Falschinformationen schnell verbreiten, ist es dringlich, Informationen kritisch zu hinterfragen und Medieninhalte zu analysieren. Desinformation stellt auch eine Gefahr für das Thema Nachhaltigkeit und die demokratische Gesellschaft dar. Dieser Herausforderung müssen sich Unternehmen, Politik, Zivilgesellschaft und Medien stellen.

Das Interesse an Informationen, am Zeitgeschehen und am Thema Nachhaltigkeit ist eine wichtige Grundlage für eine funktionierende Demokratie. Desinformationen erfahren vor allem im Kontext von Wahlen sowie in Krisenzeiten besondere Aufmerksamkeit. Darunter werden Falschinformationen verstanden, die vorsätzlich verbreitet werden, mit der Absicht, Menschen zu täuschen und zu beeinflussen. Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung hält laut Studie „Verunsicherte Öffentlichkeit“ der Bertelsmann-Stiftung Desinformationen für ein großes gesellschaftliches Problem.

Herausforderungen für Unternehmen und Gesellschaft

Vor allem der menschengemachte Klimawandel ist heute eine beängstigende Wahrheit. Leider wird er von einigen Menschen noch immer geleugnet. Doch wie lässt sich reagieren, wenn von der großen Klimaverschwörung gesprochen wird – auch in Unternehmen? Wie können Menschen von der Wahrheit der globalen Erwärmung überzeugt, Fakten verteidigt und Lügen entlarvt werden? Im Unternehmenskontext spielen Nachhaltigkeitsmanager dabei eine wichtige Rolle, denn konstruktive Nachhaltigkeitskommunikation ordnet Fakten ein. Sie können etwa Beiträge für bessere Debatten- und Streitkultur liefern (Konzentration auf Sachdebatten, Probleme und Konflikte werden direkt angesprochen) oder im Unternehmen und darüber hinaus die Nachhaltigkeits- und Medienkompetenz stärken.

Große Herausforderungen in Zusammenhang mit Desinformation sind:

  • „Confirmation bias“: Bestätigungen der eigenen Meinung werden rasch erfasst; andere Informationen werden ausgeblendet oder als weniger vertrauenswürdig beurteilt
  • „Daumen hoch / Daumen runter“-Mentalität (schnelle und intuitive Entscheidungen)
  • Deepfakes
  • Überflutung von Des- und Falschinformationen in sozialen Medien
  • Empörungsökonomie in Social Media sowie Hass und Hetze
  • Informations-Defizit-Modell (Menschen glauben an Unwahrheiten oder sträuben sich gegen Fakten, weil sie nicht über alle relevanten Informationen verfügen)
  • erstarkender Nationalismus
  • Fragmentierung der Öffentlichkeit
  • Manipulation durch gesellschaftlich erwartete Meinungen (Mainstream)
  • Zunahme der Polarisierung in der Gesellschaft
  • Verstärkter Populismus
  • Reizüberflutung durch digitale Informationen
  • fahrlässige Rhetorik
  • systemische Risiken (hohe Komplexität, Vertrauensverlust weiter Teile der Bevölkerung in öffentlich-rechtliche Medien und staatliche Einrichtungen)
  • ökonomische Unsicherheiten
  • Verschwörungsmythen.

Beispiele für Initiativen aus Unternehmen

Claudia von Bothmer, Director Corporate Responsibility & Sustainability bei O2 Telefónica, verweist auf die Gesellschaftsprogramme ihres Unternehmens, das vor allem Jugendliche und ältere Menschen darin unterstützt, „die Chancen der Digitalisierung zu nutzen und gleichzeitig die Risiken wie Desinformation im Blick zu behalten. Ein zentraler Baustein ist neben Medienkompetenz der Generationenaustausch.“ O2 Telefónica möchte auch mit neuen Lehr- und Lernmaterialien im Rahmen des Projekts „WAKE UP!“ die Resilienz gegen Desinformationen stärken. Die Initiative hat das Ziel, die Medienkompetenz junger Menschen zu fördern. Gemeinsam mit der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter e.V. (FSM) hat das Unternehmen ein neues digitales Tafelbild und neue digitale Selbstlernmodule entwickelt, die Jugendliche im Umgang mit Desinformationen schulen sollen.

Handlungsmöglichkeiten gegen Desinformation

Doch Unternehmen, Politik, Medien und Zivilgesellschaft müssen noch stärker gegen Desinformation vorgehen. Damit tragen sie letztlich auch zur Förderung demokratischer Strukturen bei. Mögliche Ansatzpunkte sind:

  • Aufklärungskampagnen
  • Gütesiegel für qualitativen Journalismus
  • Entwicklung und Verbreitung von leichtverständlichen Leitlinien zum Umgang mit Desinformation
  • Neue Formen der Medienkompetenz sowie rechtliche Verankerung von Medienkompetenz in der Bildung
  • Unabhängiges Monitoring digitaler Inhalte durch mehrere, nicht-staatliche Akteure
  • Verpflichtung der Social-Media-Plattformen zur effektiven Bekämpfung von Desinformation
  • Austarieren des Spannungsverhältnisses zwischen dem Schutz der Öffentlichkeit vor Desinformation und dem Schutz der Meinungsfreiheit
  • Schaffung einer zentralen Stelle zu Desinformation
  • Regulatorische Regelungen gegen Desinformation durch die EU
  • Prüfung einer strafrechtlichen Verfolgung und/oder Sanktionierung der Verbreitung von Falschinformationen
  • Entwicklung von Technologien zur Kennzeichnung von Desinformation
  • Mündigkeit der Bürger:innen durch Transparenz über Medien und Rückverfolgbarkeit von Quellen
  • Verpflichtung von sozialen Netzwerken, Faktenchecks und Vertrauensbewertungen einzubinden.

Blickt man auf die sozialen Medien, geht die Tendenz aktuell eher in die andere Richtung: Erst kürzlich wurde die Faktenprüfung von Beiträgen auf der Plattform X abgeschafft. Kurz darauf kündigte Mark Zuckerberg an, die Faktenprüfung für die Dienste seines Konzerns Meta in den USA auszusetzen. Geht es um Macht und Geld der Tech-Milliardäre, werden Nutzer:innen einem Algorithmus ausgesetzt, der Aufmerksamkeit belohnt und Falschinhalte nicht kennzeichnet. Kritiker sehen in dieser Entwicklung eine Gefahr für die Demokratie. Andere feiern den Verlust der Meinungs- und Deutungshoheit der „alten“ Medien und verweisen darauf, dass nicht jede andere Meinung gleich Desinformation, Hetze und Hassrede ist.

Initiativen zum Umgang mit Desinformation

Die Allianz Foundation ist eine rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts mit Sitz in Berlin. Sie ist operativ und fördernd tätig und unterstützt in Europa und im Mittelmeerraum Projekte aus den Bereichen Zivilgesellschaft, Umwelt, Kunst und Kultur.

Forum gegen Fakes: Ziel des Projekts ist es, eine bundesweite Debatte zum Umgang mit Desinformation anzustoßen und den demokratischen Dialog zu stärken.

ProjectTogether ist eine gemeinnützige Organisation, die gesellschaftliche Transformation vorantreibt. Dazu schafft ProjectTogether Collective-Action-Prozesse und koordiniert Hunderte von verschiedenen Akteur:innen bei der Entwicklung von Lösungen für drängende Herausforderungen wie Klimawandel, Flucht oder Demokratie und gesellschaftlicher Zusammenhalt.

Stiftung Digitale Chancen: Die gemeinnützige Organisation erforscht die gesellschaftlichen Folgen der Digitalisierung. Durch bundesweite Projekte wird die digitale Teilhabe gefördert und Medienkompetenzen gestärkt. Unsere Arbeit vernetzt Zivilgesellschaft, Politik, Wirtschaft und Forschung.

Vereint für Demokratie: Viele Unternehmen wollen nicht nur Haltung zeigen, sondern auch handeln. Das Bündnis besteht aus der Allianz Foundation, dem Business Council for Democracy, ProjectTogether, Scholz & Friends, Charta der Vielfalt e. V. und weiteren Organisationen aus der Zivilgesellschaft und Wirtschaft.

„WAKE UP!“ ist eine Initiative von O2 Telefónica. Sie widmet sich der zunehmenden Bedeutung von Desinformation und den damit einhergehenden Herausforderungen.

Information Overload

Desinformationen sind – insbesondere in Wahlkampf-Zeiten – ein enormes Problem. Doch auch darüber hinaus wird eine gute Medienkompetenz immer wichtiger. Dabei geht es nicht nur um das Erkennen mutwilliger Falschinformationen: Der Begriff der „Informationsverschmutzung“ meint, dass wir durch die Omnipräsenz von Informationen täglich mit weit mehr Daten konfrontiert werden, als wir verarbeiten können. Boleslaw Szymanski vom Rensselaer Polytechnic Institute plädiert daher dafür, dass Informationsökologie schon in der Schule gelehrt werden muss. Ihm zufolge braucht es eine Diskussion über gesetzgeberische Möglichkeiten und er fordert weltweite „Clean Information Acts“, die den Informationsfluss filtern und regulieren.


Schlagworte zum Thema:  Corporate Citizenship