Warum Steuerberater Nachhaltigkeitsberater werden sollten

Für Steuerberater Dieter Pfab ist Nachhaltigkeit reine Betriebswirtschaft – und von daher Sache des Steuerberaters. Seit zweieinhalb Jahrzehnten berät er Kollegen und den Mittelstand und hat eine äußerst pragmatische Sichtweise auf das Thema.

Nachhaltigkeit ist inzwischen ein Buzz-Wort, viele verwenden es, und in der Wirtschaft steht es oft vor allem für Bürokratie und Berichtspflichten, Stichwort CSRD. Sie sehen das anders, warum?

Nachhaltigkeit ist im Grunde nichts anderes als die Betriebswirtschaft selbst. Es geht immer darum, Ressourcen möglichst sorgsam und gewinnbringend einzusetzen. Im Unternehmen, wie in der Natur. Auch der Löwe muss sich letztlich überlegen, ob das Zebra, das er mit Einsatz immenser Kraftreserven schlägt, am Ende vielleicht zu klein ist. Insofern ist Nachhaltigkeit nichts, was irgendwie oben drauf gesetzt wird, sondern der Kern betriebswirtschaftlichen Denkens und Handels.

Trotzdem ringen wir als Gesellschaft gerade offenbar darum, machen einen Lifestyle und einen Vorschriftenkatalog für die Unternehmen daraus. Wie gelingt es, einen anderen Ansatz zu finden?

Der erste und wichtigste Schritt ist, Dinge nicht zu verschwenden. Das klingt vielleicht banal, aber ich will Ihnen ein Beispiel aus der Praxis geben, aus dem deutlich wird, um welche Größenordnung es da eigentlich geht. In diesem Fall betrifft dies den Strom, was oftmals der Fall ist: Ein Automobilzulieferer auf der schwäbischen Alb ließ seine Maschinen von Freitag Abend bis Montag Morgen immer im Standby-Modus laufen, aus Sorge, sie könnten Schaden nehmen, wenn sie zu oft komplett aus- und eingeschaltet würden. Als man dies schließlich doch einmal beim Maschinenbauer hinterfragte, war dem nicht so. Daraufhin drückte man den Aus-Knopf – und der Stromverbrauch sank um 10.000 Kilowattstunden pro Woche, übers Jahr gesehen sparte die Firma so 120.000 Euro.

Diese Dimension des Einsparpotenzials ist vermutlich vielen nicht bewusst...

Nein, das ist sie nicht. Doch genau darum geht es im Kern: Aufzudecken, wo Energie völlig ohne jeden Nutzen für jemanden oder etwas verschwendet wird. Damit meine ich im Übrigen nicht nur elektrische oder thermische Energie, sondern auch Arbeitsstunden, die in umständlichen und ineffizienten Prozessen vergeudet werden. Ein Beispiel aber noch zum Heizen: Wir haben einmal einen Handwerksbetrieb beraten, bei dem die Dachheizung auch im Sommer immer durchlief – ohne jeden Grund, man hatte sie einfach nie ausgestellt.

Dieter Pfab

Neben Ihrer steuerberatenden Tätigkeit sind sie ja schon seit zweineinhalb Jahrzehnten auch als Unternehmensberater tätig, seit 1999 sind Sie Mitglied im "Umweltpakt Bayern", einer Nachhaltigkeitsinitiative des Freistaats Bayern, und seit einiger Zeit auch Umweltbeauftragter des Bayerischen Steuerberaterverbandes. Zudem beraten Sie seit 2011 Kollegen, aber auch den Mittelstand, zu diesen Aspekten. Was sind Ihre Erfahrungen dabei?

Inzwischen hatten wir etwa 250 Steuerberatungskanzleien in Workshops, und ich kann sagen, es ist vor allem die Kommunikation zum Thema, die derzeit schief läuft. So tragisch es ist, Sie erreichen keine bayerischen Mittelständler mit der Frage, ob nun einzelne Inseln in Indonesien drohen unterzugehen oder nicht. Die haben ganz andere Probleme, und hier sind wir wieder bei der Betriebswirtschaft. Ich bin der Meinung, es gibt überhaupt gar keine zwei Antworten auf die Frage, ob Steuerberater die Nachhaltigkeitsberatung übernehmen sollen oder nicht: Wer denn sonst? Konzeptionell sehe ich da keinerlei Alternative.

Steuerberater kennen ihre Mandanten nicht nur auf der unternehmerischen Ebene, sondern wissen auch, welche Heizung im Privathaus verbaut ist. Ein wesentlicher Aspekt ist hier der der Fördergelder: Natürlich können sich größere Unternehmen dazu staatliche Unterstützung holen; sie beschäftigen eigene Mitarbeiter für diese Zwecke, und ein Tesla weiß deshalb genau, wie er die Töpfe ausschöpft, wenn er ein Werk in Brandenburg baut. Aber die typische Steuerberaterklientel, sechs bis sieben Mitarbeitende, die eigentliche Wirtschaft, scheitert schon auf der zweiten Seite des Online-Formulars zum Digitalisierungsbonus. Hier sind die Steuerberater einfach die einzigen, die helfen können.

Die Steuerberatung als nachhaltiges Vorbild

Was ist denn eine nachhaltige Steuerberatungskanzlei – die auch entsprechend beraten kann?

Ganz wesentlich ist hier die Vorbildfunktion. Wenn ich als Steuerberater selbst mit einem 80.000 Euro-Verbrenner, oder noch schlimmer -Hybrid, durch die Gegend fahre, werde ich schwerlich glaubhaft machen können, dass ich die Kompetenz habe, dem Unternehmer zu erklären, wie betriebswirtschaftlich sinnvoll sein Fuhrpark aufgestellt ist. Oder wenn ich noch meinen eigenen Server in der Kanzlei betreibe, wo doch klar ist, dass ASP nicht nur sicherer, günstiger, sondern auch umweltfreundlicher ist. Nicht zu reden davon, dass in der Kanzlei einfach überall noch große Papierstapel herumliegen.

Wichtig ist bei der Nachhaltigkeit ja neben der ökonomischen und ökologischen Komponente auch die soziale – wie fügt sich denn die in Ihre betriebswirtschaftliche Logik?

Wir machen mithilfe des Programms "Unternehmenswert: Mensch" gerade eine Workshop-Reihe, wo es unter anderem darum geht, dass 30 Prozent der Arbeitszeit in Kanzleien durch unsachgemäße Verwendung von Software, mangelndes Zutrauen in die Kompetenz und Kooperationsfähigkeit des Mandanten und unnötiges Ausdrucken, Bearbeiten und Abheften von Dokumenten verschwendet wird. Das bedeutet nichts anderes, als dass in einer zehn Mitarbeiter zählenden Kanzlei zwei nur mit Unnötigem beschäftigt sind.

Und jetzt kommt der soziale Aspekt: Dadurch entsteht für alle permanenter Zeitdruck, der sich letztlich auf die Gesundheit und Zufriedenheit auswirkt. Aber alles beginnt immer wieder mit Verschwendung. Einfach erklärt am Beispiel Bescheidprüfung: Diese kann man automatisiert in fünf Minuten – oder auch in 30 Minuten erledigen. Bei 2.000 geprüften Bescheiden kommen da schon mal gut 700 Arbeitsstunden zusammen, die man anderweitig nutzen könnte.

Die Akademie für Umwelt, Gesundheit und nachhaltige Entwicklung (AUGE) hat für den Landesverband der steuerberatenden und wirschaftsprüfenden Berufe e.V. einen Vorschlag für ein eigenes Siegel für nachhaltige Kanzleien entwickelt. Weshalb haben Sie das getan und was sind die Voraussetzungen, um dieses Siegel führen zu dürfen?

Die ISO-Zertifizierung ist in vielerlei Hinsicht für die Frage der Nachhaltigkeit nicht wirklich passend. Dabei können Sie zum Beispiel dokumentieren, dass ein Drucker im Keller steht, weil es da kühler ist, ohne zu beschreiben, wie viel Aufwand es bedeutet, wenn immer alle runter laufen müssen, um die Dokumente zu holen oder die Frage zu beantworten, ob es überhaupt noch dieses Druckers bedarf. Bei dem geplanten Siegel kann die Kanzlei ISO-zertifiziert sein, muss es aber nicht.

Ein Must sind dafür die saubere Hinterlegung der Kanzleiprozesse und eine Orientierung sowohl an den Prozessen, aber genauso auch an Kooperation, Technologie, Umwelt, Mitarbeitenden und Mandanten. Diese Arbeitsweise soll eingefordert und geprüft werden, sowie die zertifizierten Kanzleien dann auch dauerhaft begleitet werden.


Zur Person: Der Steuerberater Dieter Pfab aus Pfaffenhofen an der Ilm ist neben seiner selbstständigen steuerberatenden Tätigkeit bereits seit 1996 auch als Unternehmensberater aktiv. Seit 1999 ist er Mitglied im "Umweltpakt Bayern", einer Nachhaltigkeitsinitiative des Freistaats Bayern und zudem seit 2011 Umweltbeauftragter des Bayerischen Steuerberaterverbandes. Außerdem ist Dieter Pfab Mitgründer der Akademie für Umwelt, Gesundheit und nachhaltige Entwicklung gGmbH.