Digitaler Wandel wird zum Erfolgsfaktor im Kanzlei-Recruiting
In der Steuerbranche fehlen nach wie vor gut ausgebildete Fachkräfte. Laut einer aktuellen Studie des Beratungshauses SWI Finance im Auftrag des Handelsblatts stellt die Rekrutierung neuer Mitarbeiter für 83 Prozent der Steuerkanzleien weiterhin die größte Herausforderung dar. Auch kleinere Kanzleien mit weniger als fünf Mitarbeitenden spüren dies – wenn auch etwas weniger ausgeprägt: Hier sehen es 70,8 Prozent als größte Herausforderung.
Viele Kanzleien reagieren mit Benefits, kreativen Stellenanzeigen oder Gehaltsanreizen – doch all das reicht oft nicht aus. Junge Talente achten zunehmend auf die Arbeitsweise: moderne Technologien, flexible Modelle und eine digitale Unternehmenskultur werden zum Entscheidungskriterium. Doch die Realität ist häufig noch eine andere: Die Steuerbranche gilt bei vielen jungen Menschen als unflexibel, konservativ und wenig abwechslungsreich. Ein Nine-to-Five-Job ist für viele Bewerberinnen und Bewerber nicht mehr attraktiv.
Flexible Arbeitszeiten, Homeoffice-Möglichkeiten und eine Kanzlei, die auch technologisch auf der Höhe der Zeit ist, sind hier schon deutlich anziehender. Insbesondere für den Generation Z spielt die Work-Life-Balance eine sehr große Rolle. Doch dem steht oft auch der demografische Wandel entgegen: Laut der aktuellen Berufsstatistik 2024 der Bundessteuerberaterkammer sind mehr als 57 Prozent der Steuerberaterinnen und Steuerberater älter als 50 Jahre. Lediglich 20,5 Prozent sind jünger als 41 Jahre. Eine Start-up-Mentalität ist für die Bewerber daher eher selten zu erwarten.
Flexibles Arbeiten in Steuerkanzleien braucht digitale Strukturen
Doch jede Steuerkanzlei kann gegensteuern und sich modern aufstellen – unabhängig von der Altersstruktur: Zeitgemäße digitale Kanzleiprozesse, die Automatisierung wiederkehrender und eher langweiliger Tätigkeiten sowie die Nutzung moderner Tools kann die Attraktivität einer Steuerkanzlei in jungen Bewerberzielgruppen deutlich erhöhen.
Viele Bewerber fragen heute zuerst nach Homeoffice-Möglichkeiten, Arbeitszeitmodellen und digitaler Zusammenarbeit. Damit Flexibilität funktioniert, braucht es technische Grundlagen wie Cloud-Lösungen, digitale Dokumentenverwaltung, Kommunikationsplattformen und sichere Datenräume. Erst wenn diese Strukturen stehen, lassen sich Arbeitsmodelle flexibel gestalten – und werden für Mitarbeitende tatsächlich zum Vorteil. Aber Achtung: Flexibilität braucht Verbindlichkeit. Flexible Arbeitszeit-Angebote dürfen insbesondere in der Steuerbranche nicht zulasten des Teams oder der Mandantenbetreuung gehen.
Digitalisierung der Steuerkanzlei als Signal: Was Bewerber zwischen den Zeilen lesen
Eine Kanzlei, die auf digitale Prozesse setzt, erhöht aber nicht nur ihre interne Effizienz und kann besser mit Mandanten zusammenarbeiten: Sie positioniert sich dadurch als zeitgemäß, innovativ oder im besten Fall sogar als digitaler Trendsetter. Das beginnt bei einem transparenten digitalen Bewerbungsprozess, einem aktuellen Onlineauftritt und einer klar erkennbaren Kanzlei-Identität. Regelmäßige Social-Media-Aktivitäten, Online-Bewertungen und ein informativer Karrierebereich auf der Website – der sich auch auf mobilen Geräten optimal darstellen lässt (!) – wirken wie eine Visitenkarte und machen die Kanzlei auch für Talente greifbar, die mit Spielekonsole und Smartphone aufgewachsen sind.
Darüber hinaus erleichtern digitale Bewerbermanagement-Systeme den Recruiting-Prozess. Zahlreiche Tools und Plattformen ermöglichen schnelle, mobile-optimierte Bewerbungen, die den Erwartungen moderner Kandidaten entsprechen. Kanzleien, die solche Systeme nutzen, reduzieren ihre „Time-to-Hire“ und wirken professionell.
Moderne Tools machen den Arbeitsalltag in Steuerkanzleien attraktiver
Ein weiterer Digitalisierungseffekt, der sich positiv auf das Recruiting auswirkt: Wer langweilige oder ermüdende Aufgaben automatisiert, schafft Freiräume für anspruchsvolle Beratungsaufgaben, die von nachrückenden Fachkräften sehr geschätzt werden.
Die F&S Steuerberatung in Berlin arbeitet zum Beispiel vollständig digital, auch ihre Mandanten sind komplett digital aufgestellt. Diese klare Positionierung zieht Fachkräfte an, die in einer modernen Umgebung arbeiten möchten. Alle Kanzleiprozesse laufen hier digital – vom Onboarding der Mandanten über die Finanz- und Lohnbuchhaltung, Jahresabschlüsse und Steuererklärungen bis hin zu sämtlichen kanzleiinternen Prozessen, einschließlich dem Dokumentenmanagementsystem – selbst die Telefonanlage befindet sich in der Cloud. Dem angestaubten Image einer Steuerberatung mit langweiliger Buchhaltung und zähen bürokratischen Abläufen konnte sich die Kanzlei mit ihrer frühzeitigen Digitalisierung entziehen. Ein klarer Wettbewerbsvorteil, insbesondere für das Recruiting neuer Mitarbeiter.
Social Media: Der Schlüssel zum Fachpersonal
Ein weiterer Schlüssel zu Fachkräften ist Social Media: Laut dem aktuellen Report von Datareportal nutzen im Jahr 2025 rund 65,5 Millionen der Deutschen aktiv Social Media – das sind 77,6 Prozent der Gesamtbevölkerung. Wohingegen laut BDZV nur noch 39,8 Prozent der Bevölkerung gedruckte Regional- und Lokalzeitungen lesen. Diese Zahlen beziehen sich jeweils auf die Gesamtbevölkerung. In jüngeren Zielgruppen geht die Schere deutlich weiter auseinander.
Das verdeutlicht: Social Media muss Bestandteil des Recruitins sein. Plattformen wie LinkedIn, Instagram oder TikTok bieten Kanzleien die Möglichkeit, ihre Arbeitgebermarke frisch und authentisch zu präsentieren. Die verschiedenen Plattformen können strategisch unterschiedlich eingesetzt werden:
- LinkedIn: Ist ideal für die Ansprache erfahrener Fachkräfte. Regelmäßige Posts zu Kanzlei-Erfolgen, Weiterbildungsangeboten oder Team-Events zeigen, dass die Kanzlei ein attraktiver Arbeitgeber ist.
- Instagram/TikTok: Diese Plattformen ermöglichen es, jüngeren Nachwuchs anzusprechen. Kurze Videos, die den Kanzlei-Alltag oder Mitarbeiter-Storys zeigen, schaffen Nähe und Authentizität.
- YouTube: Die Videoplattform eignet sich insbesondere, um authentische Einblicke in den Kanzleialltag zu geben. Die Videos können darüber hinaus auf der Kanzlei-Website platziert werden.
- Karriereseite auf der Kanzlei-Homepage: Eine moderne, mobil-optimierte Karriereseite mit Videos und klaren Benefits ist ein Muss. Bewerber erwarten Transparenz und einfache Bewerbungsprozesse.
Worauf es jetzt ankommt
Wenn eine Steuerkanzlei für neue Talente attraktiv sein möchte, muss sie die Erwartungen der heutiger Bewerber kennen und darauf reagieren. Darauf kommt es an:
- Klare Digitalisierungsstrategie: Definieren Sie, welche Tools und Prozesse Ihre Kanzlei modernisieren. Achten Sie dabei nicht nur auf Chancen für Ihre Beratungstätigkeiten, sondern auch darauf, dass Mitarbeiter von langweiligen Aufgaben entlastet werden.
- Nutzen Sie die Kanzlei-Homepage, um sich als attraktive Steuerkanzlei potenziellen Bewerbern zu präsentieren. Dazu muss die Website auf mobilen Geräten optimal dargestellt und von KI-Antwortmaschinen gefunden werden.
- Employer Branding: Nutzen Sie Social Media, um bei potenziellen Bewerbern aufzufallen. Authentische Einblicke in den Arbeitsalltag sind entscheidend.
- Flexibilität bieten: Etablieren Sie Homeoffice und flexible Arbeitszeiten, unterstützt durch sichere digitale Infrastruktur.
- Investition in Weiterbildung: Bieten Sie digitale Lernmöglichkeiten, um bestehende und künftige Kanzlei-Mitarbeiter zu fördern und zu binden.
Die gesamte Entwicklung der vergangenen Jahre zeigt deutlich: Ohne Digitalisierung wird es immer schwerer, Job-Interessenten für Steuerkanzleien zu begeistern. Neben diversen Marktanforderungen zwingt auch der Fachkräftemangel Kanzleien dazu, sich digital aufzustellen – nicht nur, um Arbeitsweisen und interne Prozesse schneller und effizienter zu bewältigen, sondern auch, um für Bewerber als Steuerkanzlei attraktiv zu sein. Social Media, digitale Prozesse, KI‑Tools und flexible Arbeitsmodelle sind keine Nice‑to‑have‑Extras mehr, sondern grundlegende Wettbewerbsfaktoren.
Auch auf Social-Media-Recruiting sollte im Steuerbereich gesetzt werden. Insbesondere größere Kanzleien nutzen es bereits erfolgreich. Eine starke inhaltliche Präsenz und regelmäßige Interaktion auf Instagram, LinkedIn, YouTube oder TikTok ermöglicht es jedoch auch mittleren und kleinen Kanzleien, wechselbereite und passive Kandidaten zu erreichen, die über klassische Print-Anzeigen oder übliche Online-Jobportale nicht angesprochen werden. Ohne Digitalisierung wird ein Kanzlei-Recruiting künftig nicht mehr erfolgreich möglich sein.
Lesen Sie auch:
Wettstreit um Fachkräfte: Vorsprung durch Employer Branding
New Work: Flexibilität braucht Verbindlichkeit
Personal Branding auf LinkedIn: Wie Steuerberater davon profitieren können
LinkedIn boomt – was das für Steuerkanzlei-Blogs bedeutet
-
Diese Kanzlei stellt Gemeinwohl über Gewinnmaximierung
04.12.2025
-
Podcast: Wie KI die Steuerbranche revolutioniert
02.12.20252
-
Verhör(t)-Adventskalender: Jeden Tag eine Inspiration
01.12.2025
-
Entwicklung der Steuerberatungsbranche in Zeiten von KI & Venture Capital
27.11.2025
-
Einfach anfangen: Wie KI den Kanzleialltag erleichtert
20.11.2025
-
Podcast: Warum Veränderung in der Steuerbranche scheitern kann
18.11.2025
-
Vom Tatort zur Steuerkanzlei
13.11.2025
-
Führung beginnt mit Klarheit – nicht mit Kontrolle
06.11.2025
-
Podcast: Vom Fitnessstudio in die Steuerkanzlei
04.11.2025
-
"Wer den AI-Act ernst nimmt, schafft Vertrauen bei Mandanten"
30.10.2025