2025: Der Beginn der "KI-Ära" in der Steuerberatung
"KI-Ära" wurde von der Gesellschaft für deutsche Sprache zum Wort des Jahres 2025 gekürt. "Künstliche Intelligenz ist aus dem Elfenbeinturm der wissenschaftlichen Forschung herausgetreten und hat die Mitte der Gesellschaft erreicht", heißt es in der Begründung. Und auch in der Steuerbranche hat sich im Jahr 2025 gezeigt: Künstliche Intelligenz ist kein Hype mehr, sondern (fast) zwingende Voraussetzung dafür, Mandanten effizient und zeitgemäß zu betreuen. Immer mehr Steuerkanzleien setzen auf KI — entweder in ersten Pilotprojekten oder bereits als integralen Bestandteil des Arbeitsalltags. Laut einer Studie von SWI Finance im Auftrag des Handelsblatts ist KI in fast allen Kanzleien (91,6 Prozent) angekommen und wird hauptsächlich für Recherchetätigkeiten und die Vorformulierung von Mandantenkommunikation eingesetzt. Damit wird deutlich: Der Fokus der Arbeit beginnt sich zu verschieben: Weg von repetitiven, regelbasierten Tätigkeiten hin zu Beratung und Mandantenbetreuung auf höherem Niveau. Doch was hat KI im Jahr 2025 den Steuerkanzleien wirklich gebracht? Verläuft die Entwicklung tatsächlich so dynamisch wie prognostiziert?
Manches läuft fehlerfrei, anderes muss nachbereitet werden
In der Kanzlei der Life GmbH Steuerberatungsgesellschaft wird KI von nahezu allen Mitarbeitenden genutzt – um Recherchen vorzubereiten, Texte besser auszuformulieren und auch Daten aufzubereiten. Doch laut Geschäftsführerin Marina Eibl ist Vorsicht walten zu lassen. "Steuerliche Sachverhalte sind oftmals komplex und können von der KI noch nicht vollständig erfasst werden, weshalb die Lösungen häufig fehlerhaft sind. Hier ist immer nachzuarbeiten und das Ergebnis zu prüfen. Das Ausformulieren läuft hingegen meist fehlerfrei und wird von allen stark genutzt", schildert die Steuerberaterin die gemachten Erfahrungen. Bei aufzubereitenden Daten ist es zudem erforderlich, dass die Daten anonymisiert sind. Auf Knopfdruck funktioniert KI also noch nicht in allen Bereichen.
Zeit gespart und schneller handlungsfähig
Besonders intensiv wird KI bereits von der TAXABL Steuerberatungsgesellschaft eingesetzt. "In diesem Jahr war KI ein fester Bestandteil unseres Arbeitsalltags", sagt Marcus Dein, Steuerberater und CEO der Gesellschaft. Man nutze KI intensiv für die Textgenerierung – von internen Vorlagen bis hin zu Mandanteninformationen und Antwortschreiben an die Behörden bei diversen Rückfragen. "Ein echter Gamechanger war für uns die Zusammenfassung komplexer Inhalte, insbesondere langer BFH-Urteile oder fachlicher Stellungnahmen. Das spart Zeit und sorgt dafür, dass wir schneller handlungsfähig sind", sagt Dein. Außerdem setzt die Kanzlei KI in der Buchhaltung für die Optimierung der Selbstbucher-Mandate ein.
Für die E-Rechnung hat die Kanzlei sogar ein eigenes GPT entwickelt und stellt es über seine Homepage bereit, um Unternehmer bei der Umstellung effizienter zu unterstützen. Auch intern wurde das Thema vorangetrieben: Das gesamte Kanzleiteam wurde laut Dein umfassend zu KI geschult.
Dank KI zufriedenere Mandanten
Auch in der F&S Steuerberatung hat sich KI etabliert. Dort wurde sie in diesem Jahr hauptsächlich im Bereich der Bescheidprüfung eingesetzt. Die Bescheide werden dabei von der KI eingelesen und automatisch ausgelesen. Anschließend prüft die KI auf mögliche Abweichungen und formuliert das Schreiben an den Mandanten. Abschließend erfolgt eine manuelle Kontrolle seitens der Kanzlei, bevor das Ergebnis an den Mandanten geschickt wird. "Der große Vorteil dieses Prozesses liegt in der signifikanten Zeitersparnis und der Qualitätssteigerung. Unsere frei gewordenen Kapazitäten können wir nun gezielt für die Beratung unserer Mandanten einsetzen, was deren Zufriedenheit und den Mehrwert unserer Arbeit erheblich erhöht", sagt Furat Al-Obaidi, Steuerberater und Inhaber der Kanzlei. "Ein besonders spannender Aha-Moment war für uns, wie viel präziser und effizienter die KI bei der Identifizierung von Abweichungen ist, als es mit rein manuellen Prüfprozessen möglich wäre." Natürlich gebe es noch Hürden, "vor allem in der kontinuierlichen Verbesserung der KI-Modelle und der Sicherstellung, dass sie immer auf dem neuesten Stand der gesetzlichen Vorgaben bleibt."
Bei fachlichen Anforderungen kann KI bisher nur bedingt helfen
Diese Beispiele verdeutlichen: Künstliche Intelligenz steigert bereits die Effizienz in vielen Kanzleien spürbar. Standardprozesse laufen schneller, fehlerfreier und konsistenter ab. Doch der Praxiseinsatz zeigt auch Grenzen auf. Zudem kommt es immer stark auf den Anwendungsfall an. "Wir geben die gleichen Fragen manchmal in verschiedene KI-Anwendungen ein und erhalten gegensätzliche Antworten. So viel zur Zuverlässigkeit", sagt Steuerberaterin Carola Kluge von der Kluge/Steinmüller Steuerberatungsgesellschaft.
Ihre Kanzlei testet KI auch für die Überarbeitung von Konzepten. Allerdings muss dazu aus Datenschutzgründen alles anonymisiert werden – was letztlich einen Mehraufwand bedeutet, wodurch positive Effekte wieder ausgeglichen werden. "DATEV extrahiert die sensiblen Daten, aber ist bisher nur eine Suchmaschine in der Datenbank. Wir müssen dieses Thema weiter vorantreiben", sagt Kluge. "Wir wünschen uns einen KI-Assistenten, der steuerliche Gestaltungen überprüft und uns auf Schwachstellen hinweist." Im Bereich der Buchhaltung und Lohnabrechnung würde die Kanzlei gern eine KI zur Überprüfung und Plausibilisierung der Ergebnisse einsetzen. "Bei immer mehr automatisierten Anwendungen und KI gestützter Verarbeitung von Daten benötigt es am Ende ebenfalls einen Prüfmechanismus mit KI."
Ergebnisse bei fachlicher Überprüfung durchgefallen
Auch andere Kanzleien haben in diesem Jahr durchwachsene Erfahrungen mit KI gemacht. Die Begeisterung für die Technologie wird vielerorts immer dann von Skepsis begleitet, wenn es um die tatsächliche Praxistauglichkeit und den nachhaltigen Mehrwert geht. Oft zeigt sich erst im alltäglichen Einsatz, ob insbesondere generative KI den fachlichen Ansprüchen genügt und die erwarteten Effizienzgewinne liefert. So hat Florian Fischer, Steuerberater und Geschäftsführer der Fischer&Reimann Steuerberatungsgesellschaft, in diesem Jahr generative KI genutzt – unter anderem, um Einsprüche vorzubereiten. "Die Ergebnisse sahen auf den ersten Blick sehr gut aus, hielten aber der fachlichen Überprüfung nicht stand. Der zeitliche Vorteil ist dann nicht mehr so groß, beziehungsweise ist er sogar negativ, weil man dem Ergebnis von Chatbots noch nicht trauen kann", so Fischer.
Seine Kanzlei nutzt bereits verschiedene KI-Tools in der täglichen Arbeit. "Und natürlich schauen wir uns neue Tools an, wenn sie vielversprechend klingen. Denn als ehemaliger Softwareentwickler habe ich auch ein persönliches Interesse an KI-Tools. Bislang ist mir aber noch keine Lösung aufgefallen, die mein berufliches Umfeld maßgeblich verändern würde", sagt Fischer. Die meisten der Kanzlei angebotenen "KI-Tools" würden keine künstliche Intelligenz beinhalten, sondern lediglich aus "if-then-else-Anweisungen" bestehen. "Hier sollte man sich als Kanzleiinhaber nicht blenden lassen", sagt Fischer. Nichtsdestotrotz werde der Markt weiter beobachtet.
In der Kanzlei Taxabl hingegen hat man eine klare Vision zum Einsatz von KI. "KI soll in Zukunft noch mehr Standardprozesse übernehmen", sagt Marcus Dein. Dazu gehören dem Steuerberater zufolge unter anderem intelligente, sichere Chatbots, die über Schnittstellen auf die Daten der Kanzlei zugreifen dürfen und Mandantenanfragen automatisiert beantworten können – "natürlich DSGVO-konform und in hoher Qualität." Außerdem möchten die Kanzlei KI stärker in Prüfprozessen, im Wissensmanagement und in komplexeren Automatisierungsabläufen einsetzen. "Sie wird für uns zunehmend zum digitalen Teammitglied, das uns Freiräume schafft, damit wir uns auf das konzentrieren können, was wirklich zählt: Beratung, Strategie und persönlicher Austausch mit unseren Mandanten", sagt Dein.
Noch Zukunftsmusik: KI als Frühwarnsystem
Während KI im Jahr 2025 schon den Arbeitsalltag in vielen Steuerkanzleien verändert hat, geht die Entwicklung weiter. Dadurch sind weitere Einsatzbereiche denkbar. Die F&S Steuerberatung sieht die Bedeutung der KI beispielsweise vor allem im Bereich der Beratung weiter wachsen. "Besonders im Kontext der E-Rechnung erwarten wir, dass die KI eine noch zentralere Rolle im Finanzbuchhaltungsprozess spielt", sagt Furat Al-Obaidi. Die Kanzlei verspricht sich von der Automatisierung von Routineprozessen, dass es ihr dadurch möglich sein wird, noch gezielter auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Mandanten einzugehen.
Fazit – KI kann erste Potenziale heben, aber es ist noch viel Luft nach oben
Das Jahr 2025 hat gezeigt, dass KI in der Steuerbranche angekommen ist. Nahezu alle Steuerkanzleien beschäftigen sich intensiv mit dem Thema, aber sie stoßen beim KI-Einsatz auch auf Herausforderungen. Während einige Kanzleien KI-Tools intensiv verwenden, bleibt bei anderen die Skepsis gegenüber dem tatsächlichen Nutzen. Dennoch gibt es klare Zukunftsvisionen, etwa den verstärkten Einsatz von KI bei Routineaufgaben, Prüfmechanismen und der Beratung. Aber auch darüber hinaus: "Unsere Vision ist, dass KI künftig in der Lage ist, aus den Zahlen der Finanzbuchhaltung automatisch relevante Kennzahlen zu extrahieren und ein Frühwarnsystem zu bilden, das uns hilft, potenzielle Risiken oder Chancen frühzeitig zu erkennen. So können wir unseren Mandanten eine proaktive, datengestützte Beratung bieten, die weit über die klassische Steuerberatung hinausgeht", sagt Furat Al-Obaidi. Für die Steuerbranche insgesamt sieht er großes Potenzial, KI als Unterstützungs- und Analysewerkzeug zu nutzen, um noch effizienter, präziser und individualisierter beraten zu können.
Taxulting wird die Entwicklung rund um den Einsatz von KI in den Steuerkanzleien weiter beobachten. Und wir werden spätestens in einem Jahr wieder nachfragen, inwieweit sich die Wünsche und Visionen aus 2025 erfüllt haben. Bis dahin – bleiben Sie gesund und kommen Sie gut ins Neue Jahr!
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