Zukunft der Steuerberatung

Entwicklung der Steuerberatungsbranche in Zeiten von KI & Venture Capital


Entwicklung der Steuerberatungsbranche in Zeiten von KI und PE

Die Steuerberatung steht an einem historischen Wendepunkt. Künstliche Intelligenz (KI), Private Equity (PE) und Venture Capital (VC), der fortschreitende und sich stetig verstärkende Fachkräftemangel und neue Steuerberatungskonzepte verändern die Branche wie nie zuvor. Diese Entwicklungen bereiten Steuerberater*innen zu Recht Sorge. Allerdings bieten sich auch vielfältige Chancen. In diesem Artikel wollen wir die genannten Entwicklungen und die Auswirkungen dieser beleuchten und Chancen für den Berufsstand aufzeigen.

Künstliche Intelligenz in der Steuerberatung

Künstliche Intelligenz (KI) verändert die Art, wie wir leben. KI hält Einzug in fast alle Bereiche unseres Lebens und automatisiert schon heute ganze Geschäftsfelder. So auch in der Steuerberatung. Die Entwicklung der KI ist rasant und wird sich auch in den kommenden Jahren exponentiell fortsetzen. Während ChatGPT im Jahre 2022 noch eine Art Monopol-Stellung hatte, gibt es heute zahlreiche andere Anbieter, die zu ähnlichen oder sogar besseren Ergebnissen führen.

Zusätzlich gibt es zunehmend Anbieter, die mithilfe künstlicher Intelligenz branchenspezifische Herausforderungen lösen. Zu Beginn von ChatGPT war es bspw. undenkbar, komplexe steuerliche Sachverhalte von der KI beantworten zu lassen.

Heute sieht das anders aus. KI-Anwendungen wie der Haufe Copilot Tax sind in der Lage, steuerliche Sachverhalte mit einer beeindruckenden Quote korrekt zu beantworten. Auch ChatGPT, Gemini & Co. beantworten steuerliche Fragestellungen häufig richtig. Die Kommunikation mit Mandanten, das Verfassen von Schriftsätzen, die Erstellung von Buchhaltungen u.v.m. können bereits heute durch den Einsatz von KI abgebildet werden.

Fakt ist: Häufig richtig, reicht in der Steuerberatung nicht aus. Eine KI haftet schließlich auch nicht für entstandene Fehler. Daher müssen die Ergebnisse gewissenhaft durch Steuerberater geprüft werden. 

Aber: Die KI wird von Tag zu Tag besser. Die Quote korrekter Antworten wird sich in Zukunft weiter erhöhen. KI-Agenten können ganze Arbeitsabläufe autark erledigen. Klassische Buchhaltung wir mit hoher Wahrscheinlichkeit zukünftig von KI & Co. zu großen Teilen erstellt werden können. Das bedeutet, dass Beratung und Kontrolle eine zunehmend große Rolle spielen werden.

Kurzum: Die KI wird den Berufsstand verändern. Wer KI als Chance begreift und sich mit dem Thema beschäftigt, profitiert bereits heute und vor allem in Zukunft. KI hat die Möglichkeit, Kanzleien zu entlasten und für Effizienzgewinne in allen Bereichen zu sorgen. Insbesondere in Zeiten des anhaltenden Fachkräftemangels ist das eine große Chance für den Berufsstand.

Nichtsdestotrotz: Wer sich nicht mit dem Einsatz künstlicher Intelligenz in Kanzleien beschäftigt, wird in Zukunft nicht mehr wettbewerbsfähig sein.

Investoren im Markt – Fluch oder Segen?

Private Equity und Venture Capital haben den steuerberatenden Markt als lukrative Investmentmöglichkeit erkannt und allein in diesem Jahr hunderte Millionen investiert.

Neben (größeren) Kanzleien, werden auch Unternehmen aus dem Tax-Tech Bereich aufgekauft. Ein logischer Schritt.

Grundsätzlich: Investitionen in den steuerberatenden Markt sind aus investorischer Sicht mehr als verständlich. Die Branche gilt als sicher. Honorare sind von der Steuerberatergebührenverordnung abgesichert (diese wurde vor kurzem erhöht). Es gibt einen deutlichen Nachfrageüberhang. Kanzleien sind, verglichen mit anderen Branchen, günstig zu erwerben. Hinzu kommt: Die Branche ist vergleichsweise wenig digitalisiert.

Das Ziel der Investoren ist somit nachvollziehbar: Prozesse und Dienstleistungen digitalisieren, um so dem Fachkräftemangel aus dem Weg zu gehen. Umsatz günstig einkaufen und Synergien nutzen.

Soweit so gut, aber was bedeutet das für die Steuerberatung?

Ein Großteil der Steuerberater ist selbstständig, meistens mit der eigenen Kanzlei. Der Wettbewerb wird durch die Investitionen deutlich verschärft. Ausgaben für Marketing & Co. werden steigen. Das ist bereits heute erkennbar. Gelingt es den Investoren, die Branche zu automatisieren und flächendeckend effizientere Modelle anzubieten, werden mittelfristig auch die Preise für steuerberatende Leistungen sinken. Die Investitionen stellen also insbesondere für Kanzleiinhaber eine Bedrohung dar. Insbesondere Einzelkanzleien werden es schwer haben, mit den Entwicklungen Schritt zu halten.

Aber: Die aktuelle Situation zeigt, dass die Investoren insbesondere größere oder mittelständische Kanzleien aufkaufen. Teilweise hört man sogar das sehr ambitionierte Ziel, den sog. Big4 Konkurrenz zu machen. Die so gegründeten Gesellschaften werden es folglich primär auf den Mittelstand und größere Unternehmen "absehen". Kleine und mittelständische Kanzleien sprechen ohnehin eine andere Zielgruppe an. Wer sich spezialisiert, wird auch zukünftig Erfolg haben. Spannend wird es, wenn Investoren es auf diese Zielgruppe absehen. Erste Entwicklungen dahingehend sind bereits erkennbar.

Fraglich ist auch, wie der Gesetzgeber auf diese Entwicklungen reagiert. Im Referentenentwurf zum Steuerberatungsgesetz wurde das Fremdbesitzverbot geschärft. Künftig soll die Mehrheit der Stimmrechte und die Mehrheit der Geschäftsführung zwingend bei Steuerberaterinnen oder Steuerbevollmächtigten liegen.

Damit wird ein klares Signal gesendet: Die Branche soll nicht vollständig der Finanzindustrie überlassen werden. Bereits gegründete Gesellschaften genießen Bestandsschutz, doch laufende Investitionspläne müssen angepasst oder sogar aufgegeben werden.

Noch ist der Entwurf nicht Gesetz. Doch er zeigt deutlich, dass die Branche versucht, eine Balance zu finden zwischen der Öffnung für Kapital und dem Schutz der Eigenständigkeit des Berufsstandes. Es bleibt spannend.

Fachkräftemangel als Dauerkrise

Die genannten Entwicklungen werden den Markt in Zukunft in Atem halten. Eine Herausforderung, die hingegen bereits seit vielen Jahren besteht und sich aktuell weiter zuspitzt, ist der Fachkräftemangel. Die Zahl der Berufsträger sinkt, Auszubildende werden rar, und die demografische Entwicklung verschärft die Situation weiter. Viele Kanzleien arbeiten am Limit, Mandatsanfragen müssen abgelehnt werden, und die Einhaltung von Fristen wird zur Herausforderung.

Der Fachkräftemangel ist kein vorübergehendes Problem, sondern eine strukturelle Realität. Kanzleien, die es nicht schaffen Mitarbeiter zu binden, weiterzubilden und moderne Arbeitsbedingungen zu bieten, werden langfristig nicht wettbewerbsfähig bleiben.

Ökonomischer Druck und sinkende Kanzleipreise

Die wirtschaftliche Lage wirkt ebenfalls belastend. Mandanten achten stärker auf Preise, erwarten zeitgleich aber digitale Lösungen und persönliche Betreuung. Das führt zu einer paradoxen Situation: steigende Anforderungen bei sinkender Zahlungsbereitschaft.

Auch auf dem Markt für Kanzleiverkäufe zeigt sich der Druck deutlich. Während früher ein Jahresumsatz mit dem Faktor 1 bis 1,5 multipliziert wurde, liegen die Faktoren heute oft nur noch bei 0,3 bis 0,8. Viele Inhaber müssen akzeptieren, dass ihre Kanzlei am Markt nur noch einen Bruchteil dessen wert ist, was sie einst erhofft hatten.

Chancen für Steuerkanzleien

Trotz dieser Herausforderungen und Risiken bietet die Disruption auch neue Möglichkeiten. KI kann Prozesse effizienter machen, Investoren können Struktur und Kapital einbringen, Spezialisierung schafft neue Märkte. Die entscheidende Frage ist, ob Kanzleien diese Chancen ergreifen oder den Entwicklungen passiv gegenüberstehen.

Besonders erfolgversprechend erscheinen folgende Ansätze:

  • Automatisierung und Digitalisierung zur Steigerung von Effizienz und Kapazität
  • Spezialisierung auf komplexe Themenfelder, die beratungsintensiv sind
  • Attraktive Arbeitsmodelle zur Bindung und Gewinnung von Fachkräften
  • Professionalisierung der Strukturen, um den Kanzleiwert langfristig zu sichern
  • Proaktive Mandantenkommunikation, um das Image des reinen Verwalters zu überwinden

Fazit: Ein nüchterner Blick nach vorn

Die Steuerberatung befindet sich in einem epochalen Wandel. Künstliche Intelligenz, internationale Investoren, Fachkräftemangel und Regulierung verändern die Spielregeln gleichzeitig. Wer diese Entwicklungen ignoriert, wird den Anschluss verlieren – sei es durch Überlastung, Mandatsverluste oder sinkende Kanzleipreise.

Doch ebenso klar ist: Wer die Chancen nutzt, kann stärker aus der Krise hervorgehen. Die Zukunft der Steuerberatung wird nicht einfacher, aber sie bleibt vielversprechend für diejenigen, die bereit sind, das Geschäftsmodell neu zu denken. Schon jetzt sieht man, dass sich die Schere weiter öffnet. Kanzleien, die die Entwicklungen aktiv annehmen und für sich nutzen, profitieren schon heute. Der Rest läuft Gefahr, abgehängt zu werden.

Steuerkanzleien müssen sich als Unternehmen begreifen, die geführt, modernisiert und strategisch ausgerichtet werden müssen. Nur so wird es gelingen, den Umbruch nicht als Bedrohung, sondern als Gelegenheit für einen nachhaltigen Neuanfang zu sehen.


Schlagworte zum Thema:  Steuerberatung , Kanzleiführung
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