Steuerkanzlei: Customer Journey der Neumandanten

Alle Kontaktpunkte, die ein potentieller neuer Mandant während der Anbahnungsphase durchläuft, sollten so gestaltet sein, dass für beide Seiten klar ist, wo die Reise hin geht und ob sie zusammenpassen. Um dies zu erreichen, muss die Customer Journey aktiv gestaltet werden.

Wie viele Mandanten gewinnen Sie pro Jahr neu dazu? Und sind es genau die Art Mandanten, die Ihre Kanzlei weiterbringen? Auch oder gerade wenn das Thema "Mandantenakquise" momentan nicht ganz oben auf Ihrer Agenda steht, weil Sie und Ihre Mitarbeiter genug zu tun haben und gute Fachkräfte Mangelware sind: Was wäre, wenn es Ihnen gelingt, die "richtigen" Mandanten zu gewinnen und von Anfang an so anzusprechen, dass die Art der Zusammenarbeit, Beratungsumfang und Honorar für beide Seiten passen?

Die Zielgruppe und den Entscheidungsprozess definieren

Die erste Frage, um die Kontaktpunkte aktiv zu gestalten, lautet: Wen wollen Sie ansprechen? Wer ist Ihre Zielgruppe? Die Frage nach der Zielgruppe ist generell für jede Marketingaktion erfolgsentscheidend. Je genauer Sie wissen, an wen Sie sich wenden wollen, desto besser können Sie die Erwartungshaltung steuern.

Die Grundunterscheidung zwischen Unternehmern und Privatpersonen ist schon mal ein Anfang. Doch birgt dies noch zu hohe Streuverluste. Wenn Sie einen Fachberatertitel haben oder Experte für eine Branche oder bestimmtes Thema sind, sind das gute Ansatzpunkte, um die Zielgruppe zu definieren.

Für die Customer-Journey geht man inzwischen sogar einen Schritt weiter und erstellt sogenannte Buyer-Personas. Aus der gesichtslosen Masse einer Zielgruppe wie beispielsweise "Handwerker im Umkreis von 50 km" wird ein persönliches Profil des idealen Wunschkunden erstellt. Es enthält dessen Zielen, Entscheidungs- und Kaufverhalten bis hin zu persönlichen Interessen. Das hat den Vorteil, dass Sie viel genauer die Frage "Was erwartet mein idealer Kunde?" beantworten und dessen Kaufprozess nachvollziehen können.

Daraus abgeleitet wird dann die Buyer´s Journey, also der Prozess wie jemand Kaufentscheidungen trifft. Und der ist von Produkt zu Produkt und Persona unterschiedlich. Sie erstellen also sinnvollerweise mehrere Customer Journeys für in der Regel 3 bis 5 Mandantengruppen. Die Marketingaktivitäten zielen dann darauf ab, beim potenziellen Mandanten in den verschiedenen Entscheidungsphasen sichtbar zu sein ( hier ein verkürztes Beispiel, welchen Prozess ein Handwerker durchläuft, der seinen Papierkram loswerden will).

Eine detaillierte Zielgruppendefinition z.B. bei Unternehmen mit Branche, Unternehmensstruktur (Umsatzgröße, Mitarbeiterzahl), regional oder überregional, Unternehmensphase (Gründung, Expansion, Nachfolge) liefert Ihnen schon erste wichtige Hinweise. Bleiben wir bei dem Beispiel "Handwerker im Umkreis von 50 km" und erweitern wir es um Familienunternehmen und die Anzahl 12 Mitarbeiter. Beantworten Sie aus dieser Perspektive folgende Fragen (bezogen auf die wirtschaftliche Situation):

  • Welche Fragen stellt sich dieser Unternehmer aktuell oder was beschäftigt ihn dauerhaft?
  • Welche Themen würde solch ein Unternehmer googeln?
  • Was lässt ihn nachts nicht schlafen?
  • Was bedeutet für ihn Erfolg?
  • Welche Ziele möchte er erreichen?
  • Wie erreicht er seine Ziele?
  • Welche Herausforderungen hat dieser Unternehmer in Zukunft?

Mit dieser Fülle an Informationen können Sie Ihre Mandantenansprache gestalten, indem Sie passende Antworten zu den Fragen finden und zielgruppengerecht aufbereiten.

Tipp: Wenn Ihnen zu diesen Fragen auf Anhieb nichts einfällt

  1. Fragen Sie einen oder mehrere Ihrer Mandanten, die in diese Zielgruppe passen. Bei einem zwanglosen Mittagessen wird Ihnen der Mandant gern Rede und Antwort stehen und positiv werten, dass Sie sich so für ihn und sein Unternehmen interessieren. 
  2. Fragen Sie Google. Sie werden überrascht sein, wie viele und welche Ergebnisse Sie auf die Frage "Die größten Ängste der Handwerker" bekommen.
Doch auch bei vielen anderen Themen unterscheidet sich die Sichtweise des Unternehmers und die der Kanzlei, so dass Sie über die Gespräche oder Google-Suche die Perspektive besser wechseln können. Sie als Steuerberater denken vermutlich "Dienstwagen, 1%-Regel", der Handwerker grübelt dagegen über "Werkstattwagen privat nutzen".

Hinter jedem Kontaktpunkt stehen die Fragen, die sich der Interessent stellt und auf die Sie eine passende Antwort geben. Am besten so, dass der Interessent, der beispielsweise auf Schnäppchenjagd ist, gleich merkt, dass Sie Ihren Preis wert sind. Papier-Fans sollen gleich sehen, dass Sie Spezialist für digitale Zusammenarbeit und Cloud-Lösungen sind und dass die Bereitschaft hierzu bei Ihnen die Voraussetzung für die Mandatsannahme ist.

In all diesen Phasen gibt es auch eine Ausstiegsmöglichkeit, die es sowohl dem Mandanten als auch der Kanzlei ohne Gesichtsverlust und Arbeitseinsatz ermöglicht, die Zusammenarbeit erst gar nicht zu beginnen.

Hinweis: Darum ist die Ausstiegsmöglichkeit so wichtig

Warum ist das so wichtig? Wenn ein Interessent erst einmal in Ihre Kanzlei zum Erstgespräch kommt, liegt die Wahrscheinlichkeit bei 90 %, dass er auch Mandant wird. An dieser Stelle wagt es kaum noch jemand, einen Rückzieher zu machen und den Mandanten hinaus zu komplimentieren – selbst wenn das Bauchgefühl schon sagt, dass es nicht passen wird. Und so holen Sie sich sehenden Auges "Ärger" ins Haus und schaffen Unzufriedenheit – beim Mandanten, der Ihre Arbeit nicht schätzt und beim Mitarbeiter, der jeden Monat aufs Neue leidet.

Die Webseite als erste Anlaufstelle

Nach wie vor ist die Weiterempfehlung ein zentraler Auslöser für Mandatsanfragen. Der erste Kontakt des Interessenten mit Ihrer Kanzlei läuft allerdings über Ihre Webseite. Denn bevor jemand zum Hörer greift, um einen Termin zu vereinbaren, wird sich der potenzielle Mandant zumindest ein Bild von Ihrer Kanzlei machen. Findet er jetzt die typische Aufzählung eines Kanzleiangebots nach dem Motto "Wir machen Buchführung, Jahresabschluss, Steuererklärung", dann haben Sie die erste Chance verpasst. Vermitteln Sie bereits auf der Startseite, mit welcher Art Mandanten Sie am liebsten zusammenarbeiten und welche Beratungsthemen bei Ihnen im Vordergrund stehen.

Beispiel: Checkliste "Sie passen zu uns" für Interessenten

  • Unternehmer mit bis zu 25 Mitarbeitern,
  • digital versiert oder zumindest interessiert,
  • aus der Region im Umkreis von 50 km,
  • wollen Ihr Unternehmen vorwärts bringen,
  • wünschen sich Zusammenarbeit auf Augenhöhe,
  • haben ein Händchen für das Sortieren der Belege (falls Sie keine Schuhkartonmandanten wollen),
  • kommen aus Handel, Handwerk, Industrie (falls Sie keine Gastronomen wollen können Sie auch schreiben "Ihre Kunden zahlen überwiegend auf Rechnung und bargeldlos").

Und ergänzen Sie diese Checkliste mit dem Satz: "Sie haben von einem unserer bestehenden Mandanten eine Empfehlung erhalten? Dann sprechen Sie uns an, es müssen nicht immer alle Kriterien erfüllt sein, damit wir zusammenpassen."

Ergänzend können Sie Ihre Wunschmandanten in Form von Referenzen und Fallstudien präsentieren. Ein Interessent, der sich dabei wiedererkennt, bekommt so eine wesentlich stärkere Motivation, mit Ihnen Kontakt aufzunehmen.

Bieten Sie dann auf der Webseite alle Optionen zur Kontaktaufnahme an. E-Mail-Adresse und Telefon mit den Erreichbarkeitszeiten sind selbstverständlich, doch im digitalen Zeitalter gibt es noch weitere hilfreiche Tools, die den ersten Schritt für den Interessenten leichter machen:

  • Kontaktformular (DSGVO-konform), so einfach wie möglich, sonst bricht der Interessent ab,
  • Rückrufservice mit einem Callback-Button auf der Webseite,
  • ein Buchungssystem mit Online-Kalender, z. B. www.etermin.net,
  • Live Chat-Funktion auf der Webseite, z. B. www.zendesk.de.

Damit zeigen Sie Ihre Serviceorientierung und natürlich auch digitales Know-How.

Die erste automatische Rückmeldung

Je nachdem, welchen Weg der Interessent gewählt hat, gibt es jetzt eine automatische oder eine persönliche Rückmeldung. Klingt Ihr Standardtext nach Standard oder löst er gleich ein positives Gefühl beim Leser aus? Lassen Sie auch eine automatische Rückantwort persönlich klingen: "Herzlichen Dank für Ihre Nachricht. Gern kümmern wir uns um Ihr Anliegen und melden uns in Kürze. Bis dahin beste Grüße wünscht Annegret vom Serviceteam." Am besten ist in der Signatur auch das Foto von Annegret und lächelt den Empfänger freundlich an.

Das erste Telefonat

Nicht jede Kanzlei hat einen professionell geschulten Empfangsmitarbeiter. Erstellen Sie deshalb einen Gesprächsleitfaden für den ersten Kontakt.

Hier einige Formulierungstipps für den telefonischen Erstkontakt:

Diese Frage „Wie sind Sie auf uns gekommen?“ wird bereits von vielen gestellt und gibt Aufschluss über die Wirksamkeit Ihrer Marketingmaßnahmen bzw. Empfehlungsaktivitäten. Mit der Erweiterung "Und wo haben Sie sich im Vorfeld über uns informiert?" erfahren Sie mehr über das Informationsverhalten und können bei Bedarf noch gezielter weiterfragen, beispielweise "Schön, dass Sie unsere Webseite besucht haben, welcher Punkt war besonders ansprechend für Sie?"

Häufig fragen Interessenten schnell nach dem Preis Ihrer Leistungen. Selbst wenn Sie einen fertigen Dienstleistungskatalog haben, lässt sich diese Antwort in den meisten Fällen aber nicht adhoc beantworten. Ganz abgesehen davon, dass es als Gesprächseinstieg auch nicht sinnvoll ist.

Doch ein lapidares "Es kommt darauf an" ist nicht sehr mandantenorientiert. Eine elegante Überleitung schaffen Sie mit einer Gegenfrage: "Damit wir Ihnen ein seriöses Angebot machen können, darf ich Ihnen vorweg kurz ein paar Fragen stellen?"

Nachdem Sie bzw. der Mitarbeiter sich das ok abgeholt haben, können Sie jetzt die Rahmendaten abfragen und natürlich auch gleich darauf hinweisen, welche Art Mandanten Ihre Kanzlei annimmt. Bieten Sie zum Ende des Gesprächs einen Kennenlern-Termin an. Lehnt der Interessent das ab und will er zuerst einen Preis hören, können Sie antworten: "Ich verstehe, dass der Preis für Sie eine so große Rolle spielt, dass er ausschlaggebend für eine Zusammenarbeit ist. Unser Verständnis von Zusammenarbeit weicht davon ab. Für uns steht die Chemie und das Vertrauen an erster Stelle, deshalb passen wir offensichtlich nicht zusammen. Sicher finden Sie eine andere Kanzlei, die Ihre Erwartungen an dieser Stelle erfüllt."

Vor dem ersten Besuch

Von der Terminvereinbarung bis zum Kennenlern-Gespräch vergehen in der Regel ein paar Tage. Nutzen Sie diese Zeit, um den Termin für beide Seiten optimal vorzubereiten. Eine E-Mail mit Besprechungspunkten und erforderlichen Unterlagen – selbst wenn es telefonisch bereits abgeklärt ist – einige Tage vorher ist Pflicht. Auch hier können Sie mit Extras punkten:

  • Anfahrtsbeschreibung, Parkplatzmöglichkeiten, wie sieht Ihr Eingang aus, wer öffnet die Tür – schaffen Sie von vornherein eine vertraute Atmosphäre.
  • Videobotschaft – technisch heutzutage mit geringem Aufwand machbar. Präsentieren Sie in diesem Video gleich die zentralen Eckpfeiler der Zusammenarbeit, wer in der Kanzlei arbeitet, wie der Belegfluss laufen wird usw. Das Video kann 3 bis 5 Minuten dauern. Kommt der Mandant dann "unvorbereitet" und hat sich nicht einmal die Zeit dafür genommen, ist das ein Indiz dafür, dass er auch später kein guter "Zulieferer" wird.

Das Kennenlern-Gespräch und die Spielregeln der Zusammenarbeit

Ein angenehmes Raumklima, Getränke und ungeteilte Aufmerksamkeit schaffen eine gute Atmosphäre. Interessenten und Neumandanten sind grundsätzlich aufgeschlossen für alle Informationen und Angebote, die Sie machen. Führen Sie also ganz konkret jetzt das Erwartungsgespräch. Mithilfe von "Spielregeln der Zusammenarbeit" können Sie aufzeigen, was der Mandant von Ihnen erwarten kann und was Sie im Gegenzug von ihm erwarten.

Auch das können Sie natürlich zielgruppengerecht formulieren. Hier das Beispiel einer Steuerberaterin, die sich auf Existenzgründer spezialisiert hat:

  1. Feel Good: Belege, Steuern, Finanzamt & Co. – für den einen notwendiges Übel für den anderen Berufung. Egal wie stressig es mal wird, mit einem Lächeln und lockeren Spruch kriegen wir das hin.
  2. To Do´s: Damit wir alles für Dich reibungslos und fristgerecht erledigen, bekommst Du auch von uns das ein oder andere To Do. Betrachte uns wie einen Deiner Projektkunden und wir unterstützen Dich, damit Du In Time liefern kannst.
  3. Erreichbarkeit: Dir stehen alle Kanäle zur Verfügung. Am einfachsten ist es, wir vereinbaren bei Bedarf per WhatsApp einen Skype-Termin – das gilt natürlich in beide Richtungen.
  4. Zahlen, bitte: Von uns bekommst Du Deine Unternehmenszahlen geliefert und wir helfen Dir dabei, Dein Start Up zum Erfolg zu führen. Unser Honorar dafür ist fair und am einfachsten erteilst Du uns Lastschrifteinzug. Dann brauchst Du Dich an der Stelle um nichts mehr kümmern.
  5. Weitersagen: Wir tun alles, damit es Dir gut geht und du zufrieden bist. Wenn wir das geschafft haben, wäre es toll, wenn Du in Deinen Netzwerken davon berichtest.

Welche Punkte hier stehen, hängt natürlich von Ihrer Kanzleistrategie ab. Und im Gespräch können Sie die einzelnen Punkte konkretisieren. Entscheidend ist, dass Sie damit die Erwartungshaltung steuern und die Weichen für gute Zusammenarbeit stellen.


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