Änderung des Veranlagungswahlrechts durch den Insolvenzverwalter

Nach Insolvenzeröffnung entstandene Einkommensteuer-Nachzahlungen, die auf Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit beruhen, stellen keine Masseverbindlichkeiten des Insolvenzverwalters dar, sondern richten sich gegen das insolvenzfreie Vermögen des Insolvenzschuldners.

Dieser Grundsatz gilt nach der Rechtsprechung des BFH auch dann, wenn pfändbarer Arbeitslohn zur Masse gelangt ist (Urteil v. 24.2.2011, VI R 21/10, BStBl 2011 II S. 520). Folgerichtig werden Steuerbescheide mit Nachzahlungsbeträgen ausschließlich dem Insolvenzschuldner bekannt gegeben. 

Erstattungsansprüche stehen dagegen der Insolvenzmasse zu

Einkommensteuererstattungen, die vor und während des Insolvenzverfahrens entstanden sind und aus einer LSt-Überzahlung resultieren, gehören dagegen in vollem Umfang zur Insolvenzmasse (BFH, Beschluss v. 29.1.2010, VII B 188/09). Dies gilt auch, wenn der Erstattungsanspruch durch LSt-Überzahlung aus pfändungsfreien Arbeitslohn entstanden ist. Solche Bescheide werden daher dem Insolvenzverwalter bekannt gegeben. 

Problem bei Ehegatten

Ergeht gegenüber Ehegatten ein Bescheid über eine Einkommensteuernachzahlung, stellt sich daher die berechtigte Frage, ob der Insolvenzverwalter vor der Unanfechtbarkeit die Befugnis hat, gegen den an den Insolvenzschuldner bekannt gegebenen und ausdrücklich gegen das insolvenzfreie Vermögen gerichteten Einkommensteuerbescheid Einspruch einzulegen um die Durchführung einer Einzelveranlagung von Ehegatten (ab 2013) statt vorher der Zusammenveranlagung zu erreichen. Dieser Fall tritt vor allem dann auf, wenn der Insolvenzschuldner nach der Steuerklasse 5 besteuert wurde und der Insolvenzverwalter mit der Einzelveranlagung eine Steuererstattung zugunsten der Insolvenzmasse erzielen kann.

Beispiel mit der Steuerklassenkombination III/V

Ehegatte B ist seit 15.5.2014 im Insolvenzverfahren. Ehegatte A wird nach der Steuerklasse 3 und B nach der Steuerklasse 5 besteuert. A und B haben ausschließlich Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Laut dem Einkommensteuerbescheid 2015, welcher ausschließlich den Eheleuten bekannt gegeben wurde, ergab sich eine Nachzahlung. Da B ihrem Insolvenzverwalter eine Abschrift des Bescheides zukommen ließ, legte dieser Einspruch ein und beantragte nachträglich die Einzelveranlagung von Ehegatten, weil sich in diesem Fall für B eine Erstattung ergibt.

Finanzamt lässt Einspruch nicht zu  

Im Rahmen eines Verfahrens beim FG Münster war das beklagte Finanzamt aufgrund der formellen Bescheidlage der Auffassung, dass es keine verfahrensrechtliche Möglichkeit gibt, ohne Zustimmung der Steuerpflichtigen einen Antrag auf (im Urteilsfall) getrennte Veranlagung (bis 2012) zu stellen, da der betreffende Einkommensteuerbescheid zu Recht nicht dem Insolvenzverwalter, sondern den Steuerpflichtigen bekanntgegeben worden sei. Der Insolvenzverwalter sei nicht verfügungsbefugt, weil der Einkommenssteuerbescheid nur das insolvenzfreie Vermögen des Insolvenzschuldners betreffe.

Praxis-Tipp: Abweichende Auffassung des FG Münster

Das FG Münster ist aber anderer Auffassung (Urteil v. 21.4.2016, 2 K 2410/14 E, EFG 2016 S. 649). Das Finanzamt habe eine getrennte Veranlagung für den Insolvenzschuldner durchzuführen. Der Insolvenzverwalter sei befugt, eine getrennte Veranlagung zu beantragen, weil bei Insolvenz eines Ehegatten, stehe das Veranlagungswahlrecht dem Insolvenzverwalter zu (BFH, Beschluss v. 22.3.2011, III B 114/09). Dieses Wahlrecht gehöre zu den Rechten eines Insolvenzverwalters, weil es sich um ein vermögensbezogenes und damit der Insolvenzmasse zuzuordnendes Recht handelt. Zur Insolvenzmasse gehöre das gesamte Vermögen des Insolvenzschuldners einschließlich des Vermögens, das er während des Verfahrens erlangt. Lediglich nicht pfändbare Gegenstände seien ausgenommen. Einkommensteuererstattungsansprüche seien jedoch auch dann pfändbar, wenn der Insolvenzschuldner ausschließlich pfändungsfreien Arbeitslohn bezogen hat. Da der Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes befugt sei, den Einspruch einzulegen, sei es unerheblich, dass der Bescheid nicht ihm gegenüber bekannt gegeben worden ist.

Revisionsverfahren anhängig  

Der Entscheidung des FG ist trotz der formellen Bescheidlage zuzustimmen. Der Insolvenzverwalter hätte ansonsten keine Möglichkeit, seinem Veranlagungswahlrecht zugunsten der Insolvenzmasse nachzukommen. Gegen die Entscheidung des FG Münster läuft aber ein Revisionsverfahren vor dem BFH, welches es abzuwarten gilt. Es liegt daher auf der Hand, dass vergleichbare Fälle offengehalten werden sollten, bis der BFH über die anhängige Revision (Az. der Revision: III R 12/16) entschieden hat.