Leitsatz (amtlich)
Art. X DBA-Indien, der den Gewinn aus der Veräußerung einer Beteiligung an einer Gesellschaft mit Sitz in Indien dem indischen Staat zur Besteuerung zuteilt, schließt eine Abschreibung dieser Beteiligung auf den niedrigeren Teilwert nach deutschem Steuerrecht nicht aus.
Normenkette
DBA IND Art. 10, 16 Abs. 3a; KStG § 6 Abs. 1 S. 1; EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH mit Sitz im Inland, gründete im Jahr 1960 zusammen mit indischen Staatsangehörigen in Indien eine Kapitalgesellschaft des indischen Rechts. Sie übernahm von dem Stammkapital von 1 000 000 Rupien 51 v. H. (= 445 638 DM) und brachte Maschinen und maschinelle Anlagen in die Gesellschaft ein. In den Jahren 1962 bis 1964 wies die Klägerin in ihren Bilanzen Wertberichtigungen zu der Beteiligung an der indischen Kapitalgesellschaft aus. Die Wertberichtigung in der Bilanz zum 31. Dezember 1962 betrug 227 819 DM.
Der Beklagte und Revisionskläger (FA) ließ die Wertberichtigungen nicht zu, da Art. X des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung von Indien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung des Einkommens vom 18. März 1959 - DBA-Indien - (BGBl II 1960, 1829, BStBl I 1960, 429) den Gewinn aus der Veräußerung einer Beteiligung an einer Gesellschaft mit Sitz in Indien dem indischen Staat zur Besteuerung zuteile und deshalb auch ein Veräußerungsverlust und eine Wertminderung bei der deutschen Besteuerung nicht zu berücksichtigen seien.
Die Sprungklage hatte zum Teil Erfolg. Das FG hat für das Streitjahr 1962 eine Wertberichtigung von 111 409 DM als berechtigt anerkannt und den Körperschaftsteuerbescheid 1962 entsprechend geändert. Die Klage gegen die Körperschaftsteuerbescheide 1963 und 1964 hat das FG als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung hat das FG ausgeführt, die von der Klägerin begehrten Wertberichtigungen zur Beteiligung an der indischen Kapitalgesellschaft könnten nicht schon im Hinblick auf das DBA-Indien dem Grunde nach abgelehnt werden, die Wertberichtigungen seien aber der Höhe nach nur mit 25 v. H. des Bilanzansatzes gerechtfertigt.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des FA, mit der Verletzung des § 3 Nr. 41 EStG, § 6 Abs. 1 KStG und des DBA-Indien gerügt wird. Das FA beantragt, das Urteil des FG bezüglich des Streitjahres 1962 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Der BdF ist dem Verfahren beigetreten. Er vertritt folgende Auffassung: Entsprechend internationalen Grundsätzen seien mit den Gewinnen aus der Veräußerung einer Beteiligung auch Verluste angesprochen. Aus dem Sinn der Art. XVI Abs. 3 Buchst. a und X DBA-Indien folge weiter, daß auch ein Wertzuwachs und ein Wertverlust bei der Besteuerung durch den Wohnsitzstaat unberücksichtigt bleiben sollten. Sonst könne es zu einer doppelten Besteuerung des Gewinns oder zu einer doppelten Steuerminderung durch den Verlust kommen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die Wertberichtigung zu der Beteiligung der Klägerin an der indischen Kapitalgesellschaft ist durch Art. X DBA-Indien nicht ausgeschlossen.
Nach deutschem Steuerrecht ist die Abschreibung der Beteiligung auf den niedrigeren Teilwert zulässig (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG, § 6 Abs. 1 Satz 1 KStG). Nach Art. X DBA-Indien können Gewinne aus dem Verkauf, Tausch oder der Übertragung beweglicher oder unbeweglicher Vermögenswerte in dem Gebiet besteuert werden, in dem sich die Vermögenswerte im Zeitpunkt des Verkaufs, Tausches oder der Übertragung befinden. Dabei gelten die Anteile an einer Gesellschaft als in dem Gebiete befindlich, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat. Veräußerungsgewinne, die damit in Indien besteuert werden können, sind von der Bemessungsgrundlage für die Besteuerung der Bundesrepublik Deutschland ausgenommen (Art. XVI Abs. 3a DBA-Indien).
Durch Art. X DBA-Indien werden nicht "Einkünfte", d. h. der Gewinn oder der Verlust als Saldo zwischen den Aufwendungen und den Erträgen eines Unternehmens, einem Staat zur Besteuerung zugeteilt, sondern eine einzelne Ertragsart, nämlich der Gewinn aus der Veräußerung eines Vermögensgegenstandes. Es kann im Streitfall auf sich beruhen, ob - ähnlich wie bei der Zuteilung von Einkünften eines Unternehmens (Urteil des BFH vom 28. März 1973 I R 59/71, BFHE 109, 127, BStBl II 1973, 531) - nach Art. X DBA-Indien nicht nur das positive Ergebnis (der Gewinn), sondern auch das negative Ergebnis (der Verlust) aus der deutschen Besteuerung ausscheidet. Der klare Wortlaut des Art. X DBA-Indien, der nur den verwirklichten Gewinn aus der Veräußerung erfaßt, läßt es jedenfalls nicht zu, dem Gewinn oder Verlust aus der Veräußerung von Vermögensgegenständen den Ertrag aus einer Zuschreibung zu Vermögensgegenständen oder den Aufwand aus einer Abschreibung oder Wertberichtigung von Vermögensgegenständen gleichzustellen.
Die Abschreibung der Beteiligung auf den niedrigeren Teilwert ist auch nicht durch § 13 KStG 1961 ausgeschlossen, da sie keine "Ausgabe" im Sinne dieser Vorschrift darstellt (BFH-Urteil vom 2. Februar 1972 I R 54-55/70, BFHE 104, 438, BStBl II 1972, 397).
Gegen die Ermittlung der Höhe der Wertberichtigung durch das FG bestehen keine rechtlichen Bedenken.
Fundstellen
Haufe-Index 70621 |
BStBl II 1973, 873 |
BFHE 1974, 285 |