Entscheidungsstichwort (Thema)
Mittelbare Grundstücksschenkung bei teilfinanziertem Gebäudeanbau
Leitsatz (NV)
1. Die Grundsätze der mittelbaren Grundstücksschenkung können auch auf grundstücksbezogene Verwendungen -- wie etwa den Anbau an ein bereits bestehendes Gebäude des Bedachten --, deren Kosten von dem Zuwendenden schenkweise ganz oder teilweise getragen werden, Anwendung finden.
2. Liegt eine mittelbare Grundstücksschenkung in Gestalt eines teilfinanzierten Gebäudeanbaus vor, so bestimmt sich der der Schenkungsteuerveranlagung zugrunde zu legende Wert nach dem bewertungsrechtlich zu ermittelnden Wertzuwachs.
Normenkette
ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 12 Abs. 2-3; BGB § 516 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Miteigentümerin zu einhalb eines Grundstücks. Mit notariellem Vertrag vom 10. Dezember 1991 vereinbarten die Klägerin und ihre Schwester, daß diese der Klägerin einen Geldbetrag in Höhe von 90 000 DM unter der Auflage schenke, diesen Betrag ausschließlich für die Herstellungskosten des neu zu errichtenden Anbaus auf dem genannten Grundstück zu verwenden. Weiter wurde vereinbart, das Geld auf ein Baukonto einer Gesellschaft bestehend aus der Klägerin und der weiteren Miteigentümerin des Grundstücks zu überweisen. In dem notariellen Vertrag heißt es weiter, die Schwester übernehme mit der Geldschenkung anteilig die Kosten für den Anbau des vorstehend genannten Geschäftshauses. Eine anderweitige Verwendung des Geldbetrages sei damit ausgeschlossen. Schenkungsgegenstand sei somit der neu zu errichtende Anbau auf dem im Vertrag genannten Grundstück.
Nach der Durchführung von baulichen Maßnahmen einschließlich der Errichtung des Anbaus auf dem Grundstück der Klägerin wurde mit Einheitswertbescheid vom 4. November 1994 der Einheitswert des Grundstücks, eines Geschäftsgrundstücks, von bisher 54 500 DM auf 159 200 DM fortgeschrieben; hiervon entfielen auf den Anbau 22 329 DM. Entsprechend dem Verhältnis der von der Schenkerin aufgewendeten Geldmittel zu den Herstellungskosten des Anbaus betrug die der Klägerin zugute kommende Werterhöhung (22 329 DM x 28,63 % x 140 % =) 8949,90 DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) wertete die vereinbarte Schenkung als Geldschenkung in Höhe von 90 000 DM und setzte mit Bescheid vom 1. Juli 1992 gegen die Klägerin Schenkungsteuer in Höhe von 11 200 DM fest.
Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage begehrte die Klägerin, die Schenkung als mittelbare Grundstücksschenkung zu behandeln und den Schenkungsteuerbescheid vom 1. Juli 1992 aufzuheben.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Entgegen der Ansicht des FA handele es sich bei der Zuwendung um keine Geldschenkung, sondern um eine sogenannte mittelbare Grundstücksschenkung. Gegenstand der schenkungsteuerrechtlichen Zuwendung sei unter Berücksichtigung der im Streitfall getroffenen Vereinbarung der anteilige Gebäudeanbau. Die von der Schwester der Klägerin bereitgestellten Mittel seien ausschließlich für den Hausanbau bestimmt gewesen. Zum Zeitpunkt der Vereinbarungen hätten bereits die Bauzeichnungen und die Genehmigung für diesen Gebäudeanbau vorgelegen, so daß das Objekt konkret und bestimmt festgelegt gewesen sei. Die Klägerin sei aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen in ihrer Dispositionsfreiheit über den Geldbetrag soweit eingeschränkt gewesen, daß sie diesen nur für die Errichtung des Hausanbaus habe verwenden können. Die Schenkung sei daher nicht mit dem Nennwert des Geldbetrages, sondern mit dem erhöhten maßgebenden Einheitswert zu bewerten. Unter Berücksichtigung des für die Klägerin geltenden Freibetrages sei daher keine Schenkungsteuer festzusetzen und der Schenkungsteuerbescheid gegenüber der Klägerin aufzuheben gewesen.
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung von § 7 Abs. 1 Nr. 1 und § 12 Abs. 2 und 3 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1974. Ein Gebäudeanbau sei weder rechtlich noch tatsächlich selbständig von einem Grundstück abgrenzbar und könne deshalb nicht Gegenstand einer Zuwendung i. S. von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 sein.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Das FG hat zutreffend entschieden, daß der Schenkungsteuerbescheid vom 1. Juli 1992 aufzuheben ist, weil Gegenstand der Zuwendung an die Klägerin nicht der von der Schwester der Klägerin aufgewandte Geldbetrag, sondern der auf dem Grundstück der Klägerin mit diesen Mitteln errichtete Teil des Anbaus ist.
1. a) Der Schenkungsteuer unterliegt als Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1974) jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974; vgl. auch § 516 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches -- BGB --). Die Schenkungsteuer entsteht mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1974); das ist der Zeitpunkt, in dem die Vermögensverfügung endgültig ist, der Bedachte (Beschenkte) also im Verhältnis zum Zuwendenden (Schenker) über das Zugewandte tatsächlich und rechtlich (frei) verfügen kann (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 26. September 1990 II R 50/88, BFHE 162, 139, BStBl II 1991, 32, m. w. N.). Die Besteuerung richtet sich deshalb danach, wie sich die Vermögensmehrung im Zeitpunkt der Zuwendung beim Beschenkten auswirkt (BFH-Urteil vom 9. November 1994 II R 87/92, BFHE 176, 53, BStBl II 1995, 83). Dementsprechend bestimmt sich der steuerpflichtige Erwerb gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1974 nach der Bereicherung des Erwerbers und knüpft die Wertermittlung (§ 11 ErbStG 1974) über § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 12 Abs. 1 a bis 6 ErbStG 1974 an den Gegenstand an, über den der Beschenkte verfügen kann; entscheidend für die Besteuerung ist die tatsächliche Bereicherung, die sich danach richtet, was der Beschenkte -- endgültig -- erhält (BFH-Urteil in BFHE 176, 53, BStBl II 1995, 83; s. bereits BFH-Urteile vom 30. Januar 1968 II 49/64, BFHE 91, 431, BStBl II 1968, 371, und vom 6. März 1985 II R 114/82, BFHE 143, 287, BStBl II 1985, 380).
b) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteil vom 2. Juli 1990 II ZR 243/89, BGHZ 112, 40), in der zivilrechtlichen Literatur (statt aller Kollhosser in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 3. Aufl., § 516 Rdnr. 4), wie auch in der Rechtsprechung des BFH (insbesondere Urteil vom 7. April 1976 II R 87--89/70, BFHE 119, 300, BStBl II 1976, 632) ist anerkannt, daß der Gegenstand, um den der Beschenkte bereichert wird, sich nicht vorher in derselben Gestalt im Ver mögen des Schenkers befunden habe und wesensgleich übergehen muß; "Entreicherungsgegenstand" und "Bereicherungsgegenstand" brauchen nicht identisch zu sein (Kollhosser, a. a. O.). Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats kann daher in der Hingabe von Geld zum Erwerb eines Grundstücks oder eines Teilgrundstücks sowie zur Errichtung eines Gebäudes auf einem dem Beschenkten bereits gehörenden Grundstück eine Grundstücksschenkung (sog. mittelbare Grundstücksschenkung) gesehen werden (BFH-Urteile vom 12. Dezember 1979 II R 157/78, BFHE 129, 507, BStBl II 1980, 260; vom 3. August 1988 II R 39/86, BFHE 154, 383, BStBl II 1988, 1025). Dies setzt voraus, daß der Beschenkte im Verhältnis zum Schenker nicht über das ihm ggf. übergebene Geld, sondern (erst) über das Grundstück verfügen kann, denn in diesem Fall ist der Beschenkte nicht um die Geldsumme, sondern erst um das mit den zur Verfügung gestellten Geldmitteln erworbene Grundstück bzw. errichtete Gebäude bereichert.
c) Die Grundsätze der mittelbaren Grundstücksschenkung können auch auf grundstücksbezogene Verwendungen -- wie etwa den Anbau an ein bereits bestehendes Gebäude des Beschenkten --, deren Kosten von dem Zuwendenden schenkweise getragen werden, Anwendung finden, denn die Bereicherung des Beschenkten wirkt sich auch in diesem Fall in dessen Grundvermögen aus, wenn die vom Schenker zur Verfügung gestellten Geldmittel zweckgebunden sind und vom Beschenkten nur grundstücksbezogen verwendet werden dürfen (BFH-Urteil vom 5. Februar 1986 II R 188/83, BFHE 146, 164, BStBl II 1986, 460). Die Möglichkeit einer mittelbaren Grundstücksschenkung wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Schenker nur einen Teil der Kosten einer bestimmten, an einem Grundstück oder einem Gebäude vorzunehmenden Maßnahme trägt (vgl. BFH-Urteil vom 11. Oktober 1978 II R 142/72, BFHE 128, 75, BStBl II 1979, 533; s. auch BFH in BFHE 119, 300, BStBl II 1976, 632). Ohne Bedeutung ist, wer die grundstücksbezogene Zuwendung ausgeführt oder in Auftrag gegeben hat. Denn eine bereichernde Zuwendung ist nicht davon abhängig, daß der Schenker die gewollte Zuwendung selbst ausführen kann (vgl. BFH in BFHE 119, 300, BStBl II 1976, 632). In diesen Fällen liegt die den steuerpflichtigen Erwerb (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1974) darstellende Bereicherung des Beschenkten in der unentgeltlichen Zuwendung der von Dritten verschafften Vorteile.
Der Annahme einer (mittelbaren) Grundstücksschenkung in Gestalt eines Anbaus an ein bestehendes Gebäude steht nicht entgegen, daß die einzelnen Bauteile durch Verbindung mit dem Grundstück und dem Gebäude rechtlich (vgl. § 946 BGB) untrennbare wesentliche Bestandteile des Grundstücks oder Gebäudes (§ 94 BGB) werden und nicht mehr Gegenstand besonderer Rechte sein können (§ 93 BGB). Denn die eine freigebige Zuwendung kennzeichnende Bereicherung des Bedachten hat nicht zur Voraussetzung, daß das Zuwendungsobjekt als solches auch nach der Ausführung der Zuwendung rechtlich selbständig bleibt (vgl. BFH in BFHE 154, 383, BStBl II 1988, 1025).
2. a) In Einklang mit den vorgenannten Grundsätzen hat das FG die teilweise Finanzierung des Gebäudeanbaus zu Recht als mittelbare Grundstücksschenkung angesehen. Die steuerpflichtige freigebige Zuwendung (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974) besteht im Streitfall nicht aus einer Geldsumme in Höhe von 90 000 DM, sondern in den damit vorgenommenen Verwendungen auf das Grundstück der Klägerin. Denn die Geldmittel wurden der Klägerin ausschließlich für den zum Zeitpunkt der Vereinbarung bereits konkret geplanten und später tatsächlich durchgeführten Anbau zur Verfügung gestellt. Die Klägerin konnte über den Geldbetrag nicht frei, sondern nur zweckgebunden verfügen. Entsprechend der zwischen der Klägerin und ihrer Schwester getroffenen notariellen Schenkungsabrede wurde die Klägerin deshalb erst durch die durch den teilfinanzierten Gebäudeanbau eingetretenen Verbesserungen in ihrem Vermögen bereichert.
b) Entgegen der Auffassung der Revision hängt die Möglichkeit einer mittelbaren Grundstücksschenkung in Form der Zuwendung eines (Teil-)Anbaus nicht davon ab, daß der Schenkungsgegenstand etwa nach Maßgabe des steuerlichen Bewertungsrechts als selbständige wirtschaftliche Einheit angesehen werden kann. Ob eine Anbaumaßnahme als freigebige Zuwendung i. S. von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 zu beurteilen ist, entscheidet sich danach, ob nach bürgerlich-rechtlichen Maßstäben eine Bereicherung des Bedachten eingetreten ist (vgl. BFH in BFHE 146, 164, BStBl II 1986, 460).
Die von der Revision gemachte Einschränkung gilt im übrigen auch nicht für die für die Höhe der Steuer maßgebende Bewertung der Bereicherung nach den Vorschriften des Bewertungsrechts, denn nach § 12 Abs. 3 ErbStG 1974 ist in Fällen, in denen zum Erwerb nur ein Teil einer wirtschaftlichen Einheit des Grundbesitzes gehört, der darauf entfallende Teilbetrag des Einheitswerts maßgebend (vgl. hierzu auch BFH- Urteil vom 18. Mai 1988 II R 163/85, BFHE 153, 231, BStBl II 1988, 741).
c) Liegt nach den vorstehenden Ausführungen eine mittelbare Grundstücksschenkung in Gestalt eines teilfinanzierten Gebäudeanbaus vor, bestimmt sich -- wie in der Vorentscheidung zutreffend ausgeführt wird -- der der Schenkungsteuerveranlagung zugrunde zu legende Wert nach dem bewertungsrechtlich (§ 12 Abs. 2 bis 4 ErbStG 1974) zu ermittelnden Wertzuwachs. Zwar ist die Bewertungsregelung des § 12 Abs. 2 ErbStG 1974 jedenfalls seit dem Jahr 1987 mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes unvereinbar. Die bisherige Regelung findet indes bis zum 31. Dezember 1995 auf steuerpflichtige Vorgänge und damit auch auf den Streitfall noch Anwendung (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Juli 1995 2 BvR 552/91, BStBl II 1995, 671). Unter Berücksichtigung des für die Klägerin geltenden Freibetrags nach § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG 1974 (10 000 DM) unterliegt der Erwerb der Klägerin (8949 DM) danach nicht der Schenkungsteuer.
Fundstellen
Haufe-Index 421362 |
BFH/NV 1996, 710 |