Entscheidungsstichwort (Thema)
Schätzungsbefugnis bei Einnahmen-Überschussrechnung; Privatnutzung von Dienstfahrzeugen
Leitsatz (NV)
1. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen das FA die Einnahmen schätzen darf, bedarf auch im Hinblick auf den Umfang der für Einnahmen-Überschussrechner geltenden Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten keiner Revision zur Fortbildung des Rechts.
2. Hat das FG die Nutzungsentnahme für die im Betriebsvermögen gehaltenen Kraftfahrzeuge nach der sog. 1%-Regelung bewertet und dabei den inländischen Listenpreis zugrunde gelegt und ist es andererseits bei der Berechnung der Absetzungen für Abnutzung gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG von angemessenen Anschaffungskosten in Höhe von 100.000 DM je Fahrzeug ausgegangen, ist der nicht berücksichtigte Aufwand nicht entsprechend R 8.1 Abs. 9 Nr. 4 Satz 3 der Lohnsteuer-Richtlinien bei der Bewertung der Nutzungsentnahme zu berücksichtigen.
Normenkette
AO § 162 Abs. 1 S. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2; EStG § 4 Abs. 3, 5 S. 1 Nr. 7, § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2
Verfahrensgang
Gründe
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) liegen nicht vor.
A) Hinzuschätzung von Privathonoraren
1. Die Revision ist nicht zur Fortbildung des Rechts zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO). Voraussetzung dafür wäre, dass über eine ungeklärte, abstrakte Rechtsfrage zu entscheiden ist und dass der Streitfall insbesondere Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken zu füllen (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 41). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
a) Soweit die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sinngemäß meinen, der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) habe die Einnahmen aus der Behandlung von Privatpatienten nicht schätzen dürfen, weil den Kläger, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt, keine allgemeine Aufzeichnungs- oder Dokumentationspflicht treffe, übersehen sie, dass die Schätzungsbefugnis nicht vom Bestehen einer gesetzlichen Aufzeichnungspflicht abhängt, sondern davon, dass das FA die Besteuerungsgrundlagen nach den Angaben des Steuerpflichtigen nicht ermitteln kann (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. April 1999 IV R 68/98, BFHE 188, 291, BStBl II 1999, 481). Im Übrigen ergibt sich das Erfordernis, zumindest Einnahmen- und Ausgabenbelege zu sammeln, unmittelbar aus § 4 Abs. 3 EStG. Der BFH hat in seinem Urteil vom 19. März 2009 IV R 57/07 (BFH/NV 2009, 1298) zur Ausübung des Wahlrechts nach § 4 Abs. 3 EStG u.a. ausgeführt: "Die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG erfordert aber, dass die … Steuerpflichtigen als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben 'ansetzen'. Soll dieses 'Ansetzen' nicht nur ein 'Schätzen' sein, müssen die Steuerpflichtigen für die Wahl der Einnahme-Überschussrechnung folglich jedenfalls gewisse Mindestanforderungen wie das Sammeln bzw. Erstellen von Einnahmen- und Ausgabenbelegen erfüllen."
b) Mit der neuen Behauptung, die erforderlichen Belege seien auf dem nicht beschlagnahmten Praxis-PC abgelegt, kann der Kläger im Verfahren vor dem BFH nicht mehr gehört werden. Dazu hat das Finanzgericht (FG) keine Feststellungen getroffen. Im Klageverfahren hatte der Kläger noch behauptet, der Computer, auf dem die Rechnungen geschrieben worden seien, sei von der Steuerfahndung beschlagnahmt gewesen. An die tatsächlichen Feststellungen des FG ist der BFH auch im Beschwerdeverfahren grundsätzlich gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO).
c) Mit ihrem Vortrag zur angeblichen Unrichtigkeit der Schätzung machen die Kläger keinen Zulassungsgrund geltend. Die Schätzung ist der Beweiswürdigung vergleichbar; beide sind der materiellen Rechtsanwendung zuzurechnen. Etwaige Fehler bei der Rechtsanwendung führen aber grundsätzlich nicht zur Zulassung der Revision.
2. Die geltend gemachten Verfahrensmängel, Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) und Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 FGO) sind nicht feststellbar. Offenbar erheben die Kläger die Verfahrensrügen nur im Zusammenhang mit der Durchführung der Schätzung. Damit können sie nach dem Vorstehenden (vgl. oben 1.c) aber nicht durchdringen.
B) Privatnutzung von Dienstfahrzeugen
Ein Zulassungsgrund ergibt sich auch nicht daraus, dass das FG die Nutzungsentnahme für die im Betriebsvermögen gehaltenen Kraftfahrzeuge des Klägers nach der sog. 1 %-Regelung (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG) bewertet und dabei den inländischen Listenpreis zugrunde gelegt hat, während es bei der Berechnung der Absetzungen für Abnutzung gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG von angemessenen Anschaffungskosten in Höhe von 100.000 DM je Fahrzeug ausgegangen ist. Es ist insbesondere nicht klärungsbedürftig, ob die vom Kläger aufgewandten Mehranschaffungskosten entsprechend R 8.1 Abs. 9 Nr. 4 Satz 3 der Lohnsteuer-Richtlinien bei der Bewertung der Nutzungsentnahme zu berücksichtigen sind. Die Frage ist eindeutig zu verneinen. Nach der zitierten Verwaltungsvorschrift können Zuschüsse des Arbeitnehmers zu den Anschaffungskosten im Zahlungsjahr auf den privaten Nutzungswert angerechnet werden. Diese Vorschrift beruht ersichtlich auf der Annahme, dass der beim Arbeitnehmer als steuerpflichtige Einnahme zu erfassende Nutzungswert des vom Arbeitgeber überlassenen Kraftfahrzeugs gemindert wird durch Leistungen, die der Arbeitnehmer im Gegenzug an den Arbeitgeber erbringen muss, um das Fahrzeug nutzen zu können. Eine vergleichbare Situation liegt beim Kläger nicht vor. Er hat die Mehranschaffungskosten nicht aufgewandt, um die Möglichkeit der Privatnutzung zu erhalten. Nach dem Zweck des Abzugsverbots in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG ist vielmehr davon auszugehen, dass der den angemessenen Aufwand übersteigende Teil der Anschaffungskosten bei ihm der privaten Lebensführung zuzurechnen und deshalb steuerlich unbeachtlich ist (vgl. Schmidt/Heinicke, EStG, 28. Aufl., § 4 Rz 602).
Fundstellen
Haufe-Index 2239392 |
BFH/NV 2009, 1967 |