Werklieferung oder Werkleistung?: Die neue Heizung

In einer 5-teiligen Serie zeigen wir, wie die Abgrenzung zwischen Werklieferungen und Werkleistungen in der Praxis vorzunehmen ist. Im 2. Teil geht es um Leistungen, die teilweise von einem ausländischen Unternehmer, teilweise von einem inländischen Unternehmer erbracht werden.

Sachverhalt

Investor I besitzt in Stuttgart ein größeres Immobilienobjekt, in dem er ausschließlich steuerfreie Wohnungsvermietung betreibt. Da die vorhandene Zentralheizung nicht mehr den ökologischen Ansprüchen genügt, möchte er eine neue Heizung in dem Objekt einbauen lassen.

Nach intensiven Recherchen hat sich I für die Heizungskomponenten eines Schweizer Anbieters entschieden. Noch nicht abschließend ausgehandelt ist, ob der Schweizer Unternehmer auch den Einbau der Heizung übernehmen soll oder ob der Einbau durch einen von I beauftragten Unternehmer erfolgt.

Für I ergeben sich die beiden folgenden Möglichkeiten:

1) Lieferung der Heizungskomponenten durch den Schweizer Unternehmer S aus dessen Auslieferungslager in Singen (Deutschland) an die Baustelle in Stuttgart für 30.000 EUR und Einbau der Heizung im Auftrag des I durch den in Stuttgart ansässigen Heizungsbauer H für 10.000 EUR (jeweils zzgl. Umsatzsteuer).

2) Lieferung und Einbau der Heizung durch den Schweizer Unternehmer für 40.000 EUR, die Materialien kommen ebenfalls aus dessen Auslieferungslager in Singen, der Einbau erfolgt durch den von S beauftragten (Sub-)Unternehmer H für ebenfalls 10.000 EUR.

Fragestellung

Die beteiligten Unternehmer möchten wissen, wie die Leistungen in den beiden Alternativen abzurechnen sind. S unterhält in Deutschland neben dem Auslieferungslager (keine Betriebsstätte i. S. d. Umsatzsteuerrechts) keine Betriebsstätten oder Zweigniederlassungen.

Lösung

Alle Beteiligten sind Unternehmer, die selbstständig, nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht tätig sind; dass es sich teilweise um ausländische Unternehmer handelt, ist dabei ohne Auswirkung. Alle Unternehmer handeln im Rahmen ihres Unternehmens.

Im ersten Fall liefert Unternehmer S die Heizung. Da er keine weitere Be- oder Verarbeitung des Gegenstands vornimmt, liegt der Grundfall der Lieferung nach § 3 Abs. 1 UStG vor. Ort der Lieferung ist dort, wo die Beförderung des Gegenstands zum Abnehmer beginnt, also im Auslieferungslager in Singen (§ 3 Abs. 5a i. V. m. Abs. 6 Satz 1 UStG). Die Lieferung durch S ist damit in Deutschland nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar, eine Steuerbefreiung nach § 4 UStG kommt nicht in Betracht.

Da es sich um eine Lieferung nach § 3 Abs. 1 UStG handelt, bleibt S der Steuerschuldner für die von ihm ausgeführte Leistung (§ 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG). S muss – soweit nach dem Sachverhalt von einem Nettopreis für die Heizungskomponenten von 30.000 EUR ausgegangen wird – für die Lieferung 19 % (5.700 EUR) berechnen.

Hinweis: Bei einer Lieferung kommt es nicht darauf an, ob es sich bei dem leistenden Unternehmer um einen ausländischen Unternehmer handelt oder nicht.

Der Einbau der Heizung durch H erfolgt im Rahmen einer Werkleistung, da H offensichtlich nur Nebensachen oder Zutaten bei dem Einbau der Heizung verwendet (Umkehrschluss aus § 3 Abs. 4 UStG), der Hauptstoff (die Heizung) wird bauseits durch I gestellt und scheidet als Materialbeistellung aus dem Leistungsaustauschprozess aus (Abschn. 3.8 Abs. 2 UStAE). Da die Heizung fest in das Gebäude eingebaut wird, handelt es sich um eine sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück, die dort ausgeführt ist, wo sich das Grundstück befindet (§ 3a Abs. 3 Nr. 1 Buchst. c UStG). Die Leistung ist damit in Deutschland steuerbar nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG und unterliegt auch keiner Steuerbefreiung nach § 4 UStG. Steuerschuldner für die Leistung ist H (§ 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG). H muss dem Leistungsempfänger für die von ihm ausgeführte Werkleistung 19 % Umsatzsteuer (1.900 EUR) berechnen.

Wichtig: Etwas anderes könnte sich im Zusammenhang mit der Steuerschuldnerschaft nur dann ergeben, wenn I – neben der Vermietungstätigkeit – ein Unternehmer wäre, der selber am Markt Bauleistungen ausführt. In diesem Fall würde er als bauleistender Unternehmer für die ihm gegenüber ausgeführte Bauleistung zum Steuerschuldner werden (§ 13b Abs. 2 Nr. 4 i. V. m. § 13b Abs. 5 Satz 2 UStG).

Ein Vorsteuerabzug für I ergibt aus den ihm gegenüber ausgeführten Leistungen nicht, da er die Leistungen für seine steuerfreie Vermietungstätigkeit nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG verwendet (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG), keine Ausnahme nach § 15 Abs. 3 UStG. Eine Option nach § 9 Abs. 1 UStG auf die Steuerpflicht der Umsätze scheidet schon deshalb aus, da die Wohnungsmieter nicht Unternehmer sind.

Im zweiten Fall führt Unternehmer S eine einheitliche Leistung aus, die in der Verschaffung der Verfügungsmacht (Lieferung nach § 3 Abs. 1 UStG) über die Heizung und dem Einbau der Heizung besteht. Da der Hauptstoff von dem leistenden Unternehmer S kommt, liegt eine Werklieferung nach § 3 Abs. 4 UStG vor. Dass sich S für den Einbau der Heizung des Subunternehmers H bedient, ist für die Annahme einer einheitlichen Leistung unschädlich, da S gegenüber seinem Vertragspartner die eingebaute und funktionsfähige Heizung schuldet.

Der Ort der Werklieferung durch S bestimmt sich nach § 3 Abs. 5a i. V. m. Abs. 7 Satz 1 UStG (ruhende Lieferung) mit dem Ort, wo sich der Gegenstand im Moment der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet (Stuttgart). Die Werklieferung ist in Deutschland nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar und unterliegt auch keiner Steuerbefreiung nach § 4 UStG.

Hinweis: Im vorliegenden Fall liegt keine Beförderungslieferung nach § 3 Abs. 6 UStG vor, da nicht der Gegenstand der Lieferung, sondern ein Gegenstand anderer Wesensart transportiert wurde. Der vertraglich vereinbarte Gegenstand („eingebaute Heizung“) kann erst dort entstehen, wo der Einbau erfolgt (Abschn. 3.12. Abs. 4 UStAE).

Da die Werklieferung durch einen ausländischen Unternehmer nach § 13b Abs. 7 UStG ausgeführt wird (S unterhält in Deutschland nach den Sachverhaltsangaben keine Betriebsstätte, von der aus die Leistung ausgeführt wird und hat seinen Sitz in der Schweiz), geht die Steuerschuldnerschaft für die von S gegenüber I ausgeführte Werklieferung auf den Leistungsempfänger I über (§ 13b Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. Abs. 5 Satz 1 UStG). Damit wird I zum Steuerschuldner für die ihm gegenüber ausgeführte Werklieferung, er muss auf den vereinbarten Nettobetrag von 40.000 EUR die Umsatzsteuer mit 19 % (7.600 EUR) berechnen, gegenüber seinem Finanzamt anmelden und abführen. Die Umsatzsteuer entsteht nach § 13b Abs. 2 UStG mit Ausstellung der Rechnung, spätestens mit Ablauf des der Ausführung der Leistung folgenden Monats.

Hinweis: Keinen Einfluss auf die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens hat es, dass I mit dem Objekt nur steuerfreie Wohnungsvermietung ausführt, er ist Unternehmer nach § 2 UStG und damit grundsätzlich verpflichtet, die Regelungen des Reverse-Charge-Verfahrens zu beachten. Ein Vorsteuerabzug ergibt sich für I nicht, sodass es sich bei den 7.600 EUR um eine Zahllast gegenüber dem Finanzamt handelt.

S muss I eine Rechnung ausstellen, in der keine Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen werden darf. Würde S versehentlich Umsatzsteuer in seiner Rechnung ausweisen, würde es sich um eine unrichtig ausgewiesene Umsatzsteuer handeln, die er nach § 14c Abs. 1 UStG schulden würde; I würde dennoch zum Steuerschuldner für die ihm gegenüber ausgeführte Leistung werden.

Hinweis: S muss in der Rechnung auf den Übergang der Steuerschuldnerschaft hinweisen.

Der Heizungsbauer führt seine Leistung (Einbau der Heizung) im zweiten Fall gegenüber S aus – nach den Sachverhaltsangaben beauftragt S den H als Subunternehmer. Die Leistung stellt eine Werkleistung dar, da H auch in diesem Fall offensichtlich nur Nebensachen oder Zutaten bei der von ihm ausgeführten Leistung verwendet. Die Leistung ist damit – wie bei Ausführung gegenüber I – am Grundstücksort ausgeführt (§ 3a Abs. 3 Nr. 1 Buchst. c UStG). Die Leistung ist damit in Deutschland steuerbar nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG und unterliegt auch keiner Steuerbefreiung nach § 4 UStG.

Mit dem Einbau der Heizung führt H eine Bauleistung nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG aus (Abschn. 13b.2 Abs. 5 Nr. 1 UStAE). Da er die Leistung gegenüber S ausführt, muss geprüft werden, ob S ein bauleistender Unternehmer ist (§ 13b Abs. 5 Satz 2 UStG). Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist der Leistungsempfänger dann ein bauleistender Unternehmer, wenn er im vorangegangenen Kalenderjahr mehr als 10 % seiner weltweiten Umsätze im Bereich von Bauleistungen ausgeführt hat (Abschn. 13b.3 Abs. 2 UStAE). Wenn davon ausgegangen wird, dass S regelmäßig gegenüber seinen Kunden Werklieferungen ausführt, die als Bauleistungen anzusehen sind, geht die Steuerschuldnerschaft für die von H ausgeführte Bauleistung auf S über. H darf in seiner Rechnung gegenüber S keine Umsatzsteuer gesondert ausweisen und muss auf den Übergang der Steuerschuldnerschaft hinweisen.

Wichtig: Unerheblich ist in diesem Fall, dass es sich bei S um einen ausländischen Unternehmer handelt; auch ausländische Unternehmer können in Deutschland Umsatzsteuer im Reverse-Charge-Verfahren schulden, wenn ihnen gegenüber in Deutschland steuerbare und steuerpflichtige Leistungen i. S. d. § 13b UStG ausgeführt werden.

S schuldet für die ihm gegenüber ausgeführte Leistung auf die Bemessungsgrundlage von 10.000 EUR eine Umsatzsteuer von 1.900 EUR. Da S die Leistung für eine steuerpflichtige Ausgangsleistung verwendet, steht ihm der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG zu, ein Ausschlussgrund nach § 15 Abs. 2 UStG ergibt sich nicht.

Hinweis: Würde S in Deutschland für von ihm ausgeführte Leistungen keine Umsatzsteuer schulden, müsste für den Vorsteuerabzug der bei ihm im Reverse-Charge-Verfahren entstehenden Umsatzsteuer aus der Leistung des H noch geprüft werden, ob der Vorsteuerabzug evtl. nach § 15 Abs. 4b UStG i. V. m. § 18 Abs. 9 Satz 4 UStG ausgeschlossen sein könnte. Dies würde vorliegen, wenn S aus einem Drittstaat kommen würde, in dem einem deutschen Unternehmer eine ihm dort berechnete Umsatzsteuer nicht vergütet wird. Da S aus der Schweiz kommt und für Unternehmer aus der Schweiz diese Beschränkung nicht einschlägig ist, kann sich auch kein Vorsteuerabzugsverbot aus § 15 Abs. 4b UStG ergeben (vgl. BMF, Schreiben v. 23.7.2010, BStBl 2010 I S. 636).

StB Prof. Rolf-R. Radeisen, Berlin
Schlagworte zum Thema:  Umsatzsteuer, Werkleistung