Veräußerungsgeschäft: Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren

Private Veräußerungsgeschäfte sind nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Veräußerungsgeschäfte u.a. bei Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als 10 Jahre beträgt. Liegt ein solches Veräußerungsgeschäft vor, wenn ein Grundstück innerhalb der 10-Jahresfrist angeschafft und dann zwangsversteigert wird?

Grundstücksenteignung ist kein privates Veräußerungsgeschäft

Eine Veräußerung i.S.d. § 23 EStG liegt nicht vor, wenn der Verlust des Eigentums am Grundstück ohne maßgeblichen Einfluss des Steuerpflichtigen stattfindet. Das ist bei einer Enteignung der Fall. Hier fehlt es an einer willentlichen Übertragung auf eine andere Person. Ein nicht vom Willen des Veräußernden getragener Eigentumsübergang – die zwangsweise vorgenommene "Veräußerung" – reicht nicht aus, um eine für die Tatbestandsverwirklichung zu fordernde wirtschaftliche Betätigung anzunehmen. Bei einer Enteignung fehlt es an einer willentliche Betätigung des Betroffenen, sie führt daher nicht zum Vorliegen eines privaten Veräußerungsgeschäfts (BFH, Urteil v. 23.7.2019, IX R 28/18, BStBl 2019 II S. 701).

Anders bei einer Zwangsversteigerung

Diese Rechtsprechung ist nicht auf eine Zwangsversteigerung anzuwenden. Der Eigentumsverlust im Wege der Zwangsversteigerung ist nach einer Entscheidung des FG Düsseldorf nicht mit einem Eigentumsverlust im Wege einer Enteignung vergleichbar, bei der es an einem Veräußerungswillen fehlt (FG Düsseldorf, Urteil v. 28.4.202, 2 K 2220/20 E; so bereits in einem Aussetzungsfall FG Düsseldorf, Beschluss v. 26.11.2020 - 2 V 2664/20 A(E).

Zwangsversteigerung als willentliche wirtschaftliche Betätigung

Maßgeblich für diese Beurteilung sei das dem Schuldner nach § 30a Abs. 1 ZVG eingeräumte Recht, eine einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung zu beantragen, um dadurch eine Fortführung des Zwangsversteigerungsverfahrens durch eine Befriedigung der Gläubiger zu verhindern. Diese Möglichkeit biete eine hinreichende Grundlage für die Annahme, dass das Zwangsversteigerungsverfahren als willentliche wirtschaftliche Betätigung zu bewerten ist und sich nicht als Übertragungsvorgang darstellt, der ohne maßgeblichen Einfluss des Steuerpflichtigen stattfindet.

Zeitpunkt des Meistgebots ist für die 10-Jahresfrist entscheidend

Die Abgabe des Meistgebots entspricht danach bei einer Zwangsversteigerung in ihrer Wirkung dem Abschluss eines schuldrechtlichen Kaufvertrags über ein Grundstück und erfüllt damit den Veräußerungstatbestand i.S.d. § 23 EStG. Bei der Beurteilung, ob der Zeitraum zwischen der Anschaffung und der Veräußerung durch Zwangsversteigerung nicht mehr als  Jahre beträgt, ist auf den Zeitpunkt der Abgabe des Meistgebots abzustellen; der nachfolgende Zuschlagbeschluss des Vollstreckungsgerichts ist für die Fristberechnung nicht maßgeblich. Im Urteilsfall des FG Düsseldorf hatte der Kläger die zwangsversteigerten Grundstücke selbst im Wege der Zwangsversteigerung erworben.