Übertragung des BEA-Freibetrags: Bisherige Rechtsprechung

Im Folgenden wird ein Überblick über die bisherige Rechtsprechung zur Übertragung des BEA-Freibetrags gegeben.

Der BFH (Urteil v. 18.5.2006, III R 5/05, Haufe Index 1550650) hat darauf hingewiesen, dass die Übertragung des BEA-Freibetrags nicht davon abhängt, dass der andere Elternteil seine Unterhaltspflicht verletzt hat, sondern die unterschiedlichen Voraussetzungen der Freibeträge sachlich gerechtfertigt sind.

Rechtsprechung des FG Münster

Entgegen der Finanzverwaltung vertritt das FG Münster (Urteil v. 20.9.2013, 4 K 4588/11 E) die Auffassung, dass die Übertragung des Freibetrags für volljährige Kinder gesetzlich nicht möglich ist, so dass es auch dann, wenn einer der Elternteile diesbezüglich keine Unterhaltsaufwendungen trägt, bei einer hälftigen Zuordnung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf bleibt.

Vor diesem Hintergrund widerspreche die gegenläufige Ansicht der Finanzverwaltung, wonach die Übertragung des Kinderfreibetrags stets auch zur Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf führt, dem Wortlaut des § 32 Abs. 6 Satz 8 EStG eindeutig. Zwar mag es aus Gründen der Wahrung des subjektiven Nettoprinzips durchaus erwägenswert sein, die Übertragung des Kinderfreibetrags, der das sächliche Existenzminimum des Kindes abdeckt, sowie die des BEA-Freibetrags an identische gesetzliche Voraussetzungen zu knüpfen. Allerdings fordere der steuerliche Abzug des im Jahr 1999 durch das Familienförderungsgesetz eingeführten BEA-Freibetrags nicht den Nachweis, dass der jeweilige Elternteil tatsächlich dementsprechenden Aufwand getragen hat. Deshalb sei die Grundentscheidung des Gesetzgebers, beiden Elternteilen unabhängig von der Erfüllung der Unterhaltspflichten eine (weitere) steuerliche Entlastung für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf zukommen zu lassen, folgerichtig und mit dem subjektiven Nettoprinzip vereinbar.

Des Weiteren begründet das FG seine Entscheidung auch damit, dass der Gesetzgeber bewusst davon ausgegangen ist, dass bei minderjährigen Kindern grundsätzlich davon auszugehen ist, dass der in diesem Lebensabschnitt vordergründig bestehende Betreuungs- und Erziehungsbedarf von dem Elternteil geleistet wird, in dessen Haushalt das Kind gemeldet ist. Da aber bei volljährigen Kindern der Ausbildungsbedarf in den Vordergrund tritt, lasse der melderechtliche Status vom Grundsatz keine Schlüsse darauf zu, welcher Elternteil den Ausbildungsbedarf des Kindes deckt.

Da die Gesetzeslage – trotz gegenteiliger Ansicht der Finanzverwaltung - hier eindeutig sei, hatte das FG die Revision nicht zugelassen.

Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen FG und des BFH

Auch das Schleswig-Holsteinische FG (Urteil v. 8.6.2018,  2 K 46/17, Haufe Index 12482160) hat sich kürzlich der Auffassung des FG Münster angeschlossen. Auch hier wurde die Revision nicht zugelassen. Auch hier wurde die Revision nicht zugelassen. Es wurde aber Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, welche erfolgreich war:

Der BFH hat die Rechtsfrage nun entschieden (Urteil v. 22.04.2020, III R 61/18). Aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts sei für ein über 18 Jahre altes Kind eine Übertragung des dem anderen Elternteil zustehenden einfachen BEA-Freibetrages nicht vorgesehen. Eine Auslegung dahin, dass - entgegen dem Wortlaut des § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG - der BEA-Freibetrag auch bei volljährigen Kindern übertragen werden kann, ist nicht möglich.

Weder die Gesetzesmaterialien oder die Entstehungsgeschichte noch die Gesetzessystematik deuteten darauf hin, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG auch die Übertragung des einfachen BEA-Freibetrages bei volljährigen Kindern regeln wollte, soweit ein Elternteil seinen Unterhaltspflichten im Wesentlichen nicht nachkommt. Vielmehr lasse sich den Gesetzesmaterialien entnehmen, dass der einfache BEA-Freibetrag jedem Elternteil "unabhängig von den tatsächlichen Aufwendungen" bzw. "ohne dass es auf eine Verletzung von Unterhaltspflichten des anderen Elternteils ankommt", gewährt werden soll.

Minderjährige Kinder

Wird der Freibetrag für den BEA-Freibetrag auch bei minderjährigen Kindern mit übertragen, kann m. E. nichts anderes gelten. Dies zumindest immer dann, wenn entsprechend § 32 Abs. 6 Satz 9 EStG Kinderbetreuungskosten getragen werden oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut wird. Nach Auffassung des BFH (Urteil v. 8.11.2017, III R 2/16, Haufe Index 11549447) kann das Merkmal einer regelmäßigen Betreuung insbesondere dann als erfüllt angesehen werden, wenn sich ein minderjähriges Kind entsprechend eines weitgehend gleichmäßigen Betreuungsrhythmus tatsächlich in der vereinbarten Abfolge bei dem Elternteil, bei dem es nicht gemeldet ist, aufhält. Da die Betreuung in einem nicht unwesentlichen Umfang eine Gesamtschau unter Würdigung aller objektiven Umstände des Einzelfalls erfordert, hat der BFH aus Gründen der Vereinfachung grundsätzlich keine Bedenken, bei einem zeitlichen Betreuungsanteil von jährlich 10 % im Regelfall das Merkmal einer Betreuung in einem "nicht unwesentlichen Umfang" als erfüllt anzusehen. Weitere Indizien können in diesem Fall regelmäßig vernachlässigt werden.

Berechnung des 10 %-Anteils

Das FG Niedersachsen (Urteil vom 9.2.2020, 9 K 20/19, Haufe Index 13851910) hat bezüglich der Berechnung des 10 %-Anteils aus Vereinfachungsgründen die Auffassung vertreten, dass auch angefangene Tage mitzählen (also wenn die Betreuung nicht die vollen 24 Stunden jedes Tages umfasst). Dies müsse jedenfalls dann gelten, wenn die Betreuungszeit deutlich mehr als 12 Stunden beträgt und damit über reine Besuchszwecke deutlich hinausgeht. Alles andere würde ggf. auf eine stundengenaue Protokollierung der Betreuungszeiten hinauslaufen und damit dem mit der festgelegten Grenze verfolgten Vereinfachungszweck zuwiderlaufen.

Im Urteilsfall selbst hat das FG im Übrigen zusätzlich daraufhin hingewiesen, dass selbst wenn man bei einer stundengenauen Abrechnung zu einer geringfügigen Unterschreitung des Schwellenwertes von 10 % kommen würde, dies im Ergebnis unter Berücksichtigung der weiteren Indizien nichts ändert. Es bestand nämlich eine Entfernung zwischen den Wohnorten von Vater und Kind i. H. v. 163 km. Dies würde einen höheren zeitlichen Betreuungsanteil wegen der Arbeitsverpflichtung unter der Woche erheblich erschweren und daher seien die möglichen Betreuungszeiten in der Regel auf die Wochenenden und Urlaubszeiten beschränkt. Daher erscheine der Betreuungsanteil auch in diesem Fall als nicht unwesentlich.  

Schlagworte zum Thema:  Einkommensteuer, Kinderfreibetrag, Kind