Nachträglicher Schuldzinsenabzug bei Finanzierung über LV

Schuldzinsen, die durch die Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung veranlasst sind, können nach einer Veräußerung der Immobilie in der Regel weiter als (nachträgliche) Werbungskosten abgezogen werden, wenn der Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung beachtet wird.

Unter Aufgabe seiner früheren Rechtsauffassung hatte der BFH zunächst entschieden (Urteil v. 20.06.2012, IX R 67/10), dass  Schuldzinsen für ein zur Anschaffung eines Mietobjektes aufgenommenes Darlehen auch nach einer gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbaren Veräußerung der Immobilie weiter als (nachträgliche) Werbungskosten abgezogen werden können, wenn und soweit der Veräußerungserlös nicht zur Tilgung der Darlehensverbindlichkeiten ausreicht.

Später hat der BFH die Abzugsmöglichkeit auch für eine nicht steuerbare Veräußerung erweitert (BFH-Urteil v. 08.04.2014, IX R 45/13). Auch auf ein Refinanzierungs- oder Umschuldungsdarlehen gezahlte Schuldzinsen können im Einzelfall durch die (frühere) Einkünfteerzielung veranlasst sein (siehe auch BMF v. 27.7.2015, BStBl. 2015 I S. 581 soweit sich die Umschuldung im Rahmen einer üblichen Finanzierung bewegt).

Die Berücksichtigung nachträglicher Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung steht aber sowohl bei der steuerbaren als auch bei der nicht steuerbaren Veräußerung der Immobilie unter dem Vorbehalt der vorrangigen Schuldentilgung; denn ein Veranlassungszusammenhang von nachträglichen Schuldzinsen mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist zu verneinen, wenn die Schuldzinsen auf Verbindlichkeiten entfallen, die durch den Erlös aus der Veräußerung des Immobilienobjektes hätten getilgt werden können.

Im Bereich der Immobilien ist eins der Finanzierungsmodelle das endfällige Darlehen (Festdarlehen). Das Festdarlehen unterscheidet sich (z. B.) vom Annuitätendarlehen dadurch, dass die gesamte Kreditlaufzeit über keine Tilgung erfolgt. Die monatliche Rate besteht nur aus den Zinsen, weil die Tilgung erst am Ende der Laufzeit in einer Summe erfolgt. Meistens wird die Tilgung mit einer Auszahlung einer Kapitallebensversicherung verbunden. Wirtschaftlich betrachtet stellt die Entrichtung der jährlich zu zahlenden Prämie für die Lebensversicherung eine Art von Tilgung des Darlehens dar, sodass ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gegeben ist. Es stellt sich aber die Frage, ob bei einer Veräußerung einer Immobilie der Rückkaufswert einer solchen Lebensversicherung zur Schuldentilgung eingesetzt werden muss. 

Beispiel

A erwarb im Jahr 2000 eine Eigentumswohnung, die er vermietete. Die Anschaffungskosten (AK) beliefen sich auf 200.000 EUR, welche über ein Annuitätendarlehen i. H. v. 50.000 EUR sowie ein Festdarlehen i. H. v. 150.000 EUR fremdfinanziert wurden. Das Festdarlehen war u. a. durch eine im Jahr 1992 abgeschlossene und in 2032 ablaufende Kapitallebensversicherung abgesichert, welche an die finanzierende Bank abgetreten wurde. Anfang 2014 veräußerte A die Eigentumswohnung zum Kaufpreis von 80.000 EUR. Der Veräußerungserlös reichte nicht aus, um die Darlehensverbindlichkeiten abzulösen. Es verblieb vom Festdarlehen ein Restbetrag i. H. v. 100.000 EUR. Die Kapitallebensversicherung besaß zum Zeitpunkt des Verkaufs einen Rückkaufswert i. H. v. 40.000 EUR. In 2014 betrugen die Schuldzinsen (nach Verkauf) 4.000 EUR. 

Im Rahmen eines Verfahrens beim FG Berlin-Brandenburg (Urteil v. 22.10.2014, 3 K 3245/13, Haufe Index 7487602) war das Finanzamt der Auffassung, dass die Zinsen insoweit nicht als Werbungskosten anzuerkennen sind, als sie nicht entstanden wären, wenn die Lebensversicherung zurückgekauft und der Rückkaufswert (hier 40.000 EUR) zur Schuldentilgung eingesetzt worden wäre. Wäre dem zuzustimmen, könnten A hier nur 2.400 EUR nachträgliche Werbungskosten (4.000 EUR x 60.000 Restdarlehen/100.000 Darlehen) geltend machen. 

Praxis-Tipp

Erfreulicherweise vertreten das FG Berlin-Brandenburg und auch der BFH (Urteil v. 16.9.2015, IX R 40/14, Haufe Index 8805782) die Auffassung, dass der Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung den Steuerpflichtigen nicht verpflichtet, die Beendigung des Versicherungsvertrages vorzeitig und von sich aus herbeizuführen, wenn die Versicherung weiterhin die Rückführung des verbliebenen Darlehensrestbetrags absichert.

Zu dem aus einer Veräußerung erzielten "Erlös" gehört zwar grundsätzlich auch eine vom Steuerpflichtigen vereinnahmte Versicherungssumme aus einer Kapitallebensversicherung, welche in die Finanzierung der AK einer ermieteten Immobilie einbezogen wurde und damit wesentlicher Bestandteil der Darlehensvereinbarung geworden ist. Zur Ablösung eines im Zusammenhang mit der Einkünfteerzielung aufgenommenen Darlehens muss der Steuerpflichtige eine hieraus erzielte Versicherungsleistung aber nur dann in vollem Umfang verwenden, wenn im Zeitpunkt der Veräußerung ein der Anschaffungsfinanzierung dienender Versicherungsvertrag - regulär durch Zeitablauf oder durch (vorzeitige) Kündigung - endet. Wäre nämlich eine Lebensversicherung bei einem Verkauf vorzeitig zu kündigen, könnte dies mit zum Teil erheblichen Verlusten verbunden sein. Ein solches unsinniges Verhalten kann vom Steuerpflichtigen nicht erwartet werden, denn im Regelfall wird nur die Fortführung des bisherigen Finanzierungsmodells in Form eines Festdarlehens, welches bei Laufzeitende durch eine Versicherungsleistung getilgt wird, ein wirtschaftlich sinnvolles Verhalten darstellen. Daher sind hier die Schuldzinsen in voller Höhe (4.000 EUR) als (nachträgliche) Werbungskosten zu berücksichtigen.