Künstlichen Befruchtung: Kosten für gesunden Partner

Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung einer Frau sind als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, wenn die künstliche Befruchtung zur Überwindung einer krankheitsbedingten Empfängnisunfähigkeit medizinisch erforderlich ist. Dies gilt auch bei einer krankheitsbedingten Sterilität des Mannes.

In beiden Fällen ist Kinderlosigkeit Folge einer Krankheit (Sterilität eines Partners), sodass die Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung als Heilbehandlungskosten zu berücksichtigen sind (vgl. z. B. die Rechtsprechung des BFH, Urteil v. 5.10.2017, VI R 47/15 und Urteil v. 16.12.2010, VI R 43/10). Es handelt sich um eine medizinische Leistung zur Beseitigung oder Milderung von Krankheitsfolgen (Kinderlosigkeit).

Das Niedersächsische FG hat sich in diesem Zusammenhang mit der Frage beschäftigt, ob bei einem unverheirateten Paar auch Kosten zu berücksichtigen sind, die dem gesunden Partner entstehen.

Rechtslage bei verheirateten Paaren

Bei einem verheirateten Paar hat der BFH entschieden (s. o. Urteil v. 16.12.2010), dass auch die bei dem - gesunden - Partner durchzuführenden Maßnahmen zu berücksichtigen sind, wenn allein durch eine Behandlung des anderen Ehepartners keine Linderung erreicht werden kann.

Die Behandlung ist insgesamt als untrennbare Einheit zu sehen. Somit sind auch die Aufwendungen des gesunden Partners Aufwendungen zur Behandlung einer Krankheit des anderen Partners - soweit er sie getragen hat - als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

Fall des Niedersächsischen FG: Unverheiratetes Paar

Im Fall des Niedersächsischen FG waren die Partner nicht verheiratet. Der Ehemann litt unter einer chromosomalen Translokation. Im Jahr 2019 fanden im Kinderwunschzentrum mehrere Behandlungen zur Durchführung einer künstlichen Befruchtung statt, wobei aus medizinischen Gründen bei der vorliegenden chromosomalen Translokation des Mannes dennoch der Großteil der Behandlungsschritte am Körper der Frau erfolgen musste.

Die bei der Frau in Rechnung gestellten Kosten machte sie im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung als außergewöhnliche Belastung geltend. Die Kosten wurden teilweise von ihr, aber auch teilweise vom Partner getragen.

Finanzamt erkennt Kosten nicht an

Das beklagte Finanzamt vertrat die Auffassung, dass der Leidensdruck des unerfüllten Kinderwunsches aufgrund des erkrankten Partners insoweit nicht ausreichend sei, um eine Zwangsläufigkeit i. S. des § 33 EStG der Aufwendungen der künstlichen Befruchtung der gesunden Frau zu begründen. Die von der Klägerin angeführten Urteile des BFH führten zu keiner anderen Betrachtungsweise.

Der BFH habe zum einen erörtert, dass die Kosten der künstlichen Befruchtung eines Ehepaares als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden könnten, habe aber keine Aussage dazu getroffen, dass dieser Grundsatz auch für ein unverheiratetes Paar gelte; zum anderen habe er ausgeführt, dass die Aufwendungen einer an Sterilität erkrankten Frau unabhängig vom Beziehungsstatus berücksichtigt werden könnten.

In keinem der Urteile habe der BFH aber eine Aussage dazu getroffen, dass die Aufwendungen eines gesunden Steuerpflichtigen unabhängig vom Beziehungsstatus als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden könnten. Bei Ehegatten gelte aufgrund der besonderen Regelungen zur Veranlagung der Grundsatz der Individualbesteuerung für außergewöhnliche Belastungen nicht. Ehegatten würden bei der Zusammenveranlagung insoweit als ein Steuerpflichtiger behandelt.

FG erkennt Kosten des gesunden Partners teilweise an

Das Niedersächsische FG hat die Kosten, welche die Frau getragen hat, aber anerkannt (Urteil v. 14.12.2021, 6 K 20/21). Obwohl eine Krankheit bei der Klägerin nicht vorliegt, gelten die für Krankheitskosten entwickelten Grundsätze - d.h. die damit verbundene unwiderlegliche Vermutung der Außergewöhnlichkeit sowie Unterstellung der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen - auch für die Klägerin. Denn die Außergewöhnlichkeit sowohl des auslösenden Ereignisses als auch der Höhe der Aufwendungen sowie auch die Zwangsläufigkeit der zur Umgehung der Krankheit durch eine Kinderwunschbehandlung notwendigen Aufwendungen seien infolge der gebotenen Gesamtbetrachtung für die gesunde Frau gleichermaßen gegeben.

Die Außergewöhnlichkeit des die Aufwendungen auslösenden Umstandes und Zwangsläufigkeit der zur Umgehung der Krankheit entstehenden Kosten sei im Falle einer Kinderwunschbehandlung nicht nur personenbezogen - d.h. hier mit Blick auf die Krankheit des Mannes - zu betrachten. Abzustellen sei vielmehr auf den anomalen Zustand, der der Zeugung eines Kindes auf natürlichem Weg entgegensteht und die Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik nebst künstlicher Befruchtung zur "Umgehung" der Krankheit und Realisierung des Kinderwunsches - vor allem auch durch eine Behandlung am Körper der Frau - erforderlich macht.

Aufgrund dieser untrennbaren Zusammenhänge sei es irrelevant, ob der regelwidrige Zustand bei der Frau oder beim Mann vorliegt. Die aufgrund der Untrennbarkeit der biologischen Vorgänge bestehende Zwangsläufigkeit für beide Partner entfällt auch nicht deshalb, weil sie nicht verheiratet sind. Entscheidend sei, dass für beide Partner gleichermaßen eine Zwangsläufigkeit durch den bei einem der Partner vorliegenden, anomalen Zustand begründet ist. Die Einheitsbetrachtung ist demnach ein Privileg der Ehegattenbesteuerung, sie hat aber keinen Einfluss auf die Tatbestandsvoraussetzungen des § 33 Abs. 1 EStG, die auch bei der nichtverheirateten Klägerin gegeben waren.

Revisionsverfahren und abgekürzter Zahlungsweg?

Gegen die Entscheidung des FG Niedersachsen wurde Revision eingelegt. Die Entscheidung des BFH bleibt abzuwarten (Az. VI R 2/22). Hier wird der BFH ggf. auch eine Aussage dazu treffen, wie die Kosten zu beurteilen sind, die - hier - der Partner für die Klägerin getragen hat.

Das FG hat die Kosten nicht bei der Klägerin anerkannt, da die bisherige Rechtsprechung zum abgekürzten Zahlungsweg lediglich für den Bereich der Werbungskosten ergangen ist. Es kam aber noch hinzu, dass der Partner die Zahlungen nicht lediglich zur Begleichung einer Schuld der Klägerin, sondern aufgrund der gemeinsam durchgeführten künstlichen Befruchtung auch im eigenen Interesse geleistet hat. Wegen der identischen Zwangslage seien die Aufwendungen daher bei dem Steuerpflichtigen zu berücksichtigen, der sie tatsächlich auch aus eigenem Interesse getragen hat (hier dann wohl beim Partner der Klägerin).