Kinderbetreuungskosten: steuerfrei gezahlte Arbeitgeberzuschüsse

Bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der als Sonderausgaben abziehbaren Kinderbetreuungskosten stellt sich die Frage, ob vom Arbeitgeber steuerfrei gezahlte Zuschüsse zur Betreuung des Kindes auf den Bruttobetrag der Kinderbetreuungskosten anzurechnen sind.

Beispiel: A zahlt für die Kinderbetreuung im Kindergarten 900 EUR im Jahr (ohne Verpflegung). Er erhält von seinem Arbeitgeber einen nach § 3 Nr. 33 EStG steuerfreien Kindergartenzuschuss i. H. von 600 EUR.  

Abzug von Kinderbetreuungskosten

Nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 EStG sind zwei Drittel der Aufwendungen, höchstens 4.000 EUR je Kind, für Dienstleistungen zur Betreuung eines zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehörenden Kindes im Sinne des § 32 Abs. 1 EStG als Sonderausgaben abziehbar, wenn das Kind das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder wegen einer vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.

Literaturmeinung: Voller Höchstbetrag

Nach einer Literaturmeinung (Kulosa in Herrmann/Heucher/Raupach, § 10 EStG Rz 43, 148) soll einem Steuerpflichtigen, der von seinem Arbeitgeber nach § 3 Nr. 33 EStG steuerfreie Zuschüsse zu Kinderbetreuungskosten erhält, der volle Höchstbetrag nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG zur Verfügung stehen (hier dann 900 EUR x 2/3 = 600 EUR).

Verfahren vor dem FG Baden-Württemberg

Im Rahmen eines Klageverfahrens vor dem FG Baden-Württemberg hat der Kläger die Auffassung vertreten, dass die Aufwendungen für den Kindergarten nicht um den steuerfreien Arbeitgeberzuschuss gemindert werden dürften, da § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG eine Kürzung der Aufwendungen für Kinderbetreuung nicht vorsehe. Soweit der Gesetzgeber in § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG für bestimmte Sonderausgaben eine dem § 3c EStG entsprechende Abzugsbeschränkung geschaffen habe, fehle darin ein Verweis auf Kinderbetreuungskosten.

FG Baden-Württemberg entscheidet zugunsten der Verwaltung

Das Finanzamt stellte sich dagegen auf den Standpunkt, dass Sonderausgaben nur dann abgezogen werden dürften, wenn der Steuerpflichtige tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belastet sei. Sonderausgaben, die der Steuerpflichtige aufwende und hierfür einen nicht zu versteuernden Ersatz erhalte, würden ihn wirtschaftlich nicht belasten und seien daher nicht abziehbar.

Diese Auffassung vertritt auch das FG Baden-Württemberg (Gerichtsbescheid v. 6.5.2020, 1 K 3359/17). Ausgaben/Aufwendungen sind im Umkehrschluss zum Begriff der Einnahmen in § 8 Abs. 1 EStG der Abfluss von Gütern, die in Geld oder Geldeswert bestehen. Das setzt beim Abzugsberechtigten eine Vermögensminderung durch tatsächliche Leistung der Sonderausgaben voraus. Der Zweck des § 10 EStG, bestimmte die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen mindernde Privatausgaben vom Abzugsverbot des § 12 EStG auszunehmen, erfordert eine endgültige wirtschaftliche Belastung, so das FG.

Hier hat A für die Kinderbetreuung keine Aufwendungen getragen, soweit der Arbeitgeber für die Kinderbetreuungskosten einen Betrag von 600 EUR steuerfrei gezahlt hat. Von den insgesamt angefallenen Kinderbetreuungskosten von 900 EUR ist A daher nur in Höhe von 300 EUR endgültig wirtschaftlich belastet (Abzugsbetrag dann 200 EUR). Das Fehlen der Kinderbetreuungskosten in der Abzugsbeschränkung des § 10 Abs. 2 für Aufwendungen im Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen rechtfertigt es nach Ansicht des FG nicht, die steuerfreien Arbeitgeberzuschüsse bei der Berechnung der Höhe der abziehbaren Sonderausgaben für Kinderbetreuungskosten unberücksichtigt zu lassen. § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG setze für den Abzug der in Absatz 1 Nummer 2, 3 und 3a dieser Vorschrift bezeichneten Beträge (Vorsorgeaufwendungen) voraus, dass sie nicht in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen. Für Aufwendungen zur Kinderbetreuung enthält die Vorschrift zwar keine Regelung. Das habe aber nicht zur Folge, dass die vom Arbeitgeber steuerfrei gezahlten Zuschüsse für die Kinderbetreuung bei der Berechnung der abzugsfähigen Sonderausgaben unberücksichtigt bleiben müssen. Auch bei der Vorgängerregelung nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 und 8 EStG habe ein solcher Verweis gefehlt (siehe dazu unten die Anmerkung zum Revisionsverfahren).

Revisionsverfahren bei BFH anhängig

Gegen die Entscheidung des FG Baden-Württemberg läuft ein Revisionsverfahren vor dem BFH. M. E. ist zwar nicht davon auszugehen, dass der BFH eine vom FG abweichende Auffassung vertritt. Hierfür spricht auch, dass der BFH bereits vor Inkrafttreten des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG i. d. F. des Steuervereinfachungsgesetzes 2011  (BStBl I 2011 S. 986) darauf hingewiesen hat (Urteil v. 5.7.2012, III R 80/09), dass unberechtigte Doppelbegünstigungen der Arbeitnehmer ausgeschlossen sind. Denn soweit Arbeitnehmer gemäß § 3 Nr. 33 EStG steuerfreien Ersatz ihrer Aufwendungen erhielten, seien sie vom Abzug nach § 9 Abs. 5 S. 1 und § 10 Abs. 1 Nr. 5 und 8 EStG a. F. ausgeschlossen. Vergleichbare Fälle können aber offen gehalten werden, bis der BFH (Az: III R 30/20) entschieden hat.

FG Köln bestätigt Auffassung

Auch das FG Köln ist aktuell zu dem Ergebnis gekommen ( Urteil v. 14.8.2020, 14 K 139/20), dass durch den Arbeitgeberzuschuss keine wirtschaftliche Belastung vorliegt, so dass keine Aufwendungen im Sinne der Vorschrift entstanden sind. Das FG führt ergänzend aus, dass ein zusätzlicher Sonderausgabenabzug zu einer verfassungsrechtlichen Ungleichbehandlung mit Steuerpflichtigen, deren Arbeitgeber – etwa durch die Unterhaltung eines Betriebskindergartens – die Kinderbetreuungskosten unmittelbar selbst erbringt, führen würde. Auch hier läuft ein Revisionsverfahren unter (Az: III R 54/20).