Haushaltszugehörigkeit bei Kinderbetreuungskosten

Nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG sind zwei Drittel der Aufwendungen, höchstens 4.000 EUR je Kind, für Dienstleistungen zur Betreuung eines zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehörenden Kindes, welches das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, als Sonderausgaben abzugsfähig. Der BFH muss klären, ob das Erfordernis der "Haushaltszugehörigkeit" verfassungsgemäß ist.

In einem vom FG Thüringen entschiedenen Fall hat der von der Kindesmutter getrenntlebende Kläger die Berücksichtigung der von ihm tatsächlich geleisteten Aufwendungen für Betreuung der gemeinsamen Tochter in Höhe von 299 EUR als Sonderausgaben i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG beantragt. Die gemeinsame Tochter hat ihren ausschließlichen Wohnsitz bei der Mutter und gehörte im Veranlagungsjahr 2020 nicht zum Haushalt des Klägers. Der Kläger praktizierte im Jahr 2020 das sog. Residenzmodell, wonach er den Barunterhalt schuldet, die Kindesmutter die Betreuung. Der Kläger leistet keinen Ehegattenunterhalt.

Die Tochter besuchte im Streitjahr einen Kindergarten sowie nach ihrer Einschulung den Hort einer Grundschule. Für den Besuch des Kindergartens zahlte die Kindesmutter unbar jährlich 250 EUR und für den Besuch des Schulhorts jährlich 348 EUR. Der zivilrechtlich im Rahmen des Mehrbedarfs zur anteiligen Zahlung von Kindergartenbeiträgen und Hortgebühr verpflichtete Kläger erstattete der Kindesmutter jeweils monatlich den hälftigen Betrag.

Kläger sieht Verstoß gegen subjektives Nettoprinzip

Er begründete seinen Antrag damit, dass die Norm des § 10 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 EStG gegen das subjektive Nettoprinzip verstoße, welches sich aus Art. 3 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs.1 und Art. 6 Abs. 2 GG ableite. Der Begriff der Sonderausgaben sei nicht legal definiert, sondern lediglich negativ abgegrenzt zu den Begriffen Betriebsausgaben und Werbungskosten.

Auch durch Auslegung der einzelnen Tatbestände des § 10 EStG lasse sich kein allgemeingültiger Sonderausgabenbegriff ermitteln. Systematisch handele es sich bei Sonderausgaben um Einkommensverwendung. Entscheidend für den Abzug der Aufwendungen als Sonderausgaben sei, dass der Steuerpflichtige durch eigene Privataufwendungen in seiner steuerlichen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt sei.

Auffassung des Finanzamts: Meldung des Kindes entscheidend

Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung der vom Kläger geltend gemachten Kinderbetreuungskosten als Sonderausgaben im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG ab, da die Tochter während des gesamten Veranlagungszeitraums nicht zum Haushalt des Klägers gehört habe. Lebten die Elternteile – wie im Streitfall – nicht zusammen, entscheide grundsätzlich die Meldung des Kindes über dessen Haushaltszugehörigkeit.

Da die Tochter bei der Kindesmutter gemeldet gewesen sei, sei auch die Haushaltszugehörigkeit im Haushalt der Kindesmutter anzunehmen. Die Tatsache, dass das Kindergeld für die Tochter an die Kindesmutter gezahlt worden sei, stelle ein weiteres Indiz für die Zugehörigkeit des Kindes zu deren Haushalt dar.

FG Thüringen: § 10 Abs.1 Nr. 5 EStG für verfassungsgemäß

Das FG Thüringen hat entschieden (Gerichtsbescheid v. 1.2.2022, 3 K 210/21), dass der Sonderausgabenabzug für die Kinderbetreuungskosten nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG verfassungskonform ist. Inbesondere sei es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass bei geschiedenen wie auch bei nicht verheirateten oder dauernd getrenntlebenden Eltern nur derjenige Elternteil zum Abzug berechtigt sei, der die Aufwendungen getragen habe und zu dessen Haushalt das Kind gehört.

Zur Begründung führt das FG aus, dass es die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG für verfassungsgemäß hält. Die Haushaltszugehörigkeit sei vielfach Anknüpfungspunkt für steuerliche Regelungen, so dass dieses Kriterium als verfassungsrechtlich unbedenklich anzusehen sei.

Im Fall der Trennung der Eltern stehe z.B. das Kindergeld allein demjenigen Elternteil zu, der das Kind nicht nur vorübergehend versorge und betreue. Die Rechtsprechung habe dies zu Recht bisher gebilligt. So habe der BFH bereits mit Beschluss v. 14.12.2004, VIII R 106/03, entschieden, dass es nicht gegen das Grundgesetz vertößt, dass das Kindergeld gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG an denjenigen Berechtigten zu zahlen ist, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (Obhutsprinzip). Er habe das Obhutsprinzip des § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG für verfassungsgemäß gehalten. Dieses Prinzip trage der Lebenserfahrung Rechnung, dass derjenige am meisten mit dem Kindesunterhalt belastet ist, der das Kind betreut, erzieht und versorgt.

Außerdem diene die Anknüpfung an die Haushaltszugehörigkeit der Verfahrensvereinfachung, weil sich diese im Regelfall leicht feststellen lasse (BFH, Beschluss v. 10.11.1998, VI B 125/98).

Übertragung der Rechtsprechung zum Kindergeld

Diese für die Bestimmung der Kindergeldberechtigung gemachten Erwägungen gelten nach Auffassung des FG auch und erst recht für die Frage des Sonderausgabenabzugs, zumal dieser (zumindest im Streitfall) zu geringeren finanziellen Auswirkungen führe als die Kindergeldzahlung. Die steuerrechtlich erlaubte Vereinfachung ist daher aus Sicht des FG verfassungsrechtlich unschädlich.

Die Norm des § 10 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 EStG verstößt nach Auffassung des FG auch im Ergebnis nicht gegen das subjektive Nettoprinzip.

Typisierung dient Verwaltungsvereinfachung

Auch wenn der BGH den Aufwand als allgemeinen Mehrbedarf des Kindes ansehe, habe der Gesetzgeber das Recht, zur Verwaltungsvereinfachung typisierend auf die Haushaltszugehörigkeit abzustellen, insbesondere weil diese praktisch leichter feststellbar ist als die Frage, welche Aufwendungen der Steuerpflichtige mit welcher Zahlung im Einzelnen abgegolten hat. Das Erfordernis einer gesetzlichen Differenzierung in § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG, ob die Betreuungsaufwendungen zur Sicherung der Erwerbstätigkeit eines Elternteils oder zur pädagogisch begründeten Betreuung und Förderung des Kindes erfolgen, erscheine zu weitgehend und unpraktikabel.

Es sei verfassungsgemäß, den Abzug von Kinderbetreuungskosten vom Vorliegen bestimmter persönlicher Anspruchsvoraussetzungen abhängig zu machen. Das FG sieht hierin auch keinen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 GG, denn zumindest typischerweise ist der betreuende Elternteil stärker belastet, so dass ihm die steuerliche Entlastung zugesprochen werden kann. Auch verpflichtet das subjektive Nettoprinzip nicht dazu, jegliche privaten Aufwendungen zum Abzug zuzulassen, wie schon in der – verfassungsrechtlich zulässigen  – Beschränkung auf zwei Drittel der Aufwendungen und maximal 4.000 EUR je Kind deutlich werde.

Tipp: Revisionsverfahren beim BFH anhängig

Das FG hat die Revision wegen der Vielzahl der betroffenen Eltern und der oftmals hohen finanziellen Belastungen des zahlenden Elternteils zugelassen. Betroffen dürften etwa Fälle sein, bei denen geschiedene oder getrenntlebende Eltern das sog. Residenzmodell praktizieren.

Die vom FG zugelassene Revision wurde eingelegt und wird beim BFH unter dem Az III R 9/22 geführt. Betroffene sollten in vergleichbaren Fällen unter Hinweis auf das o.a. Revisionsverfahren gegen die ablehnenden Bescheide des Finanzamts Einspruch einlegen und auf das Ruhen des Verfahrens kraft Gesetzes nach § 363 Abs. 2 AO verweisen.

Außerdem wird darauf verwiesen, dass gegen eine weitere Entscheidung des FG Thüringen (Urteil v. 23.11.2021, 3 K 799/18) zur Frage des hälftigen Sonderausgabenabzugs für Betreuungskosten und des Abzugs des Entlastungsbetrages für Alleinerziehende eine Revision beim BFH unter dem Az III R 1/22 anhängig ist. Dieses Verfahren betrifft ein paritätisches Wechselmodell, wonach das gemeinsame Kind wechselseitig eine Woche bei der Mutter und eine Woche beim klagenden Vater lebt. Wegen der derzeit vorhandenen Rechtsunsicherheit sind auch in diesen Fällen betroffene Steuerbescheide durch einen Einspruch offenzuhalten.

Schlagworte zum Thema:  Kinderbetreuungskosten, Einkommensteuer