Leitsatz
1. Die Staffelung der Steuersätze nach Maßgabe der Schadstoffemissionen (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 KraftStG i.d.F. des KraftStÄndG 1997) ist grundsätzlich verfassungsgemäß.
2. Trotz der durch unterschiedliche Anforderungen an die Abgasemissionen nicht gerechtfertigten Differenzierung der Steuersätze für Dieselfahrzeuge mit mehr als 2 000 ccm Hubraum einerseits und mit bis zu 2 000 ccm Hubraum andererseits können Halter solcher kleinerer Dieselfahrzeuge eine gleiche steuerliche Begünstigung wie die Halter großer Dieselfahrzeuge nicht verlangen.
3. Unbeschadet der ökologischen Zielsetzung der Steuerstaffel des § 9 Abs. 1 Nr. 2 KraftStG ist es nicht willkürlich, die Kraftfahrzeugsteuer auch nach der Größe des Hubraums zu staffeln.
4. § 9 Abs. 1 Nr. 2 KraftStG ist nicht wegen Unverständlichkeit der tatbestandlichen Voraussetzungen der einzelnen Stufen der Steuerstaffel nichtig.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c und e KraftStG
Sachverhalt
Im KraftStÄndG 1997 (BGBl I 1997, 805) sind Steuersätze für Pkw mit schadstoffarmen Dieselmotoren eingeführt worden, die für Pkw mit bis zu 2 000 ccm Hubraum pro 100 ccm höher sind als für Pkw mit mehr als 2 000 ccm Hubraum. Der Halter eines Diesel-Pkws mit 1 570 ccm Hubraum hielt diese Differenzierung für verfassungswidrig und focht deshalb den Bescheid des FA an, in dem seine bis dahin auf 593 DM jährlich festgesetzte Kraftfahrzeugsteuer auf 913 DM heraufgesetzt worden war.
Entscheidung
Der BFH hat das klageabweisende Urteil des FG bestätigt. Die Steuerstaffel führe zwar insofern zu einer (versehentlichen) ungerechtfertigten Begünstigung der Halter großer Dieselfahrzeuge; denn diese unterlägen – anders als große Benziner – keinen strengeren Abgasnormen als kleine Fahrzeuge, so dass ihre steuerliche Privilegierung an sich nicht zu rechtfertigen sei.
Die Halterin des kleinen Fahrzeugs könne aber deshalb nicht verlangen, ebenso wie ein Halter eines Dieselfahrzeugs mit mehr als 2 000 ccm Hubraum besteuert zu werden, weil ihre steuerliche Gleichbehandlung mit den Haltern großer Dieselfahrzeuge zu einer Ungleichbehandlung mit der großen Mehrheit der Halter in ihrem Emissionsverhalten vergleichbarer Benziner führen würde.
Es erscheine ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber die Gleichbehandlung der Dieselfahrzeuge dadurch hergestellt hätte, dass er den Steuersatz für kleine Dieselfahrzeuge auf den für große (fälschlicherweise) vorgesehenen absenkt. Denn der dem Gesetzgeber bei der Aufstellung der Steuerstaffel unterlaufene Fehler würde dadurch nicht beseitigt, sondern nur noch vergrößert.
Hinweis
1. Wird eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obgleich zwischen den beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten, so ist dies verfassungsrechtlich unzulässig (vgl. Beschluss des BVerfG vom 7.10.1980, 1 BvL 50, 89/79, 1 BvR 240/79, BVerfGE 55, 72).
Schwierig kann es insbesondere bei begünstigenden Regelungen sein, die Rechtsfolgen eines solchen Verfassungsverstoßes zu bestimmen. Denn es ist oftmals nicht leicht anzugeben und erst recht nicht von Verfassungswegen vorherbestimmt, ob der Gesetzgeber den Verfassungsverstoß durch Gleichstellung der nicht begünstigten Gruppe mit der begünstigten Gruppe, also Ausdehnung der Begünstigung, beseitigen würde, wenn er zur Korrektur gezwungen wird, oder ob er stattdessen keinen der beiden begünstigen, die Begünstigung also streichen würde.
An einer steuerlichen Vorzugsbehandlung einer zu Unrecht bevorzugten anderen Gruppe (z.B. niedrigen Steuersätzen) teilzuhaben, kann der ausgeschlossene Normadressat insbesondere dann nicht verlangen, wenn diese Gruppe im Vergleich zu derjenigen, mit welcher der Betreffende gleich behandelt wird, relativ klein ist.
2. Im Besprechungsfall war es so, dass die Gruppe der zu Unrecht Begünstigten (Halter großer Dieselfahrzeuge) gegenüber der großen Masse der Kraftfahrzeughalter zweifellos klein ist. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Steuerstaffel war also nicht entscheidungserheblich, so dass der BFH auch nicht das BVerfG nach Art. 100 GG anrufen konnte.
Denn dass ungeachtet der Entscheidungserheblichkeit eine Vorlage nach Art. 100 GG zulässig ist (so Beschlüsse des BFH vom 21.10.1994, VI R 15/94, BStBl II 1995, 142, und vom 14.11.2001, X R 32-33/01, BFH-PR 2002, 132), wenn sich die gleichheitswidrige Privilegierung einer Gruppe als Benachteiligung der übrigen Steuerzahler darstellt und sich die Benachteiligung jedes Jahr bei jeder Veranlagung erneut verwirklicht, dürfte allemal dann mehr als zweifelhaft sein, wenn von einer Entscheidung des BVerfG keine Fortentwicklung des Verfassungsrechts zu erwarten ist, sondern es sich – wie bei der Diesel-Besteuerung – um eine anerkannte verfassungsrechtliche "Panne" handelt.
3. Beachten Sie, dass sich bei der Steuerstaffel des KraftStG – abgesehen von der grundlegenden Unterscheidung zwischen Pkw und anderen Fahrzeugen (Lkw), die einer Gewichtsbesteuerung ...