Leitsatz (amtlich)
1. Wird in eine bestehende GmbH & Co. KG ein weiterer Kommanditist gegen eine Bareinlage aufgenommen, so muß die KG in der Handelsbilanz nach dem Grundsatz der Bilanzidentität die Buchwerte fortführen.
2. Werden aus Anlaß des Eintritts eines neuen Kommanditisten in eine bestehende GmbH & Co. KG die Kommanditeinlagen erhöht, so kann die Erhöhung der Einlage nicht dadurch bewirkt werden, daß vorhandene stille Reserven "aufgelöst" und buchmäßig mit den Einlageforderungen verrechnet werden. Geht die GmbH & Co. KG dennoch so vor, so bewirkt sie keine Leistung im Sinne des § 2 Abs.1 Nr.2 KVStG 1972.
Orientierungssatz
§ 2 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 KVStG 1972 setzt voraus, daß der Gesellschaft eigene Mittel zur Verfügung stehen, die sie zum Abdecken der Verpflichtung der Gesellschafter verwenden kann und verwendet.
Normenkette
KVStG 1972 § 2 Abs. 1 Nr. 2 S. 2, § 5 Abs. 2 Nr. 3
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG, an der vor dem 2.Februar 1981 die T-GmbH als Komplementärin mit einem Anteil von 10 000 DM und T sowie S als Kommanditisten mit Pflichteinlagen von je 1 120 000 DM beteiligt waren.
Am 2.Februar 1981 fand eine Gesellschafterversammlung der Klägerin statt. Dabei wurde beschlossen:
1. Ab dem 31.März 1981 wird D als zusätzliche Kommanditistin mit einer Kommanditeinlage von 1 080 000 DM aufgenommen.
2. Die Kapitaleinlagen der Altgesellschafter werden anläßlich des Eintritts der D neu bewertet. Dabei werden stille Reserven im Grundvermögen der Klägerin aufgelöst. Von den stillen Reserven (2 Mio DM) werden 20 000 DM dem Festkapitalanteil der T-GmbH und je 990 000 DM den Festkapitalanteilen von T und S gutgeschrieben.
3. Außerdem erbringen die Altgesellschafter Bareinlagen in Höhe von 24 000 DM (T-GmbH) bzw. je 23 000 DM (T und S).
Die vorgenommenen Kapitalaufstockungen sollten durch den Ausweis in negativen Ergänzungsbilanzen erfolgsneutral behandelt werden.
Die Klägerin verfuhr entsprechend dem Gesellschafterbeschluß. Die erhöhten Kommanditeinlagen wurden als Haftsummen im Handelsregister eingetragen (für T und S je 2 133 000 DM).
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) sah in der Durchführung des Gesellschafterbeschlusses gesellschaftsteuerpflichtige Leistungen im Sinne des § 2 Abs.1 Nr.2 Satz 2 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG) 1972. Er erließ gegenüber der Klägerin am 10.Dezember 1981 einen Gesellschaftsteuerbescheid über 20 260 DM (Erhöhung der Kommanditanteile um 1 980 000 DM + 46 000 DM = 2 026 000 DM; davon 1 v.H.). Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 2 Abs.1 Nr.2 Satz 2 KVStG 1972.
Sie beantragt, das Urteil des Finanzgerichts (FG) München vom 25.Oktober 1983 XI 182/82-Ges und die Einspruchsentscheidung vom 26.April 1982 aufzuheben und die Gesellschaftsteuer unter Änderung des Bescheids vom 10.Dezember 1981 auf 460 DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Änderung des angefochtenen Gesellschaftsteuerbescheides in der Form der Einspruchsentscheidung vom 26.April 1982 entsprechend dem Revisionsantrag der Klägerin (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Nach § 2 Abs.1 Nr.2 KVStG 1972 unterliegen der Gesellschaftsteuer Leistungen, die von den Gesellschaftern einer inländischen Kapitalgesellschaft aufgrund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung bewirkt werden. Nach dem Klammerzusatz in § 2 Abs.1 Nr.2 Satz 1 KVStG 1972 zählen dazu insbesondere weitere Einzahlungen, Nachschüsse und Zubußen. Umgekehrt reicht die bloße gesellschaftsrechtliche Verpflichtung zu einem (weiteren) Gesellschafterbeitrag nicht aus. Die Vorschrift verlangt das Bewirken des Gesellschafterbeitrages (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17.März 1970 II 64/62, BFHE 99, 393, BStBl II 1970, 702, und vom 26.Mai 1970 II 29/65, BFHE 99, 553, BStBl II 1970, 759). § 5 Abs.2 Nr.3 KVStG 1972 bestimmt ergänzend zu § 2 Abs.1 Nr.2 KVStG 1972, daß auch Kommanditgesellschaften (KG), zu deren persönlich haftenden Gesellschaftern eine der in § 5 Abs.1 KVStG 1972 bezeichneten Gesellschaften gehört, als Kapitalgesellschaften gelten.
2. Zu diesen Voraussetzungen hat das FG in einer den erkennenden Senat bindenden Weise (§ 118 Abs.2 FGO) festgestellt, daß die Klägerin am 2.Februar 1981 eine inländische KG mit einer GmbH als persönlich haftender Gesellschafterin war. Damit war sie inländische Kapitalgesellschaft im Sinne des § 2 Abs.1 Nr.2 i.V.m. § 5 Abs.2 Nr.3 KVStG 1972. Die Gesellschafter der Klägerin beschlossen am 2.Februar 1981 anläßlich der Aufnahme einer weiteren Kommanditistin in die Klägerin eine Erhöhung der Kommanditeinlagen um 2 026 000 DM. Auf diese Erhöhung wurden 46 000 DM von den Kommanditisten bar entrichtet. Die sich daraus ergebende Gesellschaftsteuer (*= 460 DM) ist zwischen den Beteiligten außer Streit. Im übrigen wurden die Erhöhungsbeträge buchmäßig mit "Mitteln" belegt, die die Klägerin durch Auflösung stiller Reserven anläßlich der Aufnahme der neuen Kommanditistin "realisierte". Hierin liegt jedoch kein Bewirken eines Gesellschafterbeitrages. Die vorgenommene Auflösung stiller Reserven war bilanzrechtlich unzulässig. Durch sie konnte keine Leistung im Sinne des § 2 Abs.1 Nr.2 Satz 2 KVStG 1972 bewirkt werden.
3. Wird in eine bestehende GmbH & Co. KG --wie im Streitfall-- ein weiterer Kommanditist gegen eine Bareinlage aufgenommen, so müssen nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (§ 38 des Handelsgesetzbuches --HGB--) die Wertansätze in der Eröffnungsbilanz der durch den Aufnahmevertrag erweiterten GmbH & Co. KG mit denen der Schlußbilanz des vorhergehenden Geschäftsjahres übereinstimmen, die für dieselbe GmbH & Co. KG in ihrem früheren Gesellschafterbestand erstellt wurde (Grundsatz der Bilanzidentität; vgl. heute: § 252 Abs.1 Nr.1 HGB n.F.). Dies ergibt sich aus der Identität des bilanzierenden Kaufmanns in der Form der zuvor bestehenden und der durch den Aufnahmevertrag erweiterten GmbH & Co. KG. Zwar tritt durch den Aufnahmevertrag ein neuer Gesellschafter in die KG ein. Dadurch werden jedoch lediglich die Anteile der übrigen Gesellschafter vermindert. Der neu eintretende Gesellschafter erwirbt seinen Anteil am Gesellschaftsvermögen als Rechtsfolge der Mitgliedschaft. Die KG bleibt dagegen als solche bestehen. Ihre Identität als Gesellschaft wird nicht verändert. Die Änderung des Mitgliederbestandes zieht keine Neugründung der Gesellschaft nach sich. Es findet weder eine Änderung der Firma noch eine Vermögensübertragung statt (vgl. Urteil des Reichsgerichts --RG-- vom 15.April 1913 II 649/12, RGZ 82, 160; A. Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, 4.Aufl., 1971, S.392; Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil, S.65; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 45 II Nrn.3 und 4; Kübler, Gesellschaftsrecht, 2.Aufl., 1985 § 6 IV 4; Clemm/Gutike, Die Wirtschaftsprüfung --WPg-- 1976, 425). Ob mit Rücksicht auf § 24 des Umwandlungs-Steuergesetzes (UmwStG) und die ggf. aufzustellenden Ergänzungsbilanzen ertragsteuerrechtlich etwas anderes gilt (vgl. BFH-Urteil vom 23.Mai 1985 IV R 210/83, BFHE 144, 220, BStBl II 1985, 695; Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2.Aufl., Rdnrn.7815 und 7827; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 16 EStG Rdnr.310, und § 22 UmwStG 1969 Rdnr.76), ist entscheidungsunerheblich, weil im Streitfall nur über eine Leistungsbewirkung im Sinne des § 2 Abs.1 Nr.2 KVStG 1972, d.h. im zivilrechtlichen Sinne zu entscheiden ist.
4. War aber die von der Klägerin vorgenommene "Auflösung stiller Reserven" bilanzrechtlich unzulässig, so fehlt es zivilrechtlich an einem Abdecken der Verpflichtung der Kommanditisten mit Mitteln der Klägerin im Sinne des § 2 Abs.1 Nr.2 Satz 2 KVStG 1972. Die Vorschrift setzt voraus, daß der Gesellschaft eigene Mittel zur Verfügung stehen, die sie zum Abdecken der Verpflichtung der Gesellschafter verwenden kann und verwendet. Daran fehlt es, wenn die Gesellschaft mit Hilfe einer bilanzrechtlich unzulässigen Auflösung stiller Reserven einen tatsächlich nicht erzielten Gewinn mit den Einlageforderungen gegenüber den Gesellschaftern buchmäßig verrechnet. Der Buchvorgang bewirkt nicht die Erfüllung der Einlageforderungen. Durch ihn wird das Vermögen der Gesellschaft nicht vermehrt. Eine Kapitalzufuhr findet nicht statt. Damit fehlt es an einer Leistung im Sinne des § 2 Abs.1 Nr.2 KVStG 1972 (vgl. BFH-Urteile vom 28.Januar 1969 II 189/65, BFHE 95, 121, BStBl II 1969, 323, und vom 21.April 1970 II 206/65, BFHE 99, 498, BStBl II 1970, 689).
5. Der Hinweis in der Vorentscheidung auf § 41 der Abgabenordnung (AO 1977) liegt neben der Sache. Die Vorschrift betrifft die steuerliche Behandlung des tatsächlichen Vollzuges zivilrechtlich unwirksamer Rechtsgeschäfte. Um eine solche Beurteilung geht es im Streitfall nicht. Dieser betrifft vielmehr die Frage, ob die im Gesellschafterbeschluß vom 2.Februar 1981 vereinbarten Gesellschafterbeiträge tatsächlich bewirkt wurden. Der erkennende Senat hat diese Frage verneint. Damit kommt eine Anwendung auch des § 41 Abs.1 AO 1977 nicht in Betracht. Wäre die Frage zu bejahen, so wären die Voraussetzungen des § 2 Abs.1 Nr.2 KVStG 1972 unmittelbar erfüllt, ohne daß es eines Rückgriffs auf § 41 Abs.1 AO 1977 bedürfte.
6. Ist aber der Tatbestand des § 2 Abs.1 Nr.2 KVStG 1972 nicht verwirklicht worden, so ist die in dem streitigen Teil des angefochtenen Gesellschaftsteuerbescheides festgesetzte Gesellschaftsteuer nicht entstanden. Die Vorentscheidung, die von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, ist fehlerhaft. Sie kann keinen Bestand haben. Die Sache ist entscheidungsreif. Aufgrund der Revision der Klägerin war dem Revisionsantrag entsprechend der angefochtene Steuerbescheid zu ändern und die Gesellschaftsteuer auf 460 DM herabzusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 62775 |
BFH/NV 1989, 30 |
BStBl II 1989, 570 |
BFHE 156, 264 |
BB 1989, 1260-1260 (L) |
DB 1989, 1607-1608 (ST) |
DStR 1989, 402 (K) |
HFR 1989, 492 (LT) |