Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung eines Betriebsgrundstücks im Sachwertverfahren
Leitsatz (NV)
1. Für die Frage, ob das Grundstück zu einer Gruppe von Geschäftsgrundstücken gehört, die nach § 76 Abs. 3 Nr. 2 BewG nach dem Sachwertverfahren zu bewerten ist, ist entscheidend, ob die Schätzung der üblichen Miete bzw. die Ermittlung der Jahresrohmiete für die im Ertragswertverfahren zu bewertenden Gruppen von Geschäftsgrundstücken anhand einer hinreichenden Zahl vermieteter Objekte gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung möglich ist.
2. Die Aufstellung in Abschn. 16 Abs. 6 und 7 BewRGr über die im Sachwertverfahren zu bewertenden Gruppen von Geschäftsgrundstücken gibt einen Erfahrungssachverhalt wieder, den die Gerichte ihren Entscheidungen grundsätzlich ohne weitere Sachverhaltsforschung zugrunde legen können. Diesem Sachverhalt kommt die Bedeutung eines Beweises des ersten Anscheins und damit einer Umkehr der Behauptungslast zu (BFH-Urteile vom 11. Februar 1977 III R 125/75, a.a.O. sowie vom 7. November 1975 III R 120/74 a.a.O.).
3. Die Bewertung im Sachwertverfahren kann nicht allein mit der Begründung ausgeschlossen werden, es sei rein rechnerisch oder in Einzelfällen möglich, eine zutreffende Jahresrohmiete zu ermitteln (vgl. BFH-Urteil vom 20. Februar 1981 III R 42, 47/78, a.a.O.). Auch ist es für die Anwendung des Sachwertverfahrens ohne Bedeutung, ob sich im Einzelfall nach dem Ertragswertverfahren ein niedrigerer Einheitswert ergeben würde (vgl. BFH-Urteil vom 11. Februar 1977 III R 125/75, a.a.O.).
4. Eine auf Besonderheiten der örtlichen Preisentwicklung beruhende Überbewertung im Einzelfall ist angesichts der mit der Einheitsbewertung notwendigerweise verbundenen pauschalen und für einen längeren Zeitraum Geltung beanspruchenden Feststellung einfachrechtlich hinnehmbar und verstößt auch nicht gegen Grundrechte der Verfassung.
Normenkette
BewG §§ 27, 83, 90, 75 Abs. 1 Nrn. 1-3, § 76 Abs. 1, 3 Nr. 2, § 79 Abs. 2
Verfahrensgang
Nachgehend
Gründe
Das Finanzgericht (FG) ist ohne Rechtsverstoß davon ausgegangen, daß das Grundstück der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) im Sachwertverfahren zu bewerten ist. Der Wert eines Geschäftsgrundstücks ist nach § 76 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) grundsätzlich im Ertragswertverfahren zu ermitteln. Abweichend davon ist das Sachwertverfahren bei solchen Gruppen von Geschäftsgrundstücken und in solchen Einzelfällen bebauter Grundstücke der in § 75 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 BewG bezeichneten Grundstücksarten durchzuführen, für die weder eine Jahresrohmiete ermittelt noch die übliche Miete nach § 79 Abs. 2 BewG geschätzt werden kann (§ 76 Abs. 3 Nr. 2 BewG).
Nach der Rechtsprechung des früher für die Einheitsbewertung zuständigen III.Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) kommt es für die Frage, ob das Grundstück zu einer Gruppe von Geschäftsgrundstücken gehört, die nach § 76 Abs. 3 Nr. 2 BewG nach dem Sachwertverfahren zu bewerten sind, entscheidend darauf an, ob die Schätzung der üblichen Miete bzw. die Ermittlung der Jahresrohmiete für die im Ertragswertverfahren zu bewertenden Gruppen von Geschäftsgrundstücken anhand einer hinreichenden Zahl vermieteter Objekte gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung möglich ist. Denn nur wenn die erforderliche Zahl vermieteter Objekte vorhanden ist, können sich die Verhältnisse der Gruppe auf die gesetzliche Gestaltung des Ertragswertverfahrens, insbesondere die Gestaltung der Vervielfältiger, ausgewirkt haben. Die Zahl vermieteter Objekte muß deshalb so groß sein, daß die daraus abgeleitete Miete als regelmäßig gezahlte gesichert ist. Die Vermietungsfälle müssen überdies über das Bundesgebiet so verteilt sein, daß es jedem FA möglich ist, die Bewertung eigenverantwortlich durchzuführen (vgl. BFH-Urteile vom 20. Februar 1981 III R 42, 47/78, BFHE 133, 73, BStBl II 1981, 458, 459, und vom 11. Februar 1977 III R 125/75, BFHE 121, 503, BSTBl II 1977, 408f.). Denn die Gruppen von Geschäftsgrundstücken, deren Wert nach § 76 Abs. 3 Nr. 2 BewG im Sachwertverfahren zu ermitteln ist, sind für den gesamten Geltungsbereich des BewG einheitlich zu bestimmen (vgl. BFH-Urteil vom 7. November 1975 III R 120/74, BFHE 118, 59, BStBl II 1976, 277). Die Aufstellung in Abschn. 16 Abs. 6 und 7 der Richtlinien für die Bewertung des Grundvermögens (BewRGr) über die im Sachwertverfahren zu bewertenden Gruppen von Geschäftsgrundstücken gibt einen Erfahrungssachverhalt wieder, den die Gerichte ihren Entscheidungen grundsätzlich ohne weitere Sachverhaltserforschung zugrunde legen können. Diesem kommt die Bedeutung eines Beweises des ersten Anscheins und damit einer Umkehr der Behauptungslast zu (BFH-Urteile in BFHE 121, 503, BStBl II 1977, 408f. und in BFHE 118, 59, BStBl II 1976, 277). An dieser Rechtsprechung des III.Senats hält der erkennende Senat fest.
Zu den Geschäftsgrundstücken i.S. des § 76 Abs. 3 Nr. 2 BewG, für die weder eine Jahresrohmiete ermittelt noch die übliche Miete nach § 79 Abs. 2 BewG geschätzt werden kann, gehören u.a. Lagerhausgrundstücke (vgl. Abschn. 16 Abs. 7 Satz 1 BewRGr). Bei den Gebäuden, die sich auf dem Grundstück der Klägerin im Feststellungszeitpunkt 1. Januar 1986 befanden, handelte es sich mit Ausnahme einiger weniger Nebengebäude um Lagerhallen und zwei Lagerzwischenhallen. Danach geben die Lagerhallen dem Grundstück der Klägerin das Gepräge. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, daß das FG davon ausgegangen ist, daß das Grundstück der Klägerin in die Gruppe der in § 76 Abs. 3 Nr. 2 BewG genannten Grundstücke einzuordnen ist.
Die Behauptung der Klägerin, für ihr Grundstück könne eine Jahresrohmiete ermittelt bzw. die übliche Miete geschätzt werden, ist nicht geeignet, die Richtigkeit der Richtlinienaussage in Zweifel zu ziehen. Denn die Bewertung im Sachwertverfahren kann nicht allein mit der Begründung ausgeschlossen werden, es sei rein rechnerisch oder in Einzelfällen möglich, eine zutreffende Jahresrohmiete zu ermitteln (vgl. BFH-Urteil in BFHE 133, 73, BStBl II 1981, 458, 459). Auch ist es für die Anwendung des Sachwertverfahrens ohne Bedeutung, ob sich im Einzelfall nach dem Ertragswertverfahren ein niedrigerer Einheitswert ergeben würde (vgl. BFH-Urteil in BFHE 121, 503, BStBl II 1977, 408f.). Dem Antrag der Klägerin, über ihre diesbezügliche Behauptung Beweis zu erheben, war das FG deshalb wegen fehlender Rechtserheblichkeit nicht verpflichtet zu folgen.
Auch dem Begehren der Klägerin, bei der Bewertung ihres Grundstücks im Sachwertverfahren den von ihr zu zahlenden Kaufpreis als gemeinen Wert des Grundstücks zugrunde zu legen, kann nicht gefolgt werden. Zutreffend hat das FG insoweit darauf abgestellt, daß gemäß § 27 BewG bei Nachfeststellungen der Einheitswerte für Grundbesitz die Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt, das ist der 1. Januar 1964, zugrunde zu legen sind. Sinn dieser Vorschrift ist es, im Interesse einer gleichmäßigen und damit gerechten Bewertung und Besteuerung die Wertverhältnisse, die zum Hauptfeststellungszeitpunkt maßgebend waren, bis zur nächsten Hauptfeststellung festzuschreiben. Veränderungen des Wertniveaus im Laufe des Hauptfeststellungszeitraums haben bei Fortschreibungen und Nachfeststellungen unberücksichtigt zu bleiben (vgl. BFH-Urteil vom 12. März 1982 III R 63/79, BFHE 135, 341, BStBl II 1982, 451).
Der von der Klägerin im Jahre 1985 gezahlte Kaufpreis ist auch nicht geeignet, die Grundlage für die Ermittlung der Wertverhältnisse zum Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 zu bilden. Hierzu könnte allenfalls - worauf das FG zu Recht hinweist - auf den von der B. für den Erwerb des Grundstücks im Jahre 1963 gezahlten Kaufpreis zurückgegriffen werden. Die veränderte Situation am Grundstücksmarkt in A seit dem Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 kann im Hinblick auf die Regelung in § 27 BewG nicht berücksichtigt werden. Für die Nachfeststellung ist - entgegen der Auffassung der Klägerin - deshalb nicht der gemeine Wert im Nachfeststellungszeitpunkt von Bedeutung, vielmehr sind allein die Wertverhältnisse zum Hauptfeststellungszeitpunkt maßgebend. Demnach kommt, soweit § 83 und § 90 BewG eine Angleichung des Ausgangswertes (§ 83 BewG) an den gemeinen Wert des Grundstücks vorsehen, eine solche Angleichung nur an den gemeinen Wert zum Hauptfeststellungszeitpunkt (1. Januar 1964) in Betracht und nicht - wovon die Klägerin ausgeht - eine Angleichung an den gemeinen Wert zum Nachfeststellungszeitpunkt. Ein für sie günstigeres Ergebnis kann sich für die Klägerin aber aufgrund einer Angleichung an den gemeinen Wert des Grundstücks zum Hauptfeststellungszeitpunkt nicht ergeben, da dieser - wie der im Jahre 1963 gezahlte Kaufpreis in Höhe von 1378000 DM belegt - den vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) festgestellten Einheitswert auf den 1. Januar 1986 in Höhe von 872100 DM erheblich übersteigt.
c) Der Senat sah auch keinen Anlaß, dem Hilfsantrag der Klägerin, das Verfahren gemäß Art. 100 des Grundgesetzes auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen über die Ermittlung von Einheitswerten für das Grundvermögen auf der Grundlage der Wertverhältnisse zum 1. Januar 1964 einzuholen, zu entsprechen.
Die von der Klägerin geltend gemachte Überbewertung ihres Grundstücks ist als solche verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie wird von ihr begründet mit einer Besonderheit der örtlichen Preisentwicklung. Eine dadurch verursachte Überbewertung kann im Einzelfall auch innerhalb eines kürzeren (und damit unzweifelhaft verfassungsgemäßen) Hauptfeststellungszeitraums eintreten. Sie ist angesichts der mit einer Einheitsbewertung notwendigerweise verbundenen pauschalen und für einen längeren Zeitraum Geltung beanspruchenden Feststellung einfachrechtlich hinnehmbar und verstößt auch nicht gegen Grundrechte der Verfassung. Die Frage einer Privilegierung des Grundvermögens gegenüber anderen Vermögensarten stellt sich im Streitfall gerade nicht, da ja eine - gegenüber dem Verkehrswert - zu hohe Einheitsbewertung eines Grundstücks behauptet wird.
Dem Antrag der Klägerin, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, vermag der Senat nicht zu entsprechen. Nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 251 der Zivilprozeßordnung hat das Gericht das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn beide Parteien dies beantragen und anzunehmen ist, daß diese Anordnung aus wichtigen Gründen, z.B. wegen eines anhängigen Musterprozesses, zweckmäßig ist. Derartige Zweckmäßigkeitsgründe liegen im Streitfall schon deshalb nicht vor, weil die Verfahren, auf die sich die Klägerin bezieht, ausschließlich die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Privilegierung des Grundvermögens gegenüber den anderen Vermögensarten betreffen. Diese Frage ist jedoch - wie oben dargelegt - nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Da kein ausreichender Grund, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, vorliegt, kommt es auf die Zustimmung des FA nicht an.
Im übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofes ohne weitere Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 423259 |
BFH/NV 1994, 362 |