Generelle Steuerpflicht für Streubesitzdividenden

Der Vermittlungsausschuss will für Streubesitzdividenden keine generelle Steuerbefreiung, sondern umgekehrt die generelle Steuerpflicht.

Hintergrund ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH, Urteil v. 20.10.2011, C-284/09). Die Richter hatten moniert, dass inländische Firmen Streubesitzdividenden im Gegensatz zu ausländischen Aktionären steuerfrei kassieren.

Eine Lösung wurde jetzt auf der nächsten Sitzung des Vermittlungsausschusses am 26.2.2013 angestrebt. Hiernach soll § 8b Abs. 4 KStG neu gefasst werden, in dem Bezüge - abweichend von § 8b Abs. 1 KStG bei der Ermittlung des Einkommens zu berücksichtigen sind, wenn die Beteiligung zu Beginn des Kalenderjahres unmittelbar weniger als 10 Prozent des Grund- oder Stammkapitals betragen hat. Insoweit soll es also nicht zur generellen Steuerbefreiung kommen, sondern umgekehrt die generelle Steuerpflicht für Streubesitzdividenden.

Hinweis: Bundestag und Bundesrat müssen die Empfehlungen des Vermittlungsausschusses noch bestätigen. Beide Häuser werden sich voraussichtlich schon in dieser Woche mit dem Gesetz befassen.

Der Bundesrat hatte bereits in seiner Stellungnahme zum Jahressteuergesetz 2013 (BR-Drucks. 302/12 (B)) vorgeschlagen, für Streubesitzbeteiligungen die Steuerbefreiung nach § 8b KStG für Dividendenausschüttungen und Veräußerungsgewinne nicht zu gewähren. Demzufolge sollte die von dem EuGH monierte Diskriminierung dadurch beseitigt werden, dass die jetzige Behandlung für beschränkt auch auf unbeschränkt Steuerpflichtige übertragen wird. Die Lösung wurde u.a. mit einer angespannten Haushaltslage begründet. Eine Besserstellung der beschränkt Steuerpflichtigen würde zu erheblichen Steuermindereinnahmen führen. Die Bundesregierung hatte in ihrer Erwiderung dem Bundesrat eine Prüfung des Vorschlags zugesichert (BT-Drucks. 17/10604 S.47), gleichwohl die vorgeschlagene Änderung im Jahressteuergesetz 2013 nicht aufgriffen, das mittlerweile ganz gestrichen worden ist..

Hintergrund

Nach dem EuGH-Urteil vom 20.10.2011 verstößt Deutschland gegen EU-Recht, soweit es Dividendenzahlungen (Portfolio-Dividenden, Streubesitzdividenden bei einer Beteiligung von weniger als 10 % am Gesamtkapital einer Gesellschaft) an ausländische Unternehmen aufgrund der Abgeltungswirkung des Steuerabzugs nach § 32 KStG höher besteuert als solche an inländische Betriebe. Aus diesem Grund schränkt Deutschland damit den freien Kapitalverkehr und die Niederlassungsfreiheit ein, stellte der EuGH klar.

Deutschland hat durch die ungleiche Besteuerung die Verpflichtungen aus der Mutter-Tochter-Richtlinie 2003/123/EG bei der dort vorgesehene Mindestbeteiligung nicht erreicht, Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten (oder dem EWR-Raum mit Sitz in Island oder in Norwegen) ausgeschüttet werden, wirtschaftlich einer höheren Besteuerung unterwirft. Benachteiligt werden ausländische Kapitalgesellschaften, wenn sie mit weniger als 10 Prozent an einer deutschen Aktiengesellschaft beteiligt sind. Im Anschluss daran wurde diese Rechtsprechung vom BFH übernommen (v. 11.01.2012 - I R 25/10 und I R 30/10, BFH/NV 2012 S. 1105).

Bemängelt wurde die derzeit geltende Regelung, wonach die nachträgliche Erstattung einbehaltener und abgeführter Kapitalertragsteuer (25 % mit Abgeltungswirkung, 15 %, wenn dies auf Grund eines DBA oder internen Regelungen im EStG) noch auf analoger Anwendung von § 50d Abs. 1 EStG erfolgt - auf Antrag des Gläubigers der Kapitalerträge auf der Grundlage eines Freistellungsbescheids. Dabei werden aber die Einschränkungen in § 50d Abs. 3 EStG weiterhin beachtet (BMF 23.5.2012, IV B 3 - S 2411/07/10006).

Werden dagegen Dividenden an im Inland ansässige Körperschaften ausgeschüttet, ist die einbehaltene Kapitalertragsteuer für bei der Einkommensermittlung gem. § 8b Abs. 1 KStG außer Ansatz bleibende Dividenden auf die Körperschaftsteuer anzurechnen.

  • Der Regierungsentwurf enthielt die zur Anpassung an die Vorgaben des EuGH erforderlichen Änderungen, indem der vom Gerichtshof beanstandete unionsrechtswidrige Zustand - auch mit Wirkung für die Vergangenheit - beseitigt wird. Die betroffenen im EU-oder EWR-Ausland ansässigen Körperschaften können unter den vorgegebenen Voraussetzungen eine Erstattung der zu Unrecht einbehaltenen Kapitalertragssteuer verlangen. Nicht vorgesehen ist die Erstattung an Körperschaften aus Drittstaaten sowie dem EWR-Land Liechtenstein. Nach einem neuen § 32 Abs. 5 KStG gilt Abgeltungswirkung bei beschränkt steuerpflichtige Gesellschaft nur, soweit

  • keine Erstattung der betreffenden Kapitalertragsteuer nach anderen Vorschriften vorgesehen ist (z.B. §§ 44a Abs. 9, 50d EStG),

  • die Kapitalerträge nach § 8b Abs. 1 KStG bei der Einkommensermittlung außer Ansatz bleiben würden, Hierbei ist die Fiktion von Betriebsausgaben, die nicht abzugsfähig sind, in Höhe von 5 % unbeachtlich. Die Erstattung richtet sich also nach dem Bruttobetrag.

  • die Kapitalerträge aufgrund ausländischer Vorschriften keiner Person zugerechnet werden, die keinen Anspruch auf Erstattung hätte, wenn sie die Kapitalerträge unmittelbar erzielte (z.B. über eine Gruppenbesteuerung),

  • ein Anspruch auf völlige oder teilweise Erstattung der Kapitalertragsteuer bei entsprechender Anwendung des § 50d Abs. 3 EStG nicht ausgeschlossen wäre und

  • die Kapitalertragsteuer nicht beim Dividendenempfänger angerechnet oder als Betriebsausgabe oder als Werbungskosten abgezogen werden kann.

Von der Neuregelung sollten auch Aktienfonds profitieren, die Aktien ausschließlich als Streubesitz halten. Ausländische Investmentfonds, für die in ihrem Ansässigkeitsstaat eine mit § 11 InvStG vergleichbare Körperschaftsteuerbefreiung gilt, sind hingegen nicht vom Anwendungsbereich des neuen § 32 Abs. 5 KStG umfasst.

Neuer Vorschlag

Kernpunkt ist der geänderte § 8b Abs. 4 KStG, wonach Bezüge abweichend von § 8b Abs. 1 KStG bei der Ermittlung des Einkommens zu berücksichtigen sind, wenn die Beteiligung zu Beginn des Kalenderjahres unmittelbar weniger als 10 % des Grund- oder Stammkapitals betragen hat. Insoweit soll es also statt der geplanten generellen Steuerbefreiung zur generellen Steuerpflicht für Streubesitzdividenden kommen - für in- uns ausländische Körperschaften.

Das soll erstmals für Bezüge anzuwenden sein, die nach dem 28. Februar 2013 zufließen.

Die entsprechende Änderung des Investmentsteuergesetzes vollzieht dies für Aktienfonds nach, die Aktien als Streubesitz halten. Auf die Einnahmen aus einer Rückgabe, Veräußerung oder Entnahme von Investmentanteilen, die nach dem 28. Februar 2013 erfolgt, ist § 8b Abs. 4 KStG nicht anzuwenden, soweit sie dort genannte, dem Anleger noch nicht zugeflossene oder als zugeflossen geltende Einnahmen enthalten, die dem Investmentvermögen vor dem 1. März 2013 zugeflossen sind oder als zugeflossen gelten. 

Hinweis: Die Entscheidung für oder gegen eine Steuerfreiheit von Streubesitzdividenden ist im Wesentlichen eine politische Entscheidung. Eine Pflicht des Gesetzgebers zur Steuerfreistellung von Dividenden ist weder aus unionsrechtlicher oder verfassungsrechtlicher Sicht erkennbar, denn der EuGH hatte keine Vorgaben für eine Neuregelung gemacht.

Beschluss des VA vom 26.02.13 zu dem Gesetz zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20. Oktober 2011 in der Rechts­sache C‑284/09

Schlagworte zum Thema:  Kapitalertragsteuer, Kapitalgesellschaft