Alleingesellschafter und doch beschäftigt?

Eine Ein-Personen-Gesellschaft ist keine Firewall gegen die Sozialversicherungspflicht – Pflegefachdienstleitungen und sonstige beratende Tätigkeiten können zur Sozialversicherungspflicht führen. Dies hat das Bundessozialgericht in drei Revisionsverfahren entschieden.

Ein erster Blick in das Gesellschaftsrecht

„Gesellschaftsgründung leicht gemacht“: Die Gründung einer Kapitalgesellschaft ist seit Ende 2008 ganz einfach. Seitdem lässt sich eine sog. haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft (kurz UG) auch mit 1 Euro gründen (§ 5a GmbHG).

Beschäftigung und Sozialversicherung?

Was aber ist mit der Sozialversicherungspflicht ihres Alleingesellschaftergeschäftsführers, wenn sich eine solche (Kapital)Gesellschaft zur Erbringung von Dienstleistungen verpflichtet, die der Alleingesellschafter als dessen Erfüllungsgehilfe erbringt? Diese Frage hat das BSG jetzt in drei Musterverfahren beantwortet und dem Konstrukt – Gründung einer zwischengeschalteten UG/GmbH – zur Vermeidung der Sozialversicherungspflicht eine Absage erteilt. Die Sozialversicherungspflicht ist kein Wunschkonzert zivilrechtlicher Ausgestaltung und folgt ihren eigenen Regelungen. Der sich selbst überlassende Alleingesellschafter, der die von der Gesellschaft eingegangene Verpflichtung erfüllt, unterliegt den gleichen sozialversicherungsrechtlichen Regeln zur Ermittlung eines Beschäftigungsverhältnisses, wie jeder andere auch. 

Es zählt allein die sozial(versicherungs)rechtliche Eingliederung

Bei der Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status einer Person zählen (im Zweifel allein) die tatsächlichen Gegebenheiten. Erbringt der Alleingesellschafter einer Kapitalgesellschaft Pflegedienstleistungen im stationären Bereich eines Krankenhauses bzw. sonstige beratende Tätigkeit, führt dies zu einer die Sozialversicherungspflicht auslösenden Beschäftigung zum Auftraggeber, wenn und soweit diese Tätigkeit ihrer Art nach zu einer Eingliederung in die Arbeitsorganisation des anderen Unternehmens führt und dies eine Weisungsgebundenheit an den dortigen Weisungsgeber bedingt (sozialversicherungsrechtliche Eingliederungstheorie; § 7a Abs. 2 Satz 2 SGB IV).

Keine Flucht in zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft

Fehlende vertragliche Beziehung zwischen dem Alleingesellschafter und dem Auftraggeber spielen sozialversicherungsrechtlich keine Rolle. Der faktischen Eingliederung in den fremden Betrieb kann daher weder die Kapitalgesellschaft, noch der Alleingesellschafter, noch der Auftraggeber entgegenhalten, es bestünden nur Vertragsbeziehungen zwischen der Kapitalgesellschaft und dem Auftraggeber, nicht jedoch auch zwischen Auftraggeber und Alleingesellschafter. Mit der Gründung der Kapitalgesellschaft kann die Sozialversicherungspflicht nicht umgangen werden. Zivilrechtliche Vertragsbeziehungen zwischen Alleingesellschafter und Krankenhaus bzw. Auftraggeber sind für die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses nicht zwingend erforderlich. 

Musterverfahren beim BSG

Das BSG hat in drei Musterverfahren in diesem Sinne entschieden und nach der Beurteilung der tatsächlichen Umstände im Rahmen einer Gesamtabwägung die in Rede stehenden Tätigkeiten als Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne gewertet (§ 7 Abs. 1 SGB IV) und dem Grunde nach auch die Sozialversicherungspflicht in den jeweiligen Zweigen der Sozialversicherung bejaht

Hinweis: BSG, Urteile v. 20.7.2023, B 12 BA 1/23 R, B 12 R 15/21 R und B 12 BA 4/22 R - noch nicht veröffentlicht

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