BSG-Urteil Hartz IV: Kind im Heim nicht zur Bedarfsgemeinschaft

Das Kindergeld für ein im Heim lebendes behindertes Kindes zählt nicht zum Einkommen der Mutter. Denn durch die Heimunterbringung besteht keine Bedarfsgemeinschaft. Das Kindergeld darf nicht bei der Grundsicherung angerechnet werden.

Ein schwerbehinderter Junge lebte nicht zu Hause bei der Mutter, sondern in einer Einrichtung der Behindertenhilfe. Er besuchte von dort aus die Schule. In 14-tägigen Abständen holte die Klägerin, seine verwitwete Mutter, ihren Sohn an den Wochenenden nach Hause, ebenso in den Schulferien. Sie versorgte ihn dann zuhause mit Hilfe eines Pflegedienstes.

Kindergeld wurde nachweislich direkt an den Sohn weitergeleitet

Die Mutter bezog eine Witwenrente von 179 EUR, daneben das Kindergeld für ihren Sohn in Höhe von 154 EUR. Ihr Antrag auf Abzweigung des Kindergeldes an den Sohn lehnte die Familienkasse ab. Das Kindergeld wurde auf das Konto des Sohnes überwiesen, jedoch von dort monatlich 80 EUR per Dauerauftrag die Einrichtung abgeführt. Der Sohn bezog eine Halbwaisenrente und Blindengeld. Seine Heimunterbringung wurde vom zuständigen Sozialhilfeträger übernommen.

Grundsicherung wurde um das Kindergeld gekürzt

Das Jobcenter rechnete bei der Bemessung der Grundsicherungsleistungen der Mutter (Hartz IV) neben der Witwenrente das für den Sohn gezahlte Kindergeld als Einkommen der Klägerin an. Die Klägerin ging gegen die von dem beklagten Jobcenter festgesetzte Höhe der Grundsicherungsleistungen vor. Insbesondere monierte sie die Berücksichtigung von Kindergeld als Einkommen.

LSG: Kindergeld zählt nicht als Einkommen des Hartz IV-Leistungsberechtigten

Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Klägerin gegen das vorangegangene SG-Urteil das Jobcenter verurteilt, der Klägerin Leistungen nach dem SGB II zu bewilligen. Das für den Sohn gezahlte Kindergeld solle dabei außer Acht gelassen werden. Dem Jobcenter wurden zudem Verschuldenskosten von 800 EUR auferlegt.

Das Kindergeld sei kein Einkommen der Klägerin, sondern des Sohnes (§ 1 Abs. 1 Nr. 8 ALG II-Verordnung). Nach dieser Vorschrift sei Kindergeld nicht als Einkommen des Leistungsberechtigten zu berücksichtigen, wenn es "nachweislich an das nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende volljährige Kind weitergeleitet wird".

Jobcenter geht in Revision gegen LSG-Entscheidung

Das Jobcenter rügte mittels Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 8 ALG II-VO durch das LSG widerspräche der Begründung des Verordnungsentwurfs, nach der sich die Regelung nur auf Kinder in Ausbildung bezöge. Eltern, die ihre in Ausbildung befindlichen Kinder unterstützen, stünden sonst schlechter da als Auszubildende mit BAföG, denen das Kindergeld nicht als Einkommen angerechnet werde.

Der Sohn der Klägerin werde in der Einrichtung voll versorgt und sei auch wirtschaftlich nicht selbstständig.

BSG bestätigt: Keine Anrechnung des Kindergelds

Das Bundessozialgericht (BSG) wies die Revision des Jobcenters zurück (BSG, Urteil v. 16.04.2013, B 14 AS 81/12 R). Das LSG hat zu Recht die Berücksichtigung der Kindergeldzahlung als Einkommen der Mutter abgelehnt. Mutter und schwerstbehinderter volljähriger Sohn, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe hat, bildeten keine Bedarfsgemeinschaft. Dass sich der Sohn an Wochenenden bzw. in den Ferien zuhause lebt, sei kein Grund, das Kindergeld als Einkommen der Klägerin zu berücksichtigen. Zumal das Kindergeld nachweislich an den Sohn weitergeleitet.

Rechtsgrundlage:

ALG II-Verordnung

§ 1 Nicht als Einkommen zu berücksichtigende Einnahmen

(1) Außer den in § 11 a SGB II genannten Einnahmen sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen:

[...]

8. Kindergeld für Kinder des Hilfebedürftigen, soweit es nachweislich an das nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende Kind weitergeleitet wird, [...]

BSG