Berichtigung des Vorsteuerabzugs infolge Insolvenzanfechtung

Führt eine erfolgreiche Insolvenzanfechtung nach §§ 129 ff. InsO zu einer Rückzahlung an den Insolvenzverwalter, so wird die Entgeltforderung des umsatzsteuerpflichtigen Anfechtungsgegners nachträglich uneinbringlich i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG.

Die daraus folgende Berichtigung des Vorsteuerabzugs durch den Insolvenzverwalter führt zur Erstattungspflicht der durch den Insolvenzschuldner vorinsolvenzlich gezogenen Vorsteuer. Dieser Erstattungsanspruch ist nach dem aktuellen Urteil des BFH als Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO aus der Insolvenzmasse zu erstatten.

Hintergrund: Vorsteuerabzug korrigiert – FA: Masseverbindlichkeit

Der Insolvenzverwalter hatte erfolgreich Zahlungen angefochten, die das Schuldnerunternehmen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens für Lieferungen und Leistungen an seine Gläubiger gezahlt hatte. Die Gläubiger mussten die erhaltenen Zahlungen im Jahr 2013 (Streitjahr) an die Insolvenzmasse zurückzahlen. Der Insolvenzverwalter korrigierte aufgrund der vereinnahmten Rückzahlungen – unter der Steuernummer der Insolvenzmasse – den Vorsteuerabzug in der Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr. Er beantragte bei dem zuständigen Finanzamt, die Umsatzsteuerfestsetzung für das Jahr 2013 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer auf 0 € festgesetzt wird, da die Erstattung nur als Insolvenzforderung (unter der Steuernummer des Schuldnerunternehmens) zur Tabelle anzumelden sei. Dies lehnte das Finanzamt ab und trug vor, dass die aus der Vorsteuerberichtigung resultierende Umsatzsteuerschuld eine Masseverbindlichkeit darstelle.

Die Entscheidung des BFH: Umsatzsteuerschuld ist Masseverbindlichkeit und muss befriedigt werden

Nach der Entscheidung des BFH stellt die aus der Vorsteuerberichtigung resultierende Umsatzsteuerschuld eine Masseverbindlichkeit dar und muss aus der Insolvenzmasse voll befriedigt werden.

Für die Abgrenzung zwischen Masseverbindlichkeit und Insolvenzforderung zog der BFH die Kriterien der ständigen Rechtsprechung heran. Danach ist entscheidend, ob der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand nach den steuerrechtlichen Vorschriften bereits vor oder erst nach Insolvenzeröffnung vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen ist. Auf den Zeitpunkt der Steuerentstehung nach § 13 UStG ist nicht abzustellen. Die vorliegende Berichtigung des Vorsteuerabzugs im Streitjahr beruhte auf der erfolgreichen Insolvenzanfechtung, wodurch die Forderungen der Gläubiger nachträglich uneinbringlich wurden. Der BFH führt aus, dass in solchen Fällen es zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs nicht bereits durch die Entstehung des Anspruchs auf Rückgewähr kommt, sondern erst durch die tatsächliche Entgeltrückzahlung. Dies ergebe sich aus § 17 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 UStG. Damit war der umsatzsteuerrechtliche Berichtigungsanspruch begründende Tatbestand erst nach Insolvenzeröffnung vollständig verwirklicht und führte zu einer Masseverbindlichkeit gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO.

Anmerkung: Auch Vorteil für Anfechtungsgegner

Mit dem Urteil stärkt der BFH vor allem die Position der Finanzbehörden und schafft für Insolvenzverwalter durch die Begründung weiterer Masseverbindlichkeiten erhöhte Haftungsrisiken.

Bedeutsam ist das Urteil aber auch für Personen oder Unternehmen, die einer Insolvenzanfechtung ausgesetzt sind, die sich auf Zahlungen für umsatzsteuerpflichtige Leistungen bezieht. Zum einen bestätigt das Urteil des BFH, dass Anfechtungsgegner ihrerseits eine Umsatzsteuerkorrektur nach § 17 UStG durchführen können und die abgeführte Umsatzsteuer, die der Vorsteuererstattung des Insolvenzverwalters entspricht, vom Finanzamt zurückerstattet erhält. Dadurch können sich Anfechtungsgegner den durch die Anfechtung verursachten wirtschaftlichen Schaden um den Umsatzsteueranteil der angefochtenen Leistung verringern.

Auch im Rahmen von Vergleichsverhandlungen mit Insolvenzverwaltern können Anfechtungsgegner diese Rechtsprechung für sich nutzbar machen. Denn Insolvenzverwalter werden die haftungsträchtige Entstehung von Masseverbindlichkeiten ebenso scheuen, wie den mit der umsatzsteuerrechtlichen Berichtigung verbundenen Verwaltungsaufwand. Dadurch erhöht sich der Anreiz für den Insolvenzverwalter in Verhandlungsgesprächen über einen pauschalen Abgeltungsvergleich mit Anfechtungsgegner einzusteigen, der keine Rückabwicklung der einzelnen angefochtenen Zahlungen beinhaltet.

Rechtsanwälte Dr. Stefan Lammel, Dr. Ingo Reinke, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg

Schlagworte zum Thema:  Insolvenzanfechtung, Vorsteuerberichtigung