Wie die Berufsausbildung attraktiver werden soll

Der aktuelle Berufsbildungsreport hat einen neuen Höchststand an unbesetzten Ausbildungsstellen ergeben. Vertreter aus Politik und Wirtschaft haben darauf reagiert. Wir stellen einige Lösungsansätze vor – von verkürzten Ausbildungszeiten über Milliardeninvestitionen bis hin zu Imagevideos.

Die duale Ausbildung soll attraktiver werden – dazu haben sich Politik und Wirtschaft einiges einfallen lassen. Nachdem der Berufsbildungsbericht 2015 veröffentlicht wurde, der unter anderem einen neuen Höchststand unbesetzter Ausbildungsstellen ergeben hat, haben Vertreter der einzelnen Zünfte Lösungen dazu vorgeschlagen, wie mehr Jugendliche für eine Berufsausbildung begeistert werden beziehungsweise neue Kandidaten-Gruppen erschlossen werden können.

Verkürze Ausbildung für Ex-Studis, Coachings für KMU

Die Bundesregierung etwa möchte mehr Studienabbrecher für eine duale Ausbildung gewinnen. Zu diesem Zweck wolle sich die Regierung dafür stark machen, dass Studienabbrecher in eine verkürzte Berufsausbildung gehen können, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Erste Erfahrungen gibt es bereits dazu: Einige Unternehmen nehmen an einem Modellprojekt für Studienabbrecher namens "Switch" teil. Das Projekt ist Teil des Programms "Jobstarter plus" des Bundesbildungsministeriums. Darin werden Maßnahmen und Modelle zur beruflichen Erstausbildung oder Fortbildung von Studienabbrechern entwickelt und erprobt.

Auch an anderer Stelle will die Bundesregierung ansetzen: Künftig will sie den Übergang von der Schule in eine Lehre mit einem 1,3 Milliarden Euro umfassenden Förderprogramm verbessern. Dieses Geld soll etwa investiert werden, um kleineren Betrieben Coachings für den Umgang mit Hauptschülern anzubieten. Bislang haben diese potenziellen Azubis noch wenig Chancen auf eine Lehrstelle, wie kürzlich eine DGB-Studie ergeben hat: 62 Prozent aller angebotenen Ausbildungsplätze in der IHK-Lehrstellenbörse schließen diese Gruppe von vornherein von Bewerbungen aus, so das Ergebnis der Analyse.

Asylbewerber und Flüchtlinge stärker integrieren

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) wirbt ebenfalls dafür, Jugendliche zu berücksichtigen, die bisher nur wenig Chancen auf eine Ausbildung haben. DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben sprach sich in einem Beitrag der "Neuen Osnabrücker Zeitung" insbesondere für das Programm der "assistierten Ausbildung" aus, mit dem die Bundesagentur für Arbeit (BA) vor allem kleinen und mittleren Unternehmen Hilfestellung bei der Ausbildung leistungsschwächerer Jugendlicher bietet. "Im ersten Schritt sind für das Ausbildungsjahr 2015/16 bis zu 10.000 Plätze angestrebt", so Wansleben.

Die BA machte sich wiederum für eine Gruppe stark, die bisher ebenfalls nicht zur Standard-Zielgruppe von Azubi-Recruitern gehören: Asylbewerber, Flüchtlinge und Geduldete sollten schneller in Ausbildung und in den Arbeitsmarkt integriert werden, so der BA-Vorschlag. "Viele Menschen, die auf der Flucht vor Krieg, Vertreibung oder politischer Verfolgung zu uns kommen, bleiben für längere Zeit oder sogar für immer. Damit sie ihren Lebensunterhalt schnell selbst bestreiten können, braucht es verstärkte Unterstützung und Förderung bei der Arbeitsmarktintegration, insbesondere bei der Sprachförderung, und die gibt es nicht zum Nulltarif", sagte Peter Clever, Vorsitzender des BA-Verwaltungsrats.

Die BA hat mit dem Modellprojekt "Early Intervention" erste Erfahrungen mit der Betreuung qualifizierter Flüchtlinge gemacht. Diese zeigten, dass ein zügiger Arbeitsmarktzugang mit einem Mix aus entsprechendem Engagement und  Ressourceneinsatz sowie intensiver Netzwerkarbeit gut gelingen könne, heißt es in einer Meldung der BA.

Junge Handwerker suchen Nachfolger per Video

Einen kreativen Ansatz haben Vertreter des deutschen Handwerks gewählt, um die im Berufsbildungsbericht dokumentierten Nachwuchsprobleme zu bewältigen und die Handwerksberufe für die kommende Azubigeneration attraktiver zu machen: Unter dem Motto "Abklatschen! Hol Dir meinen Job" suchen zwölf junge Handwerker kurz vor dem Abschluss der Lehre Nachfolger für ihre Ausbildungsplätze; auf dem Bild zu dieser News (siehe oben) präsentiert sich der Vertreter der Schneiderzunft. In einem Video zeigen die Noch-Azubis, welche Eigenschaften für ihren Beruf wichtig sind und wie dieser funktioniert. Videos und Statements der Azubis sind unter handwerk.de verfügbar.

Eine weitere Form der Werbung empfiehlt der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks: Lehrer sollten bei Abiturienten für die duale Ausbildung werben. "Wenn Fast-Abiturienten von der 'anderen Welt' der Beruflichen Bildung nichts wissen, entscheiden sie sich automatisch und vielleicht aus falschen Beweggründen für ein Studium", so Dercks. "Wir müssen Gymnasiallehrer überzeugen, dass sie nicht immer nur fürs Studium werben, sondern den Schülern eine Abwägung möglich machen."

Berufsbildungsbericht 2015: zentrale Ergebnisse

Der Berufsbildungsbericht 2015 hatte Folgendes ergeben:

  • Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge ging um minus 1,4 Prozent auf rund 522.200 zurück.
  • Die Zahl der gemeldeten unbesetzten betrieblichen Ausbildungsstellen erreichte mit rund 37.100 (plus zehn Prozent) im langjährigen Vergleich einen neuen Höchststand.
  • Die Zahl der unversorgten Bewerber ging gegenüber dem Vorjahr auf rund 20.900 (minus 0,8 Prozent) zurück.
  • Der Rückgang der Ausbildungsbetriebsquote ist fast ausschließlich auf Verluste im kleinstbetrieblichen Bereich zurückzuführen.
  • Passungsprobleme nehmen zu: Es wird offenbar grundsätzlich schwieriger, Betriebe und Jugendliche – beruflich, regional und anforderungsspezifisch – zusammenzuführen.
  • Die Zahl der jungen Menschen im Übergangsbereich ist seit 2005 deutlich gesunken.
  • Nach wie vor besteht erheblicher Handlungsbedarf zur Verbesserung der Ausbildungschancen junger Menschen mit Migrationshintergrund.
  • Die Zahl der jungen Erwachsenen ohne Berufsabschluss ist weiter zurückgegangen.
  • Im Jahr 2014 hat jeder zweite Deutsche im erwerbsfähigen Alter an mindestens einer Weiterbildungsmaßnahme teilgenommen.

Den kompletten Berufsbildungsbericht 2015 downloaden.

Über den Berufsbildungsbericht

Der Datenreport zum Berufsbildungsbericht wird vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) herausgegeben. Darin werden zentrale Indikatoren zur beruflichen Aus- und Weiterbildung dargestellt und Entwicklungen im Zeitverlauf aufgezeigt. Jährlich wechselnd werden Schwerpunktthemen behandelt.

Zeitgleich mit dem Berufsbildungsbericht hat das Statistische Bundesamt (Destatis) Zahlen zum Status Quo der Berufsausbildung in Deutschland herausgegeben. Darin liegt die Zahl der neu abgeschlossenen Lehrverträge um rund 4000 niedriger als im Bericht des BIBB. Im Gegensatz zum BIBB, das das Ausbildungsjahr von Oktober 2013 bis September 2014 untersuchte, betrachteten die Statistiker vom Destatis allerdings das Kalenderjahr 2014.

dpa
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