Ein Rezept für gesunde Unternehmen
Haufe Online-Redaktion: Herr Dr. Kromm, Sie forschen zum Thema "Gesunde Führung". Haben Sie die Antwort, was Unternehmensgesundheit ausmacht, schon gefunden?
Dr. Walter Kromm: Ich bin dabei herauszufinden, wie Unternehmen wirklich gesünder werden können – nicht nur in Bezug auf die Menschen, die im Unternehmen agieren, sondern auch in Bezug auf ihre Stärke am Markt. Denn das eine hat unmittelbar mit dem anderen zu tun. Die Unternehmen bemühen sich ja redlich, etwas für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu tun. Aus meiner Sicht kommen sie deshalb nicht so recht voran, weil sie sich zweier Sachen nicht bewusst werden: Wenn man Gesundheit im Unternehmen managen möchte, sollte man zunächst einmal wissen, wovon Gesundheit überhaupt abhängt. Und zum zweiten sollte man klären: Was ist eigentlich der größte gesundheitsbeeinflussende Faktor in einem Unternehmen?
Haufe Online-Redaktion: Was macht Sie da so sicher?
Kromm: Führungskräfte sind seit mehr als zwanzig Jahren meine Patienten. Wir haben zudem mehrere Studien dazu gemacht. An der ersten Studie haben knapp 1.000 Personen teilgenommen; Führungskräfte und ihre Lebenspartner, die das von zu Hause aus mitgespiegelt haben. Da ging es um die Frage, was hilft Leistungsträgern, trotz vieler potenziell gesundheitsgefährdender Einflüsse gesund zu bleiben? Das Ergebnis war: Menschen werden nicht krank, wenn sie viel arbeiten müssen, sondern sie werden krank, wenn sie viel arbeiten müssen und gleichzeitig elementarste Bedürfnisse nicht befriedigt werden. Diese Bedürfnisse sind bei allen Menschen gleich. Sie sind evolutionär angelegt und nicht verhandelbar.
Haufe Online-Redaktion: Welche Bedürfnisse sind das?
Kromm: Jeder Mensch hat ein Bedürfnis nach Selbstwerterhöhung, also nach Anerkennung, Wertschätzung und Achtung. Hinzu kommt das Bindungsbedürfnis, das heißt, alle wollen irgendwo dazu gehören und die Gewissheit haben, dass ihnen jemand hilft, wenn es Probleme gibt. Darüber hinaus hat jeder von uns das Bedürfnis, sich entfalten zu können und zu wachsen. Genau hier müssen die Firmen ansetzen. Mitarbeiterbefragungen allein nutzen da wenig – das höre ich zumindest oft in den Unternehmen. Und auch das Bemühen, irgendwas Gesundes zu tun, macht kein Unternehmen wirklich gesünder – ob sie jetzt Kochkurse anbieten, Obstkörbe aufstellen oder Gymnastikgruppen bilden.
Haufe Online-Redaktion: Was spricht gegen gesunde Kost und Bewegungsanreize?
Kromm: Ich habe gar nichts gegen Obstkörbe. Ich finde sie sogar gut. Ich bin auch nicht gegen gesponserte Mitgliedschaften im Fitness-Studio. Aber das sind nicht die Big Points. Was die Firmen aus meiner Sicht auch zu wenig berücksichtigen: Sie beschäftigen sich zwar mit Krankenstatistiken – zu Recht, weil diese fünf Prozent, die fehlen, auch wirklich teuer sind. Was sie jedoch nicht bedenken ist, dass die Qualität der Anwesenheit der 95 Prozent, die dauernd da sind, das eigentlich Entscheidende ist und dass sich betriebliches Gesundheitsmanagement auch oder insbesondere an diese Menschen zu richten hat. Wenn man es schafft, die überwiegende Mehrheit der anwesenden Mitarbeiter so zu führen, dass sie Lust haben, sich mit ihren Begabungen einzubringen, dann ist das das Gesündeste, was man sich überhaupt vorstellen kann. Was wollen denn Führungskräfte von ihren Mitarbeitern? Sie wünschen sich Loyalität und ein hohes Maß an aktivem Engagement.
Haufe Online-Redaktion: Und wie bekommen Führungskräfte das von ihren Mitarbeitern?
Kromm: Um dies herauszufinden haben wir mit Führungskräften aus verschiedenen Unternehmen ein philosophisches Gedankenexperiment durchgeführt. Daraus konnten wir eindeutig ableiten, was die Leistungsträger brauchen – und was sie von der Unternehmensführung zurückbekommen. Danach sind wir noch einen Schritt weiter gegangen und haben ein Messinstrument entwickelt, um die Qualität der Interaktion zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter bestimmen zu können. Daraus konnten wir erschließen, was Vorgesetzte machen, die das Glück haben, sehr engagierte und loyale Mitarbeiter zu haben: Sie fördern die Kohärenz ihrer Mitarbeiter. Das heißt, sie helfen ihnen, die Dinge zu verstehen, sie machen ihnen Mut, wenn es Probleme gibt, sie vermitteln Sinnhaftigkeit, sie zollen ihren Mitarbeitern Anerkennung und Wertschätzung und vor allen Dingen: Sie kommunizieren mit ihnen auf Augenhöhe.
Haufe Online-Redaktion: Ist das ein bestimmter Führungsstil oder eher eine Grundeinstellung im zwischenmenschlichen Verhalten?
Kromm: Diese Vorgesetzten haben die Fähigkeit, Menschen Kraft zu geben und ihnen Mut zu machen. Sie haben auch verstanden, dass eine wechselseitige Abhängigkeit besteht. Menschen können ja nur miteinander und aneinander wachsen, wenn es gelingt, eine Atmosphäre zu schaffen, in der man Ressourcen miteinander austauscht und Wissen vernetzt.
Haufe-Online-Redaktion: Aber wie gelingt das den Unternehmen nun konkret? Wie können sie das umsetzen?
Kromm: Um dies endgültig zu klären, haben wir ein völlig neuartiges Forschungsprojekt geplant. Wir wollen zeigen, wie man es wirklich schafft, Menschen in kürzester Zeit dazu zu bringen, ihre Beziehungen so zu gestalten, dass sie wechselseitig Ressourcen miteinander austauschen. Wir wollen dabei auch beweisen, dass man auf Heerscharen von Unternehmensberatern verzichten kann, wenn die agierenden Menschen im Unternehmen verstehen, wie man Beziehungen konstruktiv gestaltet. Da wir wissen, dass Wissen allein wenig nützt, machen wir dabei etwas Neues: Wir versuchen mithilfe von philosophischen Gedankenexperimenten kognitive Wissensvermittlung an Gefühle und an Emotionen zu koppeln. Dann lernen es die Leute unglaublich schnell.
Das Interview führte Petra Jauch.
Dr. med. Walter Kromm ist betreuender Arzt und Berater von Führungskräften.
Veranstaltungshinweis: Weitere Informationen zu seinen Forschungsprojekten gibt Dr. Walter Kromm auf der Corporate Health Convention in Stuttgart in seinem Keynote-Vortrag „Wie gesund Sie und Ihr Unternehmen sein könnten – aktuelle Handlungsoptionen aus der Forschung“. Termin: Dienstag, 20. Mai, 13.35 bis 14.20 Uhr, Forum 3
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