Frauenquote: Tradiertes Familienbild bremst

Im Jahr 2025 sollen 50 Prozent der weltweiten Belegschaft von Accenture Frauen sein. Schon bis 2020 soll das Level Managing Director zu 25 Prozent weiblich sein. Die Personalleiterin der DACH-Region, Marina Klein, zeigt, inwiefern diese Ziele auch im deutschsprachigen Raum erreichbar sind.

Haufe Online-Redaktion: Für den CEO von Accenture, Pierre Nanterme, ist die Gleichstellung der Geschlechter "für eine leistungsstarke und innovationsorientierte Organisation unerlässlich".  Frau Klein, Sie sind Personalleiterin bei Accenture für die DACH-Region. Halten Sie die globalen Accenture-Vorgaben auch in der DACH-Region für erreichbar?

Marina Klein: Die Ziele gelten selbstverständlich auch für uns. Und es ist tatsächlich so, dass wir gerade in Deutschland durchaus Aufholbedarf haben. Denn hier liegen wir mit unserem Frauenanteil in der Accenture-Welt im unteren Drittel. Da geht es uns nicht anders als den anderen Firmen im deutschsprachigen Kulturraum, in dem sich das gesellschaftliche Familienbild nur sehr langsam von seiner Tradition löst. Die Verfügbarkeit von Frauen im Arbeitsmarkt und ihre Berufswahl sind dadurch noch immer eingeschränkt. Aber Erziehung wird spätestens in der nächsten Generation nicht mehr reine Frauensache sein und das wird uns in unserem Vorhaben unterstützen.     

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Haufe Online-Redaktion: Wenn die Ursachen für die schlechten Karriereaussichten von Frauen an der Gesellschaft hängen - auf welchem Weg lässt sich die Veränderung dann beschleunigen?

Klein: Zum gesellschaftlichen Erbe der deutschsprachigen Länder gehört es, dass die meist von Frauen genutzten Teilzeitverträge das Karriere-Aus bedeuten. Das müssen wir überwinden. Ein weiterer Punkt ist die Gleichheit bei Gehalt oder Honorar zwischen Männern und Frauen.   

Haufe Online-Redaktion: Das sind die immer diskutierten Themen. Schütteln die Generationen Y und Z da nicht genervt den Kopf?

Klein: Wir müssen heute noch für die berufliche Gleichstellung von Mann und Frau sorgen, das ist die Realität. Aber Gen Y und Z sind tatsächlich schon einen Schritt weiter: Sie setzen Gleichheit zwischen den Geschlechtern voraus. Ihnen ist wichtig, dass sich die Arbeit und ihr persönlicher Lebensstil integrieren lassen. Wir pilotieren demnächst einen Konfigurator, also ein Auswahl-Tool, in das jeder seine Arbeitswünsche eingeben kann: Wie viel und an welchen Orten wollen Mitarbeiter arbeiten? Wann will einer auf Zeit aussteigen? Wir wollen nicht mehr gewichten, wofür sich jemand neben dem Job Zeit nimmt – Hund und Katze, Sport und Weiterbildung, Kindererziehung oder Pflege der Eltern. Die Gleichbehandlung der Menschen führt zu einer Individualisierung der Arbeitseinsätze. Noch sind wir in der Betaphase, aber ich bin schon sehr gespannt.    

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Haufe Online-Redaktion: Mit solch einem Modell kommen Sie dem entgegen, was junge Menschen als Ansprüche an die Arbeitswelt definieren. Und wie kommen Sie an einzelne Bewerber?

Klein: Natürlich kommunizieren wir unser Verständnis von Arbeit heute aktiv nach außen. Unsere Kampagne "Be yourself. Make a difference." spricht direkt die Talente an, die wir brauchen: Menschen, die sich die Frage stellen, was sie morgens aufstehen und engagiert zur Arbeit gehen lässt. Accenture ist nicht nur fokussiert auf die Leistung, sondern auch auf den Menschen dahinter. Bei der Talentsuche liegt aufgrund unseres 50-50-Ziels ein Schwerpunkt auf den Frauen.

Haufe Online-Redaktion: Wie stellt sich das konkret dar?

Klein: In der DACH-Region arbeiten bei uns 30 Prozent Frauen. Wir haben uns als Ziel gesetzt, in diesem Geschäftsjahr 40 Prozent Frauen einzustellen und 2018 noch einmal 45 Prozent. Wer sich über Accenture informiert, sieht viele Vorbilder: In Deutschland sind zwei von acht Vorstandspositionen von Frauen besetzt. Und es gibt zahlreiche Rollenmodelle für Diversity in den Einheiten – bei Männer wie Frauen.   

Haufe Online-Redaktion: Was sagen die Führungskräfte dazu, die im Tagesgeschäft verstärkt Frauen ins Team holen sollen?

Klein: Die Rolle der Führungskräfte ändert sich. Sie stehen nicht mehr alleine vorne, sondern gestalten das Arbeitsumfeld für ihr Team. Nur dann können sich Kreativität und emotionale Intelligenz entfalten. Um Diversität zu fördern, haben wir Trainings installiert. Mit Erfolg: Bei uns hat sich eine ehemals reine Männerdomäne geöffnet – und ist jetzt ein leuchtendes Vorbild, weil sie mehr Gewinn erzielt.  

Haufe Online-Redaktion: Ein Erfolg auch für HR. Wie stark regieren Personaler mit?

Klein: Wir suchen die besten Talente und entwickeln leistungsstarke Persönlichkeiten. Vor allem haben wir keine fertigen Konzepte in der Schublade. Karrierestufen werden in individuellen Gesprächen eruiert. Gemeinsam mit Führungskräften geben wir ein stärkenbasiertes Feedback, das sehr respektvoll auch den privaten Bereich einschließt. Für Frauen organisieren wir exklusive Trainings. Und für alle Geschlechter bieten wir Schulungen zu unterbewussten Vorurteilen. Unsere Personalabteilung hat den eigenen Bereich Human Capital & Diversity geschaffen und ist aktiver Treiber für die Gleichstellungsziele unseres Unternehmens.

Haufe Online-Redaktion: All diese runden Programme helfen in einem Punkt nicht: Es gibt zu wenige Frauen mit den begehrten MINT-Qualifikationen.

Klein: Die Schere geht beim technischen Interesse sehr früh auf zwischen Mädchen und Jungs, deshalb müssen wir als Unternehmen rechtzeitig aktiv werden. In der Schweiz kooperieren wir mit Gymnasien – veranstalten Workshops und Mentoring für Mädchen in den Klassen 9 und 10. In Deutschland unterstützen wir die gemeinnützige Gesellschaft Teach First, die in Partnerschulen Fellows einsetzt, damit Schüler und Schülerinnen ihre Bildungschancen verbessern. Mentoring für Frauen praktizieren wir auch an verschiedenen Hochschulen, etwa der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. Über Praktika und Abschlussarbeiten begleiten wir Studierende in unser Unternehmen. Es bedarf vieler kleiner und großer Schritte, um unsere Ziele zu erreichen.   

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Haufe Online-Redaktion: Ist der wirtschaftliche Druck, unter dem Unternehmen stehen, weil sie bei der Kandidatensuche nicht mehr aus dem Vollen schöpfen können, hilfreich in der Gender-Frage?

Klein: Durch den demografischen Wandel greifen Politik und Wirtschaft das Thema gezwungenermaßen auf. Die Bedingungen für Arbeit werden modernisiert. Das nutzt am Ende dem Einzelnen wie den Firmen. Und es wird anderen Unternehmen ergehen wie uns: Wer es einmal erlebt hat, wie innovativ diverse Teams arbeiten und wie sie leistungsstark Gewinne mehren, der wird von selbst zum überzeugten Förderer von Frauen und anderer, bisher weniger beachteter Diversity-Gruppen.

 

Zur Person: Marina Klein ist im internationalen Beratungsunternehmen Accenture seit September 2014 Personalleiterin Deutschland, Österreich und Schweiz. Sie arbeitet in der Accenture-Niederlassung in Kronberg im Taunus.

Das Interview führte Ruth Lemmer, freie Wirtschaftsjournalistin in Duisburg.

Schlagworte zum Thema:  Diversity, Gleichstellung