Agilität in Unternehmen: Studie zum Status Quo in Deutschland

Agilität ist in aller Munde. Doch wie agil sind deutsche Unternehmen? Eine aktuelle Studie, die von Haufe-Lexware in Auftrag gegeben wurde, liefert Erkenntnisse darüber, wie verbreitet agile Arbeitsmethoden in der Praxis schon sind und wie Mitarbeiter und Führungskräfte deren Nutzen einschätzen.

Die Ergebnisse der Studie „Agilität in deutschen Unternehmen“ beruhen auf einer Befragung von insgesamt 1.200 Beschäftigten (ein Drittel Führungskräfte, zwei Drittel Mitarbeiter ohne Führungsverantwortung) in deutschen Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern. Gegenüber den bislang vorliegenden Studien liefert die Befragung zum einen ein repräsentatives Bild auf Basis einer quantitativen Erhebung. Zum anderen kommen sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeiter zu Wort, wodurch Unterschiede im Durchdringungsgrad agiler Methoden innerhalb der Unternehmen deutlicher hervorgehoben werden können.

Agile Methoden werden positiv bewertet

Übergreifend ergibt sich aus der Befragung eine positive Bewertung agiler Methoden: Knapp zwei Drittel der Führungskräfte halten die Einführung oder Ausweitung agiler Methoden für sinnvoll. Diese Einschätzung basiert nicht auf Hoffnungen, sondern auf Erfahrungen: Drei Viertel der befragten Führungskräfte sehen eine Verbesserung der Effektivität und Effizienz durch die Einführung agiler Methoden; eine Einschätzung, die von den Mitarbeitern weitgehend geteilt wird. (Mehr zum Thema: So funktioniert Agilität in der Praxis).

Führungskräfte: 70 Prozent halten ihr Unternehmen für agil

Bezüglich des Status quo zeigen sich allerdings Diskrepanzen zwischen den Einschätzungen der Führungskräfte und der Mitarbeiter. Beschäftigte ohne Führungsverantwortung schätzen den Umsetzungsstand negativer ein als die Führungskräfte: Auf die Frage, ob in ihrem Unternehmen Strukturen und Führungssysteme bestehen, um schnell auf Kundenanforderungen reagieren zu können, antworten 70 Prozent der Führungskräfte, aber nur 31 Prozent der Mitarbeiter mit „ja“ . Diese Einschätzung ist zum Teil auf die häufigere Verwendung der „Weiß-nicht“-Kategorie zurückzuführen. Allerdings ist es auch kein wirklich beruhigender Befund, wenn die Mitarbeiter den Agilitätsgrad des eigenen Unternehmens nicht einschätzen können. Dies spricht eher für einen geringen Durchdringungsgrad agiler Methoden.

Mitarbeiter: Nur ein Drittel hält ihr Unternehmen für agil

Das Prinzip der Verantwortungsdelegation an Teammitglieder scheint nicht vollständig umgesetzt zu werden. Darüber hinaus scheint die Einschätzung der Mitarbeiter insgesamt realistischer zu sein als die der Führungskräfte. Von diesen schätzen 67 Prozent ihr eigenes Unternehmen als agiler (überdurchschnittlich agil oder etwas agiler) ein als die Wettbewerber. Bei den Mitarbeitern halten sich positive und negative Einschätzungen im Wettbewerbsvergleich in etwa die Waage, was bei dieser relativen Form der Fragestellung zu erwarten wäre. Zudem geben 40 Prozent der Führungskräfte an, bereits mit agilen Methoden wie Scrum oder Design Thinking zu arbeiten, aber nur zehn Prozent der Mitarbeiter. Hier könnte sozial erwünschtes Antwortverhalten eine Rolle spielen, sofern sich agile Methoden nicht in Führungskräftemeetings und -seminaren bündeln.  

Agilität im Unternehmen setzt  Veränderung von Organisation und Rollenverständnissen voraus

Die Änderungen der Methoden und Praktiken haben nicht nur einen großen Einfluss auf die technische Infrastruktur, sondern auch auf die Mitarbeiter sowie die Organisation und Kultur eines Unternehmens. Unternehmen müssen ihre Aufbau- und Ablauforganisation gegebenenfalls stark anpassen, um die positiven Effekte der neuen Methoden auszuschöpfen, und sowohl Mitarbeiter als auch Führungskräfte müssen sich auf geänderte Rollen und Rollenverständnisse einlassen. Mit der Einführung agiler Prinzipien kommen auf die Mitarbeiter neue Anforderungen zu, zum Beispiel bezüglich ihrer Kommunikationsfähigkeiten sowie hinsichtlich ihrer Eigeninitiative und der Bereitschaft, Verantwortung im Team zu übernehmen.

Agile Unternehmen: situative Führungsansätze sinnvoll

Damit die Potenziale agiler Methoden zum Tragen kommen, bedarf es auch eines neuen Führungsverständnisses. Daher hat die Studie auch untersucht, wie Mitarbeiter und Führungskräfte den Status quo  und die Notwendigkeit von Veränderungen im Führungsstil einschätzen. Interessanterweise haben beide Gruppen der Befragten, Mitarbeiter und Führungskräfte, ähnliche Einschätzungen bezüglich der Veränderungsnotwendigkeit: Mehr als ein Drittel der Befragten erachtet situative Führungsmodelle als angemessen, wobei durchaus auch klassische Elemente hierarchischer Führung in Abhängigkeit von den spezifischen Rahmenbedingungen zum Einsatz kommen sollten. Ein Erklärungsansatz für diesen differenzierten Befund könnte darin liegen, dass die Befragten eine Transformation in eine vollständig agile Organisation für unrealistisch und auch nicht notwendig halten. Ausgedient hat sowohl aus Sicht der Mitarbeiter als auch aus Sicht der Führungskräfte das hierarchische Führungsmodell. Lediglich circa zehn Prozent der Teilnehmer der aktuellen Befragung halten dies für zukunftsfähig.

Führungsanforderungen noch nicht vollständig umgesetzt

Aktuell ist das hierarchische Führungsmodell in Unternehmen jedoch noch weit verbreitet, wobei die Einschätzung des Status quo interessanterweise auch hier zwischen Führungskräften und Mitarbeitern divergiert. Knapp die Hälfte der Mitarbeiter wähnt sich in hierarchischen Strukturen, während dies nur auf circa ein Drittel der Führungskräfte zutrifft. Dies führt nicht zwangsläufig zu Unzufriedenheit. Vielmehr sind lediglich 20 Prozent der befragten Mitarbeiter mit dem Führungsstil unzufrieden, wobei diese Unzufriedenheit jedoch überwiegend mit dem hierarchischen Führungsstil verbunden ist.


Mehr zum Thema Agilität und agile Organisationen erfahren Sie außerdem im Titelthema des Personalmagazins Ausgabe 7/2016, das am 21. Juni erscheint.


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