Scholz plant Milliarden-Schutzschirm für Kommunen

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat den Vorschlag gemacht, Steuerausfälle der Kommunen in der Corona-Krise und Altschulden in Milliardenhöhe mit einem gemeinsamen Schutzschirm von Bund und Ländern aufzufangen. Beim Deutschen Städtetag stößt er damit auf Zustimmung, scharfer Widerspruch kommt aus der Union und einigen Bundesländern.

Ein Konzeptpapier aus dem Bundesfinanzministerium sieht ein Hilfspaket von bis zu 57 Milliarden Euro vor, das Bund und Länder jeweils zur Hälfte stemmen sollen.

Ersatz von Ausfällen bei der Gewerbesteuer und Übernahme von Altschulden

Der Vorschlag sieht vor, dass Bund und Länder je zur Hälfte den Kommunen die Gewerbesteuerausfälle des Jahres 2020 ersetzen. Außerdem sollen Bund und Länder je zur Hälfte die Altschulden der besonders belasteten Kommunen übernehmen.

«Ich habe angekündigt, dass ich dazu Vorschläge machen will. Ich glaube, das ist jetzt auch der richtige Zeitpunkt sie zu diskutieren», sagte Scholz. Die erwarteten Gewerbesteuerausfälle bezifferte er mit 12 Milliarden Euro. Scharfe Kritik kam aus der Union - besonders aus Bayern, Baden-Württemberg und Hessen.

Städte und Gemeinden teilweise hoch verschuldet

In Städten und Regionen mit hohen Schulden leben nach Einschätzung des Deutschen Städtetags zehn Millionen Menschen. Hier ist die Kreditlast laut Kommunalem Finanzreport der Bertelsmann Stiftung besonders hoch: In Nordrhein-Westfalen bei 1.343 Euro je Einwohner, in Rheinland-Pfalz bei 1.812 Euro und im Saarland sogar bei 2.070 Euro. In Bayern und Baden-Württemberg spielen sogenannte Kassenkredite dagegen kaum eine Rolle - in Bayern lagen sie im Schnitt bei 14 Euro, in Baden-Württemberg bei 19 Euro pro Einwohner.

Etwa 2.000 Kommunen im gesamten Bundesgebiet seien mit Kassenkrediten so hoch belastet, dass allein die Bedienung der Zinsen eine unlösbare Situation sei, geht aus dem Papier hervor. Für die Übernahme kommunaler Liquiditätskredite sind in dem Konzept demnach 45 Milliarden Euro vorgesehen. Diese «einmalige Hilfe des Bundes» für die betroffenen Städte und Gemeinden solle noch in diesem Jahr wirksam werden. Die dafür nötige Verfassungsänderung (Art. 109 Abs. 1 GG) solle bis Ende dieses Jahres von Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden.

Kritik der CDU und aus einzelnen Bundesländern

Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer forderte eine Überarbeitung des Konzepts. Sie sagte: «Die Vorschläge von Olaf Scholz sind nicht wirklich neu und haben in der Vergangenheit nur wenige überzeugt.» Die große Koalition sei sich einig, dass Investitionen der öffentlichen Hand auch starke Kommunen benötigten. «Dafür steht auch die CDU.» Das Vorhaben könne von der Union aber nur dann beurteilt werden, wenn klar sei, wie ein Konjunkturpaket und der Haushalt für Europa insgesamt aufgestellt seien. «Um das seriös beurteilen zu können, muss Olaf Scholz da nacharbeiten», forderte Kramp-Karrenbauer.

«Scholz greift in die Mottenkiste. Das ist langweilig und in der Sache falsch. Er will die Krise jetzt ausnutzen, um seinen alten Plan der Schuldenumverteilung umzusetzen», kritisierte aus Baden-Württemberg der CDU-Landesvorsitzende und Bundesvize, Innenminister Thomas Strobl. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) sagte der Funke Mediengruppe, Scholz mache «alles falsch». «In der Krise muss man zusammenhalten und nicht ohne jede Rücksprache etwas verkünden, das mehr Probleme aufwirft, als es löst.»

Aus Bayern kam ebenfalls Ablehnung. «Die Vorschläge von Bundesminister Scholz wird Bayern keinesfalls mitmachen», sagte Finanzminister Albert Füracker (CSU). «Wenn der Bund den Kommunen helfen möchte, darf er das gern tun - eine Zwangsverpflichtung der Länder nach den Regeln des Bundes ohne Absprache ist aber eine Unverschämtheit.»

Kritik kam auch aus Niedersachsen von Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU). Dort ist die Haltung aber nicht eindeutig. Scholz' SPD-Parteifreund, Innenminister Boris Pistorius, lobte in der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Montag) dessen Vorstoß ausdrücklich.

SPD und Scholz verteidigen den Plan

SPD-Chef Norbert Walter-Borjans wies die Kritik zurück. Wenn die Union sich querlege, «zeugt das nicht nur von Geschichtsvergessenheit, wie viel die Solidarität der ehedem reichen Kohle- und Stahlregionen zum Aufbau der Bundesrepublik beigetragen hat», sagte Walter-Borjans.

«Wir müssen das Altschuldenproblem lösen, indem der Bund und die Länder, in denen unsere Städte und Gemeinden liegen, diese Gemeinden entlasten», meinte Scholz. «Und wir müssen dafür sorgen, dass die Einnahmeausfälle, die in diesem Jahr entstehen, nicht dazu führen, dass Investitionen zurückgefahren werden, dass Aufgaben nicht bewältigt werden können, die jetzt ja noch dringender sind, als ohnehin schon.» Das habe sonst dramatische Folgen. Städte und Gemeinden seien die größten öffentlichen Investoren in Deutschland.

Städtetag und andere Bundesländer sehen Vorschlag positiv

Zustimmung kam aus Rheinland-Pfalz, dem Saarland und dem bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen sowie vom Deutschen Städtetag. «Der Vorschlag kommt zur rechten Zeit, bevor die Unsicherheit wächst und bevor die Kommunen ihre Haushaltsplanung für das nächste Jahr anpacken müssen», erklärte der Präsident des Städtetags, der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung.

Wenn Bund und Länder jetzt gemeinsam die wegbrechenden Gewerbesteuereinnahmen der Kommunen für 2020 auffangen und ersetzen, sei das genau der richtige Weg, so Jung. Das schaffe Spielräume für Investitionen und helfe, die örtliche Wirtschaft nach dem Lockdown wieder zu beleben. So werde verhindert, dass die Kommunen als wichtigster öffentlicher Investor auf die Bremse treten müssen, obwohl Vollgas nötig sei. «Alle Städte sind von der Coronakrise betroffen und werden von dem Paket profitieren. Gleichzeitig wird es damit gelingen, strukturschwachen Städten neue Möglichkeiten zu eröffnen. Es ist ein kluges Konzept, Hilfen in der Coronakrise mit der Lösung des Altschuldenproblems zu verbinden», sagte Jung.

dpa
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