„Schweizer Modell“ und „Beschleunigungsgesetz“: Viel Neues im Vergaberecht
Ab dem 1. Januar 2026 entfällt in Nordrhein-Westfalen die Pflicht für Kommunen, im sogenannten „Unterschwellenbereich“ bei der Vergabe von Aufträgen über Bauleistungen die VOB/A und bei Aufträgen über Liefer- und Dienstleistungen die bundesrechtliche Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) anzuwenden. Das soll laut Vorstellungen der NRW-Landesregierung zum Bürokratieabbau bei Vergabeverfahren für Bau- und Dienstleistungen sowie Lieferungen beitragen.
EU-Schwellenwerte bislang wesentlich
Bislang gilt in dem Bundesland, dass Kommunen bei Ausschreibungen, deren Auftrag- bzw. Leistungswert unter den bindenden und in einem 2-Jahres-Turnus sich stetig ändernden EU-Schwellenwerten lagen, spezifische landesrechtliche Regeln für den sogenannte Unterschwellenbereich zu beachten hatten. Dieses Verfahren sollte eigentlich zu einem Bürokratieabbau führen, bewirkte aber genau das Gegenteil. Denn sowohl das Bundesland als auch seine Kommunen ergänzten für die Vergabe im Unterschwellenreich die EU- und Bundesregelwerken zusätzlich um eine ganze Reihe eigener Regelungen. Die „ursprüngliche Idee wurde so ad absurdum geführt“ urteilte darüber das „Handelsblatt“.
Sogenanntes „Schweizer Modell“ für Bauleistungen
Mit dem Wegfall der Bindung kommunaler Ausschreibungen an die VOB/A soll in Nordrhein-Westfalen in Bezug auf das Baugewerbe nun das sogenannte „Schweizer Modell“ umgesetzt werden: Denn in der Alpenrepublik erhält der Bieter mit dem wirtschaftlichsten Angebot den Zuschlag. „Wirtschaftlichstes Angebot“ bedeutet hierbei aber nicht zwingend das kostengünstigste Angebot, sondern vielmehr zählen darüber hinaus auch Qualität, Zweckmäßigkeit und Betriebskosten zu den Faktoren, die bei der Auftragsvergabe dort stärker als in Deutschland berücksichtigt werden.
Reformen auf Bundesebene für Vergabeverfahren
Während diese Entwicklung in NRW von der Wirtschaft insgesamt gesehen eher begrüßt wird, gibt es deutlich mehr Kritik an dem ebenfalls als wirtschaftsnaher Bürokratieabbau geplantem „Vergabebeschleunigungsgesetz“ der Bundesregierung. Die grundsätzliche Weichenstellung für dieses Gesetz wurde bereits von der Ampelregierung im November 2024 vorgenommen, als ein Gesetz zur Transformation des Vergaberechts beschlossen wurde, in dessen Rahmen unter anderem Gesamtvergaben etwa zum Zweck beschleunigter Transformations-, Infrastruktur- und Verteidigungsprojekte erleichtert werden sollten. Der Grund des Unmuts vor allem bei mittleren und kleinen Unternehmen in der Bauwirtschaft und dem Handwerk am darauf nun aufbauenden Vergabebeschleunigungsgesetz ist, dass mit ihm gleichzeitig die Pflicht zur Losvergabe für die aus dem Sondervermögen finanzierten Infrastrukturmaßnahmen gelockert werden soll. Damit wird nämlich gewissermaßen als Kollateralschaden auch die bisherige Fach- und Teillosvergabe stark aufgeweicht, die aber für KMU deutliche Vorteile hat. Dieses Losverfahren verpflichtete bislang öffentliche Auftraggeber, größere Aufträge nach Teillosen (Menge) oder Fachlosen (Art der Leistung) aufzugliedern, um vor allem kleinen und mittleren Unternehmen die Teilnahme an Ausschreibungen zu erleichtern.
Protest von Bauwirtschaft und Handwerk
Öffentliche Auftraggeber können nun vom Losverfahren abweichen, „wenn dies zeitliche Gründe erfordern – auch wenn dies nicht von den bisher für die Abweichung vom Losgrundsatz anerkennenswerten Gründen wirtschaftlicher und technischer Natur umfasst ist.“. Insbesondere bei den mittelständischen Verbänden von Bauwirtschaft und Handwerk und ihren Mitgliedsunternehmen stößt das aber auf strikte Ablehnung. Diese würden das ganze Gesetzesvorhaben gerne verhindern und wehren sich unter anderem mit einem wissenschaftlichen Gutachten. In ihrem Fazit warnen die beauftragten Wissenschaftler von der Universität der Bundeswehr und der Ludwig-Maximilians-Universität München darin davor, den Grundsatz der Losvergabe in jeglicher Form einzuschränken, denn das würde die Chancen mittelständischer Bieter an öffentlichen Aufträgen sogar mehr als nur stark eingrenzen. Ihr Fazit „KMU und Handwerksbetriebe werden dadurch faktisch von der Teilnahme am Markt ausgeschlossen.“
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