Entscheidungsstichwort (Thema)
Wesentliche Beeinträchtigung der Eigenart als Einfamilienhaus; grundsätzliche Bedeutung
Leitsatz (NV)
Die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Mitbenutzung eines Grundstücks zu anderen als Wohnzwecken die Eigenart als Einfamilienhaus wesentlich beeinträchtigt, ist durch ständige Rechtsprechung geklärt. Diese Rechtsprechung hat unausgesprochen auch die Verfassungsgemäßheit der gesetzlichen Regelung bejaht.
Normenkette
BewG § 75 Abs. 5; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger ist unbegründet, da ein Grund zur Zulassung der Revision i.S. von § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht vorliegt.
1. Die Rechtssache hat nicht die von den Klägern behauptete grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muß sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. Juni 1985 I B 27/85, BFHE 144, 137, BStBl II 1985, 625). Eine derartige bisher ungeklärte Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wird durch den Rechtsstreit nicht aufgeworfen.
Die Kläger sind der Auffassung, daß die vom Finanzgericht (FG) getroffene Auslegung des § 75 Abs. 5 Satz 4 des Bewertungsgesetzes (BewG), die sich auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats stützt, unzutreffend sei, und messen dieser Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung bei. § 75 Abs. 5 Satz 4 BewG wird vom erkennenden Senat wie folgt ausgelegt:
Ein Grundstück, das zu anderen als Wohnzwecken mitbenutzt wird, gilt nur dann nicht als Einfamilienhaus, wenn dadurch die Eigenart als Einfamilienhaus wesentlich beeinträchtigt wird. Diese Frage ist in erster Linie nach dem äußeren Erscheinungsbild des Grundstücks unter Berücksichtigung von bewertungsrechtlichen Einfamilienhäusern zu beantworten, die nicht zu öffentlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Zwecken mitbenutzt werden. Da der Begriff des Einfamilienhauses im bewertungsrechtlichen Sinne nicht ein von der Verkehrsanschauung bestimmter Begriff, sondern ein durch die Umschreibung in § 75 Abs. 5 BewG gekennzeichneter Rechtsbegriff ist, kann nicht von einer etwa bestehenden allgemeinen Vorstellung vom Erscheinungsbild eines Einfamilienhauses ausgegangen werden. Daraus folgt, daß eine dem Begriff des Einfamilienhauses entgegenstehende Mitbenutzung des (Wohn-) Grundstücks zu anderen als Wohnzwecken nach außen in der Weise hervortreten muß, daß sie die Eigenart des Grundstücks deutlich prägt, also in den Vordergrund tritt. Diese Auffassung vertritt der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung (vgl. Senatsurteile vom 6. November 1991 II R 91/87, BFH/NV 1992, 644; vom 23. Oktober 1991 II R 103/88, BFH/NV 1992, 511, und vom 9. November 1988 II R 61/87, BFHE 155, 128, BStBl II 1989, 135, jeweils m.w.N.). Die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage ist daher durch inzwischen ständige Rechtsprechung geklärt. Neue wesentliche Gesichtspunkte, die eine erneute Überprüfung und Klärung dieser Rechtsfrage im Interesse der Allgemeinheit in einem Revisionsverfahren notwendig erscheinen ließen, liegen nicht vor.
Die von den Klägern gegen die ständige Rechtsprechung angeführten Argumente sind nicht so gewichtig, eine erneute Klärungsbedürftigkeit herbeizuführen. Die Kläger leiten ihre widersprechende Auffassung in erster Linie ab aus der allgemeinen Bedeutung einzelner in § 75 Abs. 5 Satz 4 BewG verwendeter Worte (Einfamilienhaus, Eigenart als Einfamilienhaus, wesentlich, beeinträchtigen). Sie belegen dementsprechend ihre Auffassung weitgehend unter Berufung auf sprachwissenschaftliche, nicht aber auf rechtliche oder bewertungsrechtliche Literatur. Ihre Argumentation ist schon deswegen nicht zwingend, weil sie insoweit den Sinnzusammenhang der von ihnen isoliert betrachteten Worte im Kontext der Vorschrift selbst und der mit ihr in systematischem Zusammenhang stehenden Vorschriften des BewG außer Betracht läßt. Darüber hinaus kann demselben Wort in verschiedenen Rechtsvorschriften jeweils eine andere Bedeutung zukommen. Dies trifft gerade auf das von den Klägern insoweit herausgestellte Wort wesentlich zu. Es hat bereits eine unterschiedliche Bedeutung bei den von den Klägern insoweit selbst angeführten Beispielen (10 v.H.-Grenze bei der Abgrenzung der beruflichen oder privaten Nutzung im Rahmen des § 12 des Einkommensteuergesetzes (EStG), 20 v.H.-Grenze im Rahmen von § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1986). In § 75 Abs. 5 Satz 4 BewG muß ihm notwendigerweise wiederum eine andere Bedeutung zukommen, da hier eine derartige Quantifizierung gar nicht möglich ist.
Mit der angesprochenen ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats zu § 75 Abs. 5 Satz 4 BewG wurde unausgesprochen auch jeweils die Verfassungsgemäßheit der Regelung bejaht. Die vom Kläger gegen die Vorschrift - wiederum ohne Berufung auf fachspezifische Literatur - erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken sind wiederum nicht so gewichtig, daß ihre Überprüfung in einem Revisionsverfahren im Interesse der Allgemeinheit veranlaßt erschiene. Insbesondere fehl geht insoweit die Argumentation der Kläger, die Vorschrift genüge nicht den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Bestimmtheit von Steuergesetzen. Eine verfassungsrechtliche Unbestimmtheit der Regelung läßt sich jedenfalls nicht aus der von den Klägern behaupteten Addition mehrerer (fünf oder sieben) angeblicher unbestimmter Rechtsbegriffe in der Vorschrift ableiten. Es handelt sich vielmehr um - was die Kläger übersehen - im Sinnzusammenhang der Vorschrift zwar auslegungsbedürftige, aber auch auslegungsfähige Begriffe, die insbesondere durch die von den Klägern angegriffene ständige Rechtsprechung eine konkretisierende Auslegung erfahren haben. Entscheidend ist, ob die Vorschrift insgesamt den aus rechtsstaatlichen Anforderungen abgeleiteten Anforderungen an Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit entspricht. Daran hat der Senat keinen Zweifel.
Auch die von den Klägern im Hinblick auf die erstragsteuerlichen Auswirkungen gegen die Regelung bzw. ihre Auslegung durch den erkennenden Senat vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken (insbesondere aus Art. 3 des Grundgesetzes - GG -) führen zu keinem anderen Entscheidungsergebnis. Eine - möglicherweise - gleichheitswidrige einkommensteuerliche Behandlung, die sich aus der Differenzierung in Einfamilienhäuser und gemischtgenutzte Grundstücke ergäbe, könnte die Verfassungsgemäßheit der bewertungsrechtlichen Regelung nur dann berühren, wenn diese selbst und unter Berücksichtigung ihrer Bedeutung für andere Steuerarten als willkürlich anzusehen wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall. Keinesfalls kann auch durch die Regelung des § 75 Abs. 5 Satz 4 BewG - bzw. durch die von der Rechtsprechung getroffene Auslegung der Vorschrift - die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) oder das Eigentum (Art. 14 GG) verletzt sein.
2. Das Urteil des FG weicht nicht ab i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO von dem Urteil des BFH vom 12. Juni 1991 III R 108/89 (BFHE 165, 201, BStBl II 1992, 20). Das FG hat seine Entscheidung auf keinen Rechtssatz gestützt, der zu einem Rechtssatz in der angezogenen BFH-Entscheidung in Widerspruch stünde. Dies folgt schon daraus, daß zu einem nicht unwesentlichen Teil auf seine Kosten unterhält in § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1986 und die Eigenart als Einfamilienhaus nicht wesentlich beeinträchtigt wird in § 75 Abs. 5 Satz 4 BewG nicht dieselbe Bedeutung haben. Insofern handelt es sich nicht um dieselbe Rechtsfrage.
Das FG-Urteil weicht auch nicht ab i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO von dem BFH-Urteil vom 24. Februar 1988 X R 67/82 (BFHE 152, 564, BStBl II 1988, 622). Das FG hat zwar die Verfassungsgemäßheit des § 75 Abs. 5 Satz 4 BewG bejaht, sich dadurch aber nicht in Widerspruch zu einem Rechtssatz in der genannten BFH-Entscheidung gesetzt. Dort hat der BFH insoweit die Auffassung vertreten, daß mit der von ihm getroffenen Auslegung § 19 Abs. 3 Satz 6 des Umsatzsteuergesetzes - noch - den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Bestimmtheit (Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit) von Steuergesetzen genügt. Diese Auffassung und die weiter dazu gegebene Begründung des BFH enthält keinen Rechtssatz, der zur Bejahung der Verfassungsgemäßheit des § 75 Abs. 5 Satz 4 BewG in Widerspruch stünde. Der BFH führt vielmehr insoweit aus, daß die Anforderungen an die Bestimmtheit abhängig sind von den Besonderheiten des jeweils zu regelnden Sachverhalts und den Umständen, die zu dieser Regelung führen.
Fundstellen
Haufe-Index 419068 |
BFH/NV 1994, 8 |