Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von Kursverlusten im Rahmen einer Überschußrechnung
Leitsatz (amtlich)
Wird bei Gewinnermittlung durch Überschußrechnung ein Fremdwährungsdarlehen aufgenommen, so ist bei einer Teiltilgung der Kursverlust, der sich infolge Kursanstiegs der Fremdwährung ergibt, Betriebsausgabe des Jahres der Teiltilgung.
Orientierungssatz
1. Aufnahme wie Tilgung eines Darlehens für betriebliche Zwecke haben grundsätzlich weder bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich noch bei der Gewinnermittlung durch Überschußrechnung Einfluß auf die Höhe des Gewinns. Dies gilt auch für Fremdwährungsdarlehen. Bei der Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich wirkt sich ein infolge des Anstiegs der Fremdwährung sich ergebender Kursverlust durch Erhöhung der Darlehensverbindlichkeit gewinnmindernd aus.
2. Wird bei Gewinnermittlung durch Überschußrechnung ein Fremdwährungsdarlehen aufgenommen, so ist ein infolge Kursrückgangs der Fremdwährung sich ergebender Kursgewinn als Betriebseinnahme zu erfassen.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, 3, § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 3, § 4 Abs. 4, § 11 Abs. 2; EStR Abschn. 17 Abs. 2 S. 6, Abschn. 37 Abs. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), der mit seiner Ehefrau, der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wird, erzielte im Streitjahr (1981) Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit als Steuerberater, die durch Überschußrechnung nach § 4 Abs.3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt wurden. Zur Finanzierung des Erwerbs der freiberuflichen Praxis hatte der Kläger am 2.Januar 1981 ein Darlehen über 450 000 Schweizer Franken (sFr) aufgenommen. Im Streitjahr erbrachte der Kläger auf dieses Darlehen Tilgungsleistungen über 60 000 sFr. Die Differenz zwischen den hierfür in Deutscher Mark nach dem Kurs am jeweiligen Tilgungstag aufgewandten Beträgen und dem Kurs zum Zeitpunkt der Darlehensaufnahme (Kursverlust) in Höhe von 7 087,10 DM zog der Kläger als Betriebsausgabe bei den Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit ab. Dem folgte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr nicht und setzte einen entsprechend höheren Gewinn an. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Auf die Klage erkannte das Finanzgericht (FG) den Kursverlust als Betriebsausgabe an und setzte die Einkommensteuer nach einem um 7 087 DM verringerten Einkommen fest.
Dagegen richtet sich die vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs.2 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassene Revision des FA, mit der Verletzung des § 4 Abs.3 EStG gerügt wird.
Das FA beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger haben einen Antrag nicht gestellt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet und wird deshalb zurückgewiesen (§ 126 Abs.2 FGO).
1. Aufnahme wie Tilgung eines Darlehens für betriebliche Zwecke haben grundsätzlich weder bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs.1, § 5 EStG) noch bei der Gewinnermittlung durch Überschußrechnung (§ 4 Abs.3 EStG) Einfluß auf die Höhe des Gewinns. Beim Betriebsvermögensvergleich steht der Passivierung der Darlehensverbindlichkeit ein grundsätzlich gleich hoher Zugang von Bar- oder Buchgeld gegenüber, während der Minderung des Bar- oder Buchgeldbestandes durch Tilgungsleistungen eine grundsätzlich gleich hohe Minderung der Verbindlichkeit gegenübersteht. Bei der Überschußrechnung nach § 4 Abs.3 EStG werden die Darlehensaufnahme nicht als Betriebseinnahme und die Darlehenstilgung nicht als Betriebsausgabe erfaßt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 8.Oktober 1969 I R 94/67, BFHE 97, 76, BStBl II 1970, 44, und Abschn.17 Abs.2 Satz 6 der Einkommensteuer-Richtlinien ―EStR―).
2. Die vorstehenden Grundsätze gelten auch für Darlehen, die in fremder Währung aufgenommen werden (Fremdwährungsdarlehen). Steigt der Kurs der ausländischen Währung im Vergleich zum Kurs im Zeitpunkt der Darlehensaufnahme, so wird dem bei Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich jedoch grundsätzlich dadurch Rechnung getragen, daß die Verbindlichkeit mit dem höheren Wert der ausländischen Währung am Bilanzstichtag als dem höheren Teilwert (§ 6 Abs.1 Nr.3 i.V.m. Nr.1 und 2 EStG) bewertet wird (Schmidt, Einkommensteuergesetz, 8.Aufl., § 5 Anm.57 ―Fremdwährungsverbindlichkeiten―; Mayer-Wegelin in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Einkommensteuergesetz, § 6 Rz.37; Clemm/Nonnenmacher in Beck'scher Bilanz-Kommentar, 2.Aufl., § 253 Anm.73; vgl. auch Abschn.37 Abs.2 EStR). Die durch den Kursverlust bedingte Erhöhung des Passivpostens wirkt sich im System des Betriebsvermögensvergleichs gewinnmindernd aus. Damit ist die Mehrausgabe, die sich später dadurch ergibt, daß zur Tilgung des Fremdwährungsdarlehens ein höherer als der ursprünglich passivierte Betrag in Deutscher Mark gezahlt werden muß, berücksichtigt.
3. Die Mehrausgaben, die sich bei der Tilgung eines Fremdwährungsdarlehens nach einer Kurssteigerung der ausländischen Währung ergeben, müssen ―wovon auch das FA ausgeht― auch bei der Überschußrechnung nach § 4 Abs.3 EStG gewinnmindernd als Betriebsausgaben abgezogen werden. Infolge des Kursverlustes fließt, gerechnet in Deutscher Mark, ein höherer Betrag als der bei Darlehensaufnahme zugeflossene Betrag ab. Die Erfassung des Mehrbetrags als Betriebsausgabe gewährleistet, daß ―bezogen auf die Gesamtlaufzeit des Darlehens― die Überschußrechnung zu demselben Ergebnis wie der Betriebsvermögensvergleich führt. Dementsprechend ist eine Betriebseinnahme zu erfassen, wenn infolge eines Kursrückgangs der ausländischen Währung ein geringerer als der ursprünglich zugeflossene Betrag, wiederum gerechnet in Deutscher Mark, abfließt. Damit wird dem Grundsatz Rechnung getragen, daß im ganzen und auf Dauer gesehen die Überschußrechnung den gleichen Gesamtgewinn wie der Betriebsvermögensvergleich ergeben soll (Senatsurteil vom 2.September 1971 IV 342/65, BFHE 104, 311, BStBl II 1972, 334; Beschluß des Großen Senats vom 4.Juli 1990 GrS 2-3/89, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817).
Wird die Darlehensverbindlichkeit durch Rückzahlung des gesamten Schuldbetrags in einer Summe getilgt, so ist die durch den Kursverlust bedingte Mehrausgabe im Jahr der Zahlung zu berücksichtigen. Denn in diesem Jahr fließt der zu zahlende Mehrbetrag beim Darlehensnehmer ab, und dieser Zeitpunkt ist nach dem auch bei der Überschußrechnung zu beachtenden § 11 Abs.2 EStG grundsätzlich maßgebend für die Erfassung als Betriebsausgabe. Entgegen der Auffassung des FA gilt bei Teiltilgungen wie im Streitfall nichts anderes. Ist nämlich, gerechnet in Deutscher Mark, für die Tilgung eines Teilbetrags ein höherer Betrag als der ursprünglich zugeflossene Darlehensteilbetrag aufzuwenden, so fließt der Mehrbetrag im Jahr der Teiltilgung ab. Die Auffassung des FA, diese Ausgabe könne erst im Jahr der endgültigen Darlehenstilgung erfaßt und müsse dann mit Einnahmen aus etwaigen Kursgewinnen anderer Jahre verrechnet werden, findet im Gesetz keine Grundlage.
4. Unerheblich ist entgegen der Auffassung des FA, daß dem Darlehensgeber in Höhe des Kursverlustes des Darlehensnehmers kein zusätzliches Entgelt für die Überlassung der Kapitalnutzung zufließt. Die Notwendigkeit, die Mehrzahlung infolge des Kursverlustes als Betriebsausgabe zu erfassen, ergibt sich, wie dargelegt, daraus, daß zur Tilgung ein höherer als der früher zugeflossene Betrag erforderlich ist. Das FA hat in diesem Zusammenhang auf das rechtskräftige Urteil des FG Baden- Württemberg vom 5.Juni 1984 VIII K 419/83 (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1985, 600) verwiesen. Danach sind Kursverluste bei Fremdwährungsdarlehen keine Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung i.S. des § 21 EStG (ebenso rechtskräftiges Urteil des Hessischen FG vom 19.August 1985 12 K 32/85, EFG 1985, 600). Diese Entscheidung beruht auf der Erwägung, bei den Kursverlusten handele es sich nicht um als Werbungskosten abziehbare Finanzierungskosten, sondern um einen bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht bedeutsamen vermögensumschichtenden Vorgang. Für die Ermittlung des Gewinns bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit (§ 2 Abs.2 Nr.1 EStG) trifft diese Erwägung nicht zu, und zwar auch dann nicht, wenn diese Einkünfte durch eine Überschußrechnung nach § 4 Abs.3 EStG ermittelt werden. Wie der Große Senat in dem Beschluß in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817 ausgeführt hat, gehören auch bei dieser Art der Gewinnermittlung die der Einkünfteerzielung dienenden Wirtschaftsgüter zum Betriebsvermögen. Darlehensverbindlichkeiten sind danach Bestandteil des Betriebsvermögens, wenn die Darlehensmittel für betriebliche Zwecke verwendet werden. Danach gehörte das im Streitfall zwecks Erwerbs der Praxis aufgenommene Darlehen zum Betriebsvermögen des Klägers. Aufwendungen zur Tilgung oder zur Teiltilgung dieses Darlehens, die den ursprünglich zugeflossenen Betrag oder Teilbetrag übersteigen, sind deshalb bei Berücksichtigung des Grundsatzes, daß beide Gewinnermittlungsarten zum gleichen Gesamtergebnis führen sollen, als Betriebsausgaben abzuziehen.
Fundstellen
Haufe-Index 63418 |
BFH/NV 1991, 15 |
BStBl II 1991, 228 |
BFHE 162, 567 |
BFHE 1991, 567 |
BB 1991, 469 (L) |
DB 1991, 681-682 (LT) |
DStR 1991, 311 (KT) |
HFR 1991, 331 (LT) |
StE 1991, 86 (K) |