Leitsatz (amtlich)
Zu dem "vereinbarten Preis" gehört nicht nur der Barpreis, sondern auch eine neben diesem vereinbarte geldwerte Leistung (BFHE 112, 299, BStBl II 1974, 470). Diese - und nicht der Wert des Wertpapiers - ist Steuermaßstab der Börsenumsatzsteuer, wenn neben ihr kein Barpreis vereinbart ist.
Normenkette
KVStG § 23
Tatbestand
Der Vater der Klägerin hat dieser im Dezember 1973 mit Zustimmung der anderen Gesellschafter die Beteiligung als Kommanditistin an einer Kommanditgesellschaft verschafft, deren persönlich haftender Gesellschafter eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist. Ihre Einlage im Ansatz von 1 400 000 DM ist von der mit 4 000 000 DM angesetzten Kommanditeinlage ihres Vaters abgezweigt worden. Dafür hat ihm die Klägerin eine Rente versprochen.
Das Finanzamt (Beklagter) hat aus einem vorläufig zugrunde gelegten Wert der Kommanditbeteiligung von 1 400 000 DM gegen die Klägerin vorläufig 3 500 DM Börsenumsatzsteuer festgesetzt.
Das Finanzgericht hat die Steuer auf 1 230,25 DM herabgesetzt. Zugrunde liegt dem der vorläufige Ansatz des "Gesamtwerts des Rentenrechts" mit 492 101,71 DM.
Das Finanzgericht hat die Revision des Beklagten zugelassen.
Mit der Revision rügt der Beklagte Verletzung des § 23 KVStG. Er ist der Ansicht, Steuermaßstab sei der Wert der Kommanditbeteiligung.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist unbegründet.
Gemäß § 23 KVStG wird die Börsenumsatzsteuer "regelmäßig von dem vereinbarten Preis" berechnet (Nr. 1) und nur, wenn ein Preis nicht vereinbart ist, von dem mittleren Börsen- oder Marktpreis (Nr. 2) oder dem Wert des Wertpapiers (Nr. 3). Zu dem "vereinbarten Preis" gehören nicht nur der Barpreis, sondern auch die daneben vereinbarten geldwerten Leistungen (Urteil vom 8. Mai 1974 II 133/65, BFHE 112, 299, BStBl II 1974, 470). Folglich können solche Leistungen - hier das Rentenversprechen - auch dann nicht von dem Begriff des "Preises" im Sinne des § 23 Nr. 1 KVStG ausgeschlossen sein, wenn kein barer Preis, sondern nur andere Leistungen vereinbart sind.
Ebenso wie bei der Vereinbarung nur eines Barpreises kann folglich auch bei der Vereinbarung nur anderer Leistungen der Steuermaßstab höher oder niedriger werden als der - gemäß § 11 Abs. 2 BewG 1965 zu schätzende - "Wert des Wertpapiers". Beides entspricht dem Sinne des Gesetzes. Denn die Vereinbarung eines höheren Preises beweist den Wert des Wertpapiers für den der Besteuerung unterliegenden (§ 17 Abs. 1 KVStG) Rechtsvorgang des Anschaffungsgeschäftes. Bei Vereinbarung eines niedrigeren Preises kann das gleiche gelten. Regelmäßig - und so auch hier - handelt es sich aber darum, daß das der Steuer unterliegende Anschaffungsgeschäft nicht voll entgeltlich ist. Dann entspricht die niedrigere Besteuerung dem Umstand, daß § 18 Abs. 1 KVStG eine Schenkung von Wertpapieren nicht zu den Anschaffungsgeschäften rechnet (vgl. Urteil vom 31. März 1976 II R 25/71, BFHE 119, 82, BStBl II 1976, 532), sondern nur "entgeltliche Geschäfte, die auf den Erwerb von Wertpapieren gerichtet sind". Bei einer gemischten Schenkung - wie sie hier nach der Auffassung des Finanzgerichts vorliegt - entspricht somit die Beschränkung des Steuermaßstabs auf die Leistung des Erwerbers nicht nur der in § 23 KVStG aufgestellten Rangordnung, sondern auch der ausdrücklichen Begrenzung des Besteuerungsgrundes.
Der Hinweis des Beklagten auf den "niedrigen Steuersatz" rechtfertigt nicht eine sinnwidrige Auslegung des Gesetzes. Nach dem Standpunkt des Beklagten würde zwar ein niedriger, gegebenenfalls sogar geringfügiger Barpreis (§ 23 Nr. 1 KVStG) den Ansatz des Werts der Wertpapiere (§ 23 Nr. 3 KVStG) verhindern, nicht aber eine andere Gegenleistung geringen Werts. Ein solches Ergebnis ist schon an sich fragwürdig (vgl. Urteil vom 10. Mai 1972 II R 17/68, BFHE 105, 519, BStBl II 1972, 629), jedenfalls aber unvereinbar mit dem Umstand, daß das schlechthin unentgeltliche Geschäft von vornherein nicht der Steuer unterliegt.
Ebenso unschlüssig ist das Argument des Beklagten, der Standpunkt des Finanzgerichts lasse wenig Raum für die Anwendung der Nummern 2 und 3 des § 23 KVStG. Denn aus dem Bestehen einer Vorschrift folgt für sich allein nichts über die Zahl der von der Vorschrift erfaßten Fälle. Der geringe Anwendungsbereich der Nummern 2 und 3 ist in § 23 KVStG schon dadurch gekennzeichnet, daß dessen Nummer 1 den Steuermaßstab des vereinbarten Preises als den "regelmäßigen" bezeichnet; das ist ersichtlich eine quantitative Aussage, da die logische Subsidiarität der Nummern 2 und 3 in diesen selbst ausgedrückt ist. Notwendig sind diese Vorschriften allein deshalb, weil eine Gegenleistung nicht schon durch die Entgeltlichkeit eines Geschäfts impliziert wird (vgl. Kipp, Erbschaftsteuergesetz 1927 § 3, Anm. 68, 71, 72), und sich insbesondere unter den Anschaffungsgeschäften im Sinne des § 18 Abs. 2 KVStG solche befinden, die zwar nicht unentgeltlich sind, gleichwohl aber keine Gegenleistung aufweisen. Die Problemlage des § 23 Nrn. 2 und 3 KVStG unterscheidet sich also nicht wesentlich von der ersten Alternative des § 10 Abs. 2 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1940. Auch diese Vorschrift hat nur einen kleinen Anwendungsbereich; sie ist allein deshalb geboten, weil es auch im Bereich des § 1 Abs. 1 und 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgänge gibt, die nicht als unentgeltliche befreit sind (§ 3 Nr. 2 GrEStG) und gleichwohl keine Gegenleistung aufweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 72688 |
BStBl II 1978, 258 |
BFHE 1978, 246 |