Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Geht bei der einheitlichen Gewinnfeststellung der Streit darum, ob die einem Gesellschafter gezahlte Vergütung zu seinen gewerblichen Einkünften oder zu seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehört, so ist in der Regel der Streitwert durch Anwendung eines Hundertsatzes auf einen Betrag von 500 DM zu bemessen. Insoweit wird der Beschluß IV 3/64 vom 25. August 1966, BFH 86, 569, BStBl III 1966, 611, ergänzt.
Normenkette
FGO § 115/1, § 140 Abs. 3
Tatbestand
Die Revisionsklägerin (KG) ist eine GmbH & CO. KG. An ihr waren im Streitjahr 1960 eine GmbH als Komplementärin und deren beide Gesellschafter als Kommanditisten beteiligt. Die Gewinnbeteiligungen der Kommanditisten betrugen bei der GmbH je 50 % und bei der KG je 48 %. Die restlichen 4 % des Gewinns der KG standen der GmbH zu. Der eine der Kommanditisten (A) war Geschäftsführer der GmbH. Die GmbH erhielt von der KG Geschäftsführerbezüge, die sie an A weitergab. Ferner zahlte die KG im Jahre 1960 an den anderen Kommanditisten (B) eine Vorabvergütung von 11.200 DM für dessen Tätigkeit für die KG, die in der Abwicklung einzelner Geschäfte im Interesse und im Auftrag der KG bestand.
Finanzamt (FA) und Finanzgericht (FG) rechneten bei der einheitlichen Gewinnfeststellung 1960 der KG die Geschäftsführerbezüge des A und die Vorabvergütung an B gemäß § 15 Ziff. 2 EStG als gewerblichen Gewinn zu. Die KG legte Rb. ein, weil sie der Ansicht ist, es handele sich bei A und B um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und die Zurechnung zum Gewinn sei verfassungswidrig.
Entscheidungsgründe
Die nach Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandelnde Rb. ist unzulässig, da die Streitwertgrenze von 1.000 DM (§ 286 Abs. 1 AO a. F., § 184 Abs. 2 Nr. 2 FGO) nicht erreicht ist.
Der Senat führte in dem Beschluß IV 3/64 vom 25. August 1966 (BFH 86, 569, BStBl III 1966, 611) aus, daß bei der Bestimmung des Streitwerts im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung nicht von einem Prozentsatz der vollen Gewinnbeträge ausgegangen werden dürfe, deren Behandlung streitig sei, wenn es nur um die Frage gehe, welcher Einkunftsart die Bezüge zuzurechnen seien. Betreffe der Streit nur die Frage, ob die Einkünfte gewerbliche oder solche aus nichtselbständiger Arbeit seien, so sei von dem Betrag auszugehen, um den sich das Einkommen mindere, d. h. bei jedem betroffenen Gesellschafter von der Werbungskostenpauschale von 564 DM und der höheren Sonderausgabenpauschale nach § 10 c Ziff. 1 EStG. Daran hält der Senat im Grundsatz fest.
Vom einkommensteuerlichen Gesichtspunkt kann das Interesse der KG nur darin bestehen, daß die beiden Gesellschafter in den Genuß von Vorzügen gelangen, die ihnen eine Einordnung ihrer Bezüge in die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bieten würde. Wie hoch diese im einzelnen wären, ist schwer abzuschätzen. In Ergänzung der damals nicht entscheidungserheblichen Ausführungen des Senats im Beschluß IV 3/64 ist zu berücksichtigen, daß nicht nur die Werbungskostenpauschale und die Sonderausgabenpauschale in Betracht zu ziehen sind; es können sich auch, wie die KG richtig bemerkt, der Weihnachtsfreibetrag von 100 DM (§ 3 Ziff. 17 EStG 1960 in der Fassung des Gesetzes zur änderung des EStG vom 27. Dezember 1960, BGBl I S. 1077, BStBl I 1961, 18), der Arbeitnehmerfreibetrag von 240 DM (§ 19 Abs. 2 EStG 1965 ) und die Freibeträge nach § 2 Abs. 3 Ziff. 2 LStDV und § 12 des Zweiten Vermögensbildungsgesetzes (2. VermBG) vom 1. Juli 1965 (BGBl I S. 585, BStBl I 1965, 346) je nach den Verhältnissen des Einzelfalles auswirken. Andererseits bietet die Gewährung der bezeichneten Pauschalen nicht in jedem Fall einen Vorteil und es können mit der Behandlung als Arbeitnehmer mannigfache Nachteile, wie die sofortige Abführung der Steuer und die geringere Möglichkeit der Geltendmachung von Betriebsausgaben (Werbungskosten), verbunden sein. Endlich können sich kaum feststellbare einkommensteuerliche Auswirkungen bei den Gesellschaftern dadurch ergeben, daß gewerbliche Einkünfte bei bilanzierenden Steuerpflichtigen im Jahr der Entstehung des Gewinns zu versteuern sind während es bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auf den Zufluß ankommt (§ 11 EStG).
Bei der ohnehin nach freiem Ermessen vorzunehmenden Festsetzung des Streitwerts (§ 320 Abs. 4 AO a. F. § 140 Abs. 3 FGO) können im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung wegen der in dem Urteil des BFH I 268/60 U vom 17. Oktober 1961 (BFH 74, 108, BStBl III 1962, 41) im einzelnen dargestellten Schwierigkeiten nicht alle Umstände des Einzelfalles berücksichtigt werden; es ist nur eine Schätzung möglich. Es erscheint im Interesse der Rechtssicherheit und der übersehbarkeit des Kostenrisikos vertretbar, den zu schätzenden Betrag der Einkommensminderung für jeden in Frage kommenden Gesellschafter im Regelfall mit 500 DM anzunehmen und auf diesen Betrag zur Ermittlung der Vorteile bei der Einkommensteuer den in der Rechtsprechung üblichen, unter Umständen zu erhöhenden Hundertsatz von 25 anzuwenden.
Diese Berechnung des Streitwerts bei der einheitlichen Gewinnfeststellung bietet freilich die Möglichkeit, daß Gesellschaften und Gemeinschaften in Fällen, in denen es in Wahrheit um die gewerbesteuerlichen Auswirkungen geht, mit einem verhältnismäßig geringen Kostenrisiko dem Gericht Fragen zur Klärung unterbreiten, die wegen der faktischen Auswirkung auf die Höhe des Gewerbeertrags von erheblicher Bedeutung sind (§§ 7, 35 b GewStG). Das gilt aber regelmäßig nur für das Verfahren erster Instanz. Denn Fälle, in denen es nur um die bezeichnete Charakterisierung der Einkünfte geht und die einkommensteuerliche Beschwer die Streitwertgrenze von 1.000 DM übersteigt, sind selten, so daß es in der Regel zu einem Revisionsverfahren nur durch die Anfechtung des Gewerbesteuermeßbescheids kommen kann.
Der Streitwert beträgt demnach 30 % von 2 x 500 DM 300 DM.
Fundstellen
Haufe-Index 412441 |
BStBl III 1967, 254 |
BFHE 1967, 21 |
BFHE 88, 21 |