Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Verfassungsmäßigkeit des Kinderlastenausgleichs für Eltern mit zwei Kindern im Jahre 1986; zur Streitwertermittlung für ein NZB-Verfahren, in dem es u. a. um die Verfassungsmäßigkeit des Grundfreibetrages im Jahre 1986 geht
Leitsatz (NV)
1. Die Frage, ob der Kinderlastenausgleich für Eltern mit zwei Kindern im Jahre 1986 verfassungsgemäß war, ist durch das BFH- Urteil vom 14. Januar 1994 III R 194/90 (BFHE 173, 528, BStBl II 1994, 429), das die Verfassungsmäßigkeit bejaht hat, hinreichend geklärt (Folgeentscheidung nach dem BFH-Beschluß vom 4. August 1994 III B 190/90, BFHE 175, 97, BStBl II 1994, 900).
Bezogen Eltern in diesem Jahr das ungekürzte Zweitkindergeld (von 100 DM monatlich), ist zusätzlich zu beachten, daß dies -- bei einer Umrechnung in einen Steuerfreibetrag mit 40 v. H. -- zu einer um 900 DM höheren steuerlichen Entlastung führte, als sie Eltern gewährt wurde, denen nur das auf den sog. Sockelbetrag gekürzte Zweitkindergeld (von 70 DM monatlich) zustand.
2. Zur Ermittlung des Streitwerts für ein NZB-Verfahren, in dem es u. a. um die Verfassungsmäßigkeit des Grundfreibetrages für den Veranlagungszeitraum 1986 geht, wenn der Beschwerdeführer keine Angaben zu der von ihm erstrebten Höhe des Grundfreibetrages macht.
Normenkette
EStG i.d.F. des StSenkG 1986/1988 § 32 Abs. 6; EStG i.d.F. des StSenkG 1986/1988 § 32a Abs. 1; BKGG i.d.F. des Gesetzes vom 20. Dezember 1982 § 10 Abs. 1 S. 1; BKGG i.d.F. des Gesetzes vom 20. Dezember 1982 § 10 Abs. 2; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; GKG § 13 Abs. 1 S. 1; GKG n.F. § 25 Abs. 2 S. 1
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) und seine Ehefrau sind Eltern zweier in den Jahren 1980 und 1984 geborener Kinder. Der Kläger hatte im Streitjahr (1986) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 42 664 DM erzielt. Im Rahmen des Lohnsteuer-Jahresausgleichs für dieses Jahr war ein zu versteuerndes Einkommen von 20 828 DM zu berücksichtigen; es ergab sich (nach der Splittingtabelle) eine Jahreslohnsteuer von 2 564 DM. Der Grenzsteuersatz beträgt danach 22 v. H. (untere Proportionalzone).
Der Einspruch, mit dem sich der Kläger gegen die seiner Auffassung nach zu niedrigen Kinderfreibeträge wandte, hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies auch die Klage, mit der der Kläger zusätzlich -- neben einem Mangel bei der Bekanntgabe des Ausgleichsbescheides -- die Verfassungswidrigkeit des Grundfreibetrages geltend machte, als unbegründet ab.
Mit seiner auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützen Nichtzulassungsbeschwerde erstrebt der Kläger eine Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des Grundfreibetrages und der Kinderfreibeträge. Er führt dazu u. a. aus, daß der Kinderfreibetrag im Streitjahr mindestens 4 500 DM betragen müsse und daß der Grundfreibetrag dazu diene, dem Steuerpflichtigen das Existenzminimum zu garantieren, und deshalb nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) der Besteuerung entzogen sei.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist unbegründet.
Im gegenwärtigen Zeitpunkt hat keine der vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen mehr grundsätzliche Bedeutung.
a) Die Frage der Verfassungsmäßigkeit des bei der Einkommensteuerveranlagung oder der Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs für das Streitjahr (1986) zu berücksichtigenden Grundfreibetrags ist durch den Beschluß des BVerfG vom 25. September 1992 2 BvL 5/91 u. a. (BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413) geklärt worden (s. auch den Senatsbeschluß vom 18. März 1994 III B 543/90, BFHE 173, 506, BStBl II 1994, 473, Abschn. II Nr. 2 a der Entscheidungsgründe).
b) Zur Verfassungsmäßigkeit des Kinderlastenausgleichs für Eltern mit zwei Kindern im Streitjahr 1986 hat sich der erkennende Senat im Urteil vom 14. Januar 1994 III R 194/90 (BFHE 173, 528, BStBl II 1994, 429) -- in einem Hauptsacheverfahren -- grundlegend geäußert. Er hat die maßgebende Vorschrift des § 32 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i. d. F. des Steuersenkungsgesetzes (StSenkG) 1986/1988 für Fälle wie den vorliegenden als gerade noch verfassungsgemäß angesehen.
Weiteren Klärungsbedarf sieht der Senat (auch) insoweit nicht. Einen solchen hat weder der Kläger geltend gemacht, noch ergibt er sich aus dem Beschluß des BVerfG vom 14. Juni 1994 1 BvR 1022/88 (Deutsches Steuerrecht -- DStR -- 1994, 1222), nach dem der Kinderlastenausgleich für Eltern mit drei und mehr Kindern in den Jahren 1986 und 1987 verfassungsgemäß war. Der Senat verweist insoweit -- zur Vermeidung von Wiederholungen -- auf seinen Beschluß vom 4. August 1994 III B 190/90, BFHE 175, 97, BStBl II 1994, 900). Dies gilt auch für die dort wiedergegebene Auffassung, daß sich die Frage, ob das BVerfG in einem Fall wie dem vorliegenden (Kinderlastenausgleich für Eltern mit zwei Kindern) die Grundauffassungen des Senats in dessen Urteil in BFHE 173, 528, BStBl II 1994, 429 teilen würde, nur im Wege einer Verfassungsbeschwerde klären lasse.
Im Streitfall ist insoweit jedoch möglicherweise von Bedeutung, daß der Kläger -- nach Aktenlage -- mit großer Wahrscheinlichkeit für sein zweites Kind das ungekürzte Kindergeld in Höhe von 100 DM monatlich erhalten hatte. Die Minderung bis auf den sog. Sockelbetrag von 70 DM setzte im Streitfall nämlich erst ein, wenn das kindergeldrechtliche Einkommen des Klägers im Jahre 1984 mehr als 41 999 DM betragen hätte (§§ 44 a, 11 Abs. 3 Satz 1 des Bundeskindergeldgesetzes -- BKGG -- i. V. m. § 10 Abs. 2 BKGG i. d. F. des Gesetzes vom 20. Dezember 1982) oder im Streitjahr 1986 mehr als 45 479 DM (§§ 10 Abs. 2, 11 Abs. 4 Satz 1 BKGG). Dies war jedenfalls im Streitjahr -- bei einem Gesamt betrag der Einkünfte von lediglich 42 664 DM -- ersichtlich nicht der Fall. Dadurch steht im Streitfall -- mit großer Wahrscheinlichkeit -- ein um 360 DM höheres Kindergeld für die Umrechnung in einen Steuerfreibetag zur Verfügung als im Falle des Senatsurteils in BFHE 173, 528, BStBl II 1994, 429. Dies entspricht -- bei einer Umrechnung mit 40 v. H. -- einer um 900 DM höheren steuerlichen Entlastung (vgl. hierzu auch den Senatsbeschluß vom 28. Juli 1994 III B 22/94, BFH/NV 1995, 201).
c) Im übrigen ergeht die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Angabe von Gründen.
2. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 25 Abs. 2 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. des Kostenrechtsänderungsgesetzes vom 24. Juni 1994 (BGBl I 1994, 1325). Dabei hat der Senat die vom Kläger erstrebten Kinderfreibeträge mit den von diesem angegebenen Mindestbeträgen (von 4 500 DM pro Kind) berücksichtigt, was zu einer festzusetzenden Einkommensteuer von 1 686 DM führen würde. Den vom Kläger für erforderlich gehaltenen Grundfreibetrag setzt der Senat für den Kläger selbst mit 10 126 DM fest. Dieser Betrag entspricht dem Mittel der vom BVerfG im Grundfreibetrags-Beschluß in BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413, Abschn. C II Nr. 2 für das Streitjahr (1986) in Betracht gezogenen Sozialhilfebedarfsbeträge für Erwerbstätige (FG Münster 9 212 DM und Bundesregierung 11 040 DM). Weiter geht der Senat davon aus, daß der Kläger den Differenzbetrag zum gesetzlichen Grundfreibetrag von 4 536 DM (= 5 590 DM) als eine Erhöhung dieses Freibetrags innerhalb des Einkommensteuertarifs beurteilt wissen möchte, mit der Folge, daß sich insoweit ein Teilstreitwert von 1 229 DM (= 22 v. H. von 5 590 DM) ergibt (s. hierzu Senatsbeschluß vom 15. November 1991 III E 4/90, BFHE 165, 489, BStBl II 1992, 256).
Ob für die Ehefrau des Klägers ein Grundfreibetrag in derselben Höhe (von 10 126 DM) anzusetzen wäre (etwa entsprechend § 32 d Abs. 1 Satz 1 EStG n. F.), kann der Senat offenlassen. Denn es genügt insoweit bereits ein gegenüber dem gesetzlichen Grundfreibetrag (von 4 536 DM) um 2 080 DM auf 6 616 DM erhöhter Freibetrag, um die festgesetzte Jahreslohnsteuer von 2 564 DM auf 0 DM schrumpfen zu lassen. Das ergibt folgende Rechnung: Nach Berücksichtigung der begehrten Kinderfreibeträge verbleibende Steuer = 1 686 DM; davon ab 1 229 DM aufgrund Erhöhung des Grundfreibetrages für den Kläger (verbleiben 457 DM); davon ab 22 v. H. von 2 080 DM (Erhöhung des Grundfreibetrags für die Ehefrau des Klägers) = 457 DM; verbleiben 0 DM.
3. Zur Besetzung der Richterbank im vorliegenden Verfahren weist der Senat -- vorsorglich -- auf folgendes hin:
Anhand von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes ist in sog. Dreier-Sachen lediglich zu prüfen, ob der Vorsitzende bei der Bestimmung von Berichterstatter und Mitberichterstatter willkürfrei verfahren ist (vgl. auch den Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 29. Januar 1992 VIII K 4/91, BFHE 165, 569, BStBl II 1992, 252). Anhaltspunkte für eine willkürliche Maßnahme sind nicht ersichtlich. Die Bestimmung von Berichterstatter und Mitberichterstatter entspricht im Streitfall vielmehr allgemeinen mündlich und schriftlich festgelegten Grundsätzen des Senats. Danach ist für das Aufgabengebiet Kinderlastenausgleich in erster Linie Richter am Bundesfinanzhof X als Berichterstatter zuständig. Die Bestimmung des Mitbericht erstatters beruht auf Abschn. II Nr. 3 des senatsinternen Mitwirkungsplanes i. d. F. ab 2. März 1994. Nach dieser Regelung ergibt sich der Mitberichterstatter im Regelfall aus den Endziffern der Geschäftsnummern des Senats, die den einzelnen Richtern -- mit Ausnahme des Vorsitzenden -- in genau festgelegter Reihenfolge zugeordnet sind. Für die Endziffer 1 -- das vorliegende Verfahren hat das Aktenzeichen III B 281/90 -- ist grundsätzlich Richter am Bundesfinanzhof Y Mitberichterstatter. Dieser wurde im Streitfall auch mit der Mitberichterstattung betraut.
Die teilweise nur mündliche Festlegung der Mitwirkungsgrundsätze ist im laufenden Jahr -- auch im Hinblick auf § 21 g Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes -- noch hinzunehmen. Der erkennende Senat schließt sich insoweit -- wie auch im übrigen -- der Auffassung der Vereinigten Großen Senate des Bundesgerichtshofs in deren Beschluß vom 5. Mai 1994 VGS 1--4/93 (mitgeteilt u. a. in Neue Juristische Wochenschrift 1994, 1735 und Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1994, 491) an.
Fundstellen
Haufe-Index 420411 |
BFH/NV 1995, 510 |