Controller müssen den Schritt auf Machine Learning gehen.

Robotic Process Automation und Predictive Analytics werden das Reporting nachhaltig verändern. Dies zeigen laut dem Digitalisierungsexperten Prof. Jörg H. Mayer die Erfahrungen zahlreicher „Frontrunner“ in diesem Bereich. Auch die Auswirkungen auf die Controller zeichnen sich schon deutlich ab.

Interviewpartner:

Prof. Dr. Jörg H. Mayer

Er leitet den Arbeitskreis „Digital Finance“ bei der Schmalenbach-Gesellschaft e.V. Zudem führt er das Competence Center „Unternehmenssteuerungssysteme“ an der Technischen Universität Darmstadt.

Das Interview führten Prof. Dr. Andreas Klein, Professor für Controlling und International Accounting an der SRH Hochschule Heidelberg, und Jens Gräf, Principal und Leiter des Business Segments KPI & Management Reporting im Competence Center Controlling & Finance von Horváth & Partners Management Consultants in Frankfurt.

Herr Prof. Mayer, welche Auswirkungen wird die Digitalisierung im Reporting haben?

Mayer: Die Digitalisierung hat m.E. wenig Einfluss auf das „klassische“ Reporting. RPA (Robot Process Automation) wird aber die eine oder andere Berichterstellung auf die Maschine verlagern. Zudem werden mehr und mehr IT-Schnittstellen durch RPA „geglättet“. Das heißt z.B., die Formatübertragungen von einem zum anderen IT-System mit all ihren Tücken wie Gleitkommaverschiebungen, Rundungen, etc. werden mehr und mehr durch die Maschine und faktisch fehlerfrei in der Zukunft durchgeführt werden.

Interessant wird das Thema Predictive Analytics on Big Data. Hier werden neue Informationen entstehen, z.B. Zusammenhänge zwischen vor- und nachlaufenden Kennzahlen, die man bislang in der Flut an Daten mit unserem menschlichen Gehirn gar nicht erfassen konnte. Mit geeigneten Algorithmen können dabei Trend- und Saisonkomponenten differenziert werden. Faktengetriebene Vorhersagen treten zumindest neben das Erfahrungswissen des Menschen dazu.

... und wie weit sind die Unternehmen nach Ihren Erfahrungen in der Umsetzung der Digitalisierungsthemen?

Mayer: Sehen wir uns die Entwicklungen unserer Partnerunternehmen im Arbeitskreis „Digital Finance“ der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V. an, hat das Thema RPA mittlerweile – mit etwa 2 – 3 Jahren Historie – bei den „Frontrunners“ einen guten Reifegrad. Manche sehr große Partnerunternehmen haben bereits mehr als 100 Finance-Bots in ihren Shared Service Centers „live“. Andere haben das gesamte Thema „RPA“ bereits in Entwicklung und Betrieb in die IT abgegeben. Mit Blick auf den Gesamtmarkt haben aber die meisten Unternehmen die ersten 5 – 10 Anwendungen im „Live“-Betrieb und sammeln gerade Erfahrungen mit der Skalierung, z.B.:

  • Wer hat und behält die Governance und Gesamtverantwortung für die zukünftige Entwicklung?
  • Macht es Sinn, ein gemeinsames „Repository“ für bewährte Programmteile zentral abzulegen?

Der Mittelstand, so die Ergebnisse unserer neuen Mittelstandsgruppe im Arbeitskreis „Digital Finance“, dürfte in 2020/21 zu den obigen Themen große Fortschritte machen.

Analytics nimmt einen immer größeren Stellenwert ein. Ist davon auszugehen, dass im Controlling oder Controlling-nahen Umfeld, ausgelöst durch die großen Datenmengen, zunehmend komplizierte statistische Methoden eingesetzt werden?

Mayer: Ja, Controller arbeiten zwar alle lieber mit MS Excel, er/sie muss aber den Schritt auf machine learning-Algorithmen gehen. Hier ist Lernbereitschaft angesagt. Bei komplexeren Lösungen wird sicherlich ein Data Scientist unterstützen, aber die AI/ML-Grundlagen sollten in 5 Jahren die meisten Controller schon verstanden haben.

Wie nutzen Unternehmen die neuen Möglichkeiten im Bereich Analytics bereits?

Mayer: Volumenplanung im Vertrieb ist der Anfang, häufig auch die Cashflow-Planung, dann net sales-Planung, wenn das Unternehmen nicht eine allzu große Produktpalette hat, später der Forecast ganzer EBIT-Planungen und GuVs. Persönlich denke ich, dass Predictive Analytics mehr die Forecasts als die Planungen unterstützen wird.

Warum tun sich viele Unternehmen so schwer mit der Umsetzung?

Mayer: Ist RPA noch eine relativ einfache Technik, fehlt es flächendeckend meist an grundlegenden Programmierkenntnissen „in der Breite“ bei den Unternehmen. C-Sharp, .dot ist kein Wissensstandard in der Fachabteilung, ist aber – bei Interesse – gut in 2 – 3 Tagen zu lernen. Aber nur Übung macht den Meister und solche (digitale) Projektarbeit steht häufig neben dem Tagesgeschäft zurück. Es entstehen lange Projektpausen und Wissen geht durch Vergessen einfach wieder verloren.

Technisch gesehen ist Data Science, im Detail also Artificial Intelligence und Machine Learning (ML), deutlich komplexer als RPA. Hier gibt es schon komplexe Algorithmen, sodass manche Mitarbeiter hier bei „0“ anfangen oder erlerntes „Universitätswissen“ schon einige Jahre zurückliegt. Dieses Digital Upskilling der Mitarbeiter wird deutlich umfangreicher als ein RPA-Training werden! Ein Verständnis „in der Breite“ der Organisation wird wohl nicht erreicht werden können, muss aber auch nicht das Ziel sein.

Das vollständige Interview finden Sie in Klein/Gräf (Hrsg.),  Reporting und Business Analytics, 1. Auflage 2020,

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Schlagworte zum Thema:  Reporting, Business Intelligence, Analytics